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Schnitzelmetapher & Freestyle // Poetry Slam vs. Rap

Schnitzelmetapher & Freestyle // Poetry Slam vs. Rap

Sie stehen für Peace, Love und Unity und wehren sich gegen Hass, Sexismus, Rassismus, Bling Bling und Mumble Rap. Die Organisatoren hinter „Real Eyes“, einer neuen Eventreihe in Wien, wollen bei ihren Veranstaltungen den „primitiven Rap“ verbannen und vielmehr auf Eastcoast-Rap und BoomBap setzen. Der Fokus liegt also auf der Message, obwohl uns die Harmonien der Melodien fast genauso wichtig sind. Das schließt zumindest schon mal 95 Prozent der Mumble-Rap-Artists aus. Zusätzlich werden ausgewählte Vinyl-Raritäten vorgestellt. Viele davon sind bis vor Kurzem unveröffentlichte Records wie zum Beispiel die von Daddy-O produzierte Junior Mafia EP mit einer Auflage von nur 500 Stück. Die meisten der Tracks kann man in Wien also nur auf unserer Party hören„, sagt Mitorganisator Raphael Hulan. Aber es gibt noch eine Besonderheit bei „Real Eyes“: In Kooperation mit dem FOMP-Kollektiv spielt auch Poetry Slam eine wesentliche Rolle. So geschehen bei der ersten Ausgabe der Eventreihe am Freitag im Aux Gazelles, bei der zwei Rapper im Battle gegen zwei Poetry Slammer angetreten sind.
 
Es geht darum, wer cooler ist„, läutet Moderatorin Mieze Medusa den Abend ein. „Obwohl Poetry Slam nie den Anspruch hatte, cool zu sein„, fügt sie jedoch hinzu. Die Poetry Slammerin, Autorin und Rapperin kennt beide Genres und betont, dass beide Szenen davon leben, dass die Community mitmacht. „Entdeckt die Bronx in euch!“, fordert Mieze Medusa das Publikum zur Partizipation auf und kündigt das erste Battle an: Rapper Demolux gegen Slammerin Alice Reichmann. „Rap ist in Österreich die Subkultur der Subkultur„, sagt sie und entlässt Demolux in die ersten acht Minuten des Dreirunden-Battles. Dieser performt „Alles klar“ und einen noch unreleasten Track, der vom Streben nach Glück handelt. Alice Reichmann, die gerne in verschiedene Rollen schlüpft und ihre Stimme bewusst für unterschiedliche Dialekte und Stimmlagen einsetzt, hat erst kürzlich ein Hörspiel mit Mirac produziert – an diesem Abend geht es um einen fiktiven Radiobeitrag, mithilfe dessen die Polizei nach Beamten mit Migrationshintergrund sucht. Diversity ist der neue Trend-Begriff, mit Blaulicht in die Zukunft. Dabei muss sich die Slammerin manchmal selbst das Lachen verkneifen. Trotz widriger Soundverhältnisse und den dadurch resultierenden Vorteil für Reichmann, tritt diese A capella an, entscheidet sich das Publikum für Demolux. 1:0 für Rap.
Alice Reichmann
Die zweite Runde bestreitet Fabian Navarro für Team Slam und startet mit einem Compliments Battle gegen Selbstlaut, den zweiten Rapper des Abends. „Darum geht es, den Gegner so lange zu loben, bis es unangenehm wird„, erklärt er kurz das Prinzip des Dauerumgarnens. „Du bist heißer als die Linzer Stahlindustrie„, schmeichelt Navarro den aus Oberösterreich stammenden Rapper, bevor er „die Stunde der Whackness“ mit etwas anderem beendet. Wie es so ist, als Deutscher nach Wien zu kommen, schildert er im folgenden Text. Das Typisch Österreichische: Wein, Berge, sudern und budan, oida statt Alter und „schau ma moi“ statt Pünktlichkeit. Alles ziemlich gewöhnungsbedürftig für Navarro, der erst vor Kurzem nach Wien gezogen ist. „Wien, du hast mein Herz paniert, bei jedem Schlag da knuspert es. Und wenn das Leben dir Zitronen gibt, dann passt es gut dazu.“ Mit dieser Schnitzelmetapher hat er die Gunst des Publikums auf seiner Seite. Da kann sich Selbstlaut mit zwei noch unreleasten Tracks nicht durchsetzen. 3:1 für Team Slam.
Vor dem Finale zeigen die FOMP-Initiatoren Henrik Szanto und Jonas Scheiner, die gemeinsam das Duo Kirmes Hanoi bilden, in einer Unplugged-Runde, wie nahe A-capella-Written-Battles und Poetry Slam beieinanderliegen. Perfekt im Timing aufeinander abgestimmt strafen die beiden einen imaginären Gegner ab. „Du bist kein Sexist, du bist traditionsbewusst!„, beschreiben sie etwa gängige Gesellschaftsbilder, um danach für einen Rundumschlag gegen die österreischiche Bundespräsidentenwahl, Lugner, Cro und das Vice-Magazin auszuholen. Damit setzen Kirmes Hanoi ein Highlight des Abends und steigern die Erwartungen auf die von ihnen organisierten Poetry Meisterschaften im Oktober in Wien.

Grande Finale im Spiel um die letzten drei und ausschlaggebenden Punkte. Selbstlaut startet mit orientalischen Klängen – passend zum Ambiente im Clubraum des Aux Gazelles – von „Divide Us“ und legt mit „Wolf„, einem Broken-Sequence-Track nach. Demolux komplettiert das Rap-Finale unter anderem mit „Geschenk“ sowie einem Freestyle. Team Slam kontert mit einer Persiflage auf Verhütungsmittel (Reichmann) und die Stärken von Kartoffeln (Navarro) – ein Text, den er schon des Öfteren vorgetragen hat. Wieder darf das Publikum entscheiden, an wen der Sieg ohne Gewinn geht. Und obwohl die Anlage des Lokals so gar nichts mit Bass anfangen kann, entscheiden sich die Besucher des Abends für Rap. Battleuntypisch liegen sich alle vier Künstler nach der Siegerkührung glücklich in den Armen. Endlich hat mal jemand was für die Verständigung zwischen Poetry Slam und Rap getan. Da freuen wir uns schon auf die nächste Ausgabe von „Real Eyes“.

Selbstlaut
Fotos: Dasharofi
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