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Real recognize real: Ill Mindz Interview

Real recognize real: Ill Mindz Interview

Ill Mindz sind bekannterweise Digga Mindz und Def Ill, die beide in den letzten Jahren mit ihren Raps beziehungsweise Produktionen schon vielfach zu überzeugen wussten. Keines ihres bisherigen zahlreichen anderen Projekte dürfte so fein und lang geschliffen worden sein, wie ihr erstes gemeinsames Album „Real recognize real“, das Ende 2011 erschien und hielt, was es versprach. Wir trafen die beiden im Deep Soul Records Store in Wien Meidling zum Interview, das wir zum Teil in Video- und zum Teil in verschriftlichter Form präsentieren…

Bereits 2008 war von eurem gemeinsamen Album öffentlich die Rede, Ende 2011 ist es dann erschienen. Wie viele Nummern standen schlussendlich zur Auswahl?
DM: Unmengen…sicher um die 50, 60 Tracks. Mitte 2011 haben wir uns unsere Favoriten rausgesucht und sie fertig produziert.
DI: Genau genommen machen wir seit 2006 gemeinsam Musik. Auf „Real recognize real“ sind auch einige Tracks von 2007 drauf, die aber mittlerweile schon dreimal überarbeitet wurden.

Gab es zum Album ein länger durchdachtes Konzept? Es fällt zum Beispiel die Themenvielfalt auf…
DM: Konzept gab es keines, aber es war uns von Vornherein wichtig, dass es ein Crew-Album wird. Alle Texte sind auf uns beide aufgeteilt. Außerdem haben wir zwei Album-Beats gemeinsam gemacht.
DI: Wir hatten das Album schon fast fertig, ohne irgendwelche Features. Stixx und 5Finga haben sich zum Glück auch noch mit je einem Part verewigt. Es ist uns eine große Ehre, dass wir die beiden auf dem Album haben. BBZ!

Wie waren denn die bisherigen Rückmeldungen? Die erste 500er Auflage ist angeblich schon komplett vergriffen…
DM: Die erste Auflage ist ausverkauft. Es waren aber nur 300 Stück.
DI: Wir pressen jetzt nach.
DM: Für uns ist es cool, aber ich habe keinen Vergleich zu anderen Leuten. Ist auch egal.
DI: Auf die Ill Mindz Videos kommt auch sehr viel internationaler Respond. Ich habe jetzt zum Beispiel mit dem A-Team etwas gemacht. Die sind die beiden „Fastest Rapper Azerbaijan“. Sie haben mein „Fastest Rapper Austria“-Video gesehen und mich angeschrieben.

Auf der „Real recognize real“ CD gibt es keinen Strichcode, es sind keine Sponsoren- oder Förderungslogos drauf. War das bewusst im Sinne eines Untergrund- und Realness-Gedankens?
DM: Der ist sowieso immer dabei (lacht). Die Release Party war für 10.12. in Mattsee fixiert. Wir haben die Platte eineinhalb Wochen davor ins Presswerk geschickt. Das heißt jegliche Förderungsanfrage wäre zu kurzfristig gewesen. Außerdem wollen wir schauen, dass wir das Ganze mit Förderung auf Vinyl rausbringen.
DI: Von „Real recognize real“ wird es auch ein Konstantin Diggin Remix Album geben, vielleicht sogar noch vor dem Vinyl.

Das heißt es ist deswegen zuerst die CD gekommen, weil man die Vinyl Version nicht finanzieren konnte?
DM: Nein. Von der Platte hätten wir höchstwahrscheinlich nicht besonders viel verkauft. Wirtschaftlich wäre das also ziemlich deppat gewesen.

Sicher?
DI: Wie viele Leute haben heutzutage noch einen Plattenspieler?
Takonedoe (Deep Soul Records Gastgeber und Boombokkz Mitglied): Wenn du es mit ihren Releases vergleichst, ist es fast das Zehnfache was an CDs weggeht.

War Ill Mindz ein „Ein-Album-Projekt“ oder kommt da noch mehr?
DI: Wir arbeiten kontinuierlich zusammen. Wir haben jetzt auch schon fast eine neue Vinyl EP fertig. Da es bis zum aktuellen Album fünf Jahre gedauert hat, wollen wir uns jetzt nicht auf Deadlines festlegen.

Def Ill hatte seine ersten veröffentlichten Rap Parts bei Textas „Verstanden“ 2001 und 2003 beim einzigen Album von Rückgrat (Marquee alias Krocko Jack alias…., DJ Twang, Megga) mit „Das kleine ABC“…was hast du damals gerade gemacht?
DM: Da habe ich schon gerappt, aber noch nichts veröffentlicht. Ich hatte damals diverse technische Probleme (lacht).

Den Def Ill-Part bei Texta hast du nicht mitbekommen?
DM: Doch…lustigerweise haben wir zur dieser Zeit eine Jam in Villach organisiert und haben ihn auch gebucht, also seine alte Crew…wie haben die geheißen? Raporter? Def Ill ist dann als Einziger nicht gekommen…Biatch!
DI: Tschuldige…(lacht).

Digga Mindz meint auf eurem Album ungebildet zu sein, während du Def Ill, sehr oft Vergleiche aus der Kulturgeschichte bringst. Gibt es zwischen euch eine Bildungslücke?
DI: Ich tu nur gscheiter.
DM: Er macht auf gscheit und ich mach auf dumm. Nein also es ist schon ironisch zu sehen. Du sprichst wahrscheinlich von meiner ersten Zeile bei „Wohrheit“. Die ist so gemeint, dass die Schulbildung einfach nicht alles ist.
DI: Ich bin nicht gebildet und schaffe Bilder. Das zielt nicht nur auf Schulbildung ab, sondern auch, dass wir nicht die sogenannte Elite sind. Dieses pseudo-belesen sein…die meisten Leute lesen extrem viel und verkennen sich nur noch zwischen den Zeilen und sind nur noch darauf gebannt, was sie in Dokus aufschnappen und verkennen eigentlich schon vollkommen die Realität. Das sind aber die Leute, die von den anderen dann als die Gscheiten hingenommen werden. Gebildet zu sein ist nicht mit Intelligenz gleichzusetzen.

Def Ill, du kritisierst in deinen Texten einerseits immer wieder österreichischen Rap, andererseits hat wohl niemand sonst mit so vielen verschiedenen heimischen Rappern zusammengearbeitet wie du…
DI: Theoretisch ein Grundwiderspruch, praktisch ist Rap aber doch noch immer Competition. Wenn ich battle, dann battle ich österreichischen Standard. Ich habe mit 30 oder vielleicht 50 Leuten zusammengearbeitet, momentan gibt es in Österreich aber 1000, wenn nicht 5000 Rapper. Wir leben schließlich in einer Zeit von Blockstars (lacht). Ich halte auch nichts von dieser momentanen Pseudo-Unity, die auf dem Gedanken aufbaut, dass man zusammenhalten soll, weil man im Dialekt rappt. Diese Patrioten Attitude kotzt mich an.

Dass es ein größeres Publikum für österreichischen Rap gibt, ist aber vor allem auf Slang Rap zurückzuführen und hat zu einem großen Teil mit den Vamummtn und Skero zu tun. Euch ist auch eine größere Aufmerksamkeit entgegengekommen mit den beiden Tracks, die ihr gegen die Vamummtn geschossen habt…
DM: Ich glaube ehrlich gesagt nicht, dass es darauf irgendwelche großartigen positiven Resonanzen gegeben hat. Die Leute, die uns mögen und unsere Sachen schon vorher angehört haben, die haben unseren Shit cool gefunden und die „V4L Biatches“, die die Vamummtn cool gefunden haben, tun es nach wie vor. Bei Ill Mindz schreiben auf YouTube immer irgendwelche Hanseln Bullshit.
DI: Es ist aber fast immer der Gleiche (lacht).
DM: Wie auch immer, ich glaube nicht, dass wir irgendwen bekehrt haben. Die meisten Kommentare, die von Vamummtn Fans zu unseren Videos kommen, sind verstumpfter, vollkommen dämlicher Hass. Teilweise sind es nicht einmal Sätze. Das spricht Bände. Die können uns ja gar nicht fassen, für die sind wir eine Person. Ich kann das nicht ernst nehmen.

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Hilft euch YouTube nicht auch weiter?

DI: Das schon, es hat für uns aber keine Priorität. Die meisten Rapper nehmen YouTube mittlerweile ernster, als alles andere. Ich glaube aber nicht, dass ein Mensch, der mich live auf der Bühne gesehen hat, dann nachher unbedingt meine Sachen auf YouTube anschaut. Das Leben und das Internet sind dann doch nach wie vor zwei verschiedene Welten, auch wenn sie mittlerweile immer stärker miteinander verbunden sind. Selbst im Internet sind wir Untergrund. Es ist vielleicht versteift, das Ganze dann immer noch Untergrund zu nennen, weil du dadurch den Respond von Leuten, die den Untergrund nicht respektieren, nicht bekommen kannst. Die Leute sind schon so verstreut, dass sie nur diese Beverly Hills Rapper feiern, die Fame haben. Und dann gehen sie nach Clicks. Offensichtliche Volksverblödung.
DM: Es gibt aber trotzdem immer noch eine lebendige Underground Szene mit seriösen Leuten, wie zum Beispiel Sean Price oder Guilty Simpson. Die erzählen zwar im Endeffekt auch nichts anderes, als in der guten alten Zeit, aber sie machen es halt aktueller, frischer, mit mehr Skills einfach.

Hast du, Digga Mindz, vor ein reines Beat Album zu veröffentlichen? Momentan erscheinen ja immer mehr Instrumental Alben, die ein internationales Publikum finden…
DM: Werde ich sicher irgendwann machen und ich habe es mir auch schon öfters überlegt. „Diggas Digest“ sollte eigentlich so etwas werden. Von 25 Nummern gibt es nur 5 mit Raps. Die häufigste Kritik, die ich darauf gehört habe, war: „He, da rappt ja fast nie jemand.“ Allerdings hätte ich auch versuchen können mehr Kohle reinzustecken, es auf Vinyl zu releasen und es international zu verkaufen. Aber es gibt so viele Beatmaker, dass ich mir nicht wirklich etwas erwarte. Ich will aber auf jeden Fall noch weiter releasen, damit ich weiterkomme und mehr passiert.

Es sind zwar andere Voraussetzungen, aber wenn man sich MPM anschaut, dann dürfte es mit den Instrumental Alben auch international funktionieren…
DM: Deren Alben sind anscheinend geiler. MPM hat auch einen gewissen Prestigewert. Ich glaube, wenn ich bei denen releasen würde, würden es auch mehr Leute kaufen, aber das ist halt nicht der Fall (lacht). Wir haben jetzt übrigens auch eine Beat-Compilation am Laufen. Allerdings wird das keine Doppel-LP, sondern mehrere 12 Inches, wo auf der einen Seite instrumentale Geschichten drauf sein werden. Die Rückseiten sind geetched. Die erste ist von b.visible (Decktales). Von mir wird da auch sicher noch eine kommen. Ob das funktioniert, wird sich noch weisen.
DI: Ich plane übrigens auch ein Producer-Album.

Ja?
DI: Ja! Aber das wird nicht nur Hip Hop sein und es wird noch dauern. Teilweise mit Sängerinnen…Grüße an Alice Harper….das war’s (Digga Mindz lacht). Ich drehe auch einen Film…
DM: Ich habe das Intro schon gesehen, wird geil.

TM: Worum wird es da gehen?
DI: Um Alice im Wunderland und meine Sicht der Dinge. Mehr verrate ich noch nicht. An die Adresse von Marilyn Manson: Ich warte jetzt seit fünf Jahren auf deinen Lewis Carroll Film, das hat mir einfach zu lange gedauert!

Interview: Daniel Shaked & Jan Braula
Kamera & Schnitt: Diggy