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„Todesstrafe für Raucher!“

„Todesstrafe für Raucher!“

Jan Rebuschat
Jan Rebuschat
Jan Rebuschat

„Fick die Uni“ – eine Hymne für jede/n StudentIn in der Prüfungsphase. Eine Analyse des Tracks kam zu dem Ergebnis: „zu durchdacht, zu eigen, zu doppelbödig.“ Ein Resultat, das sich zumindest teilweise auf das Produkt Antilopen Gang anwenden lässt. Zwischen präzise aufgeführten gesellschaftlichen Verhältnissen und Vorurteilen, einer erleichterten Hörerschaft, deren Lebensrealität widergespiegelt und endlich „aus der Seele gesprochen“ wird, und Menschen, für die die Songs nur „plakatives Rumgeprolle“ sind, steht irgendwo die Antilopen Gang. Die Antilopen Gang: Das sind Danger Dan, NMZS, Koljah und Panik Panzer. Die vier MCs trumpfen mit zahlreichen Realeses als Gruppe und einigen Soloprojekten auf. Führt man ein Interview mit der Band, hat man schnell die Angst, das Ergebnis ist kein Ergebnis. Die schlanken und wildlebenden Hornträger zeigen, dass es auch anders geht. Die Jungs von der Antilopen offenbaren ihre Einstellung über Misanthropie und zeigen, dass auch Interviewer gewisse Regeln einhalten sollten.

Interview: Joshua Kranz

The Message: Am 20. März 2013 hat sich euer Freund und Bandkollege NMZS das Leben genommen. Viele stellten sich Fragen wie: Wieso Jakob/NMZS? Wie geht es mit der Antilopen Gang weiter? Rund vier Monate später am 17. August habt ihr vor 700 Menschen ein Tribute-Konzert in Düsseldorf gegeben. Ihr habt an diesem Abend Jakobs Freunde auf sehr bewegende Weise einige seiner Tracks spielen lassen. Werdet ihr Jakob auch in zukünftige Konzertprogramme einbauen?
Danger Dan:
Wir haben keine Erfahrungen damit, wie es ist, wenn ein so naher Freund und auch noch einer von uns Antilopen stirbt. Ich glaub‘, das ist auch noch zu früh zu prognostizieren, wie wir in ein, zwei Jahren damit umgehen. Schwierig genug, nach  sechs Monaten schon solche Fragen gestellt zu bekommen. Eine passende Antwort zu finden erscheint mir unmöglich.

Panik Panzer: Zur Zeit spielen wir noch Parts und Songs von NMZS auf der Bühne. Im Moment fühlt sich das auch richtig und wichtig an. Ich gehe aber davon aus, dass der Zeitpunkt kommt, an dem wir das einschränken oder ganz streichen werden. Nicht weil wir Jakob schnell vergessen wollen, sondern weil wir diesen schwarzen Mantel eher unfreiwillig tragen. Er steht uns nicht, guck mal wie wir damit aussehen.

Koljah: Ach, ich weiß nicht. Ein bisschen Jakob wird bestimmt hier und da dann doch immer mal auftauchen.

Wie würdet ihr Jakob mit 10 Worten beschreiben?
Danger Dan:
Der Versuch, ihn mit 10 Worten zu beschreiben, ist zum Scheitern verurteilt. Eins der 10 Worte wäre aber jedenfalls „Rap“ und ein anderes Wort wäre „tot“!

Koljah: Mir würde noch „feist“ einfallen, oder „Bart“.

Ist es manchmal euer Wunsch, nicht reflektiert nachdenken zu müssen, die ganze Oberflächlichkeit der Menschheit und das Elend der Welt zu übersehen?
Koljah:
Wenn das bedeuten würde, dass ich dann auch sehr reich wäre, dann ja.

Danger Dan: Ich wünsche mir manchmal, reflektierter nachdenklicher zu sein und die Oberflächlichkeit und das Elend der Welt zu erkennen.

Standet ihr selbst schon an einem Punkt, wo ihr keinen Ausweg mehr gesehen habt oder verspürt ihr Angst, irgendwann an diesem Punkt zu stehen?
Koljah:
Die Frage ist mir eigentlich zu privat, aber ich war schon mal verrückt und hatte auch schon mal Liebeskummer.

Danger Dan: Ich hatte es mal mit einem recht plumpen, voyeuristischen Interviewer zu tun, der kein Gefühl für Nähe und Grenzen anderer hatte und versuchte, ihnen vertraulichste und intimste Details aus ihrem Leben zu entlocken, um sie dann ins Internet zu stellen. Ich sah wirklich keinen Ausweg mehr in diesem Moment.

Cezary Musiol
Cezary Musiol

Edgar Wasser würde sagen „Musik ist für mich so was wie Therapie.“ Was ist euer Weg mit der Welt klarzukommen?
Koljah:
Alkohol.

Danger Dan: Die dringendere Frage ist doch viel eher, wie die Welt mit uns klar kommen soll.

Panik Panzer: Musik ist für mich ein stinkender Müllhaufen, den ich auch nur mit schwerster Anstrengung aufrecht erhalten kann. Aber irgendwann ist es ein schöner prächtiger Müllhaufen.

Ich habe mittlerweile schon öfter den Aufruf gelesen, nicht Schiller, Goethe oder Fontane sollten im deutsch Unterricht interpretiert werden, sondern Leute wie Prinz Pi, Megaloh oder Damion Davis. Würdet ihr euch wünschen NMZS irgendwann auf dem „Cover“ eines Lehrplans zu sehen?
Danger Dan:
Ich hab nichts gegen klassische Literatur, ich fände aber Lehrveranstaltungen zu kritischer Medienkompetenz in einem schulischen Rahmen gar nicht so falsch. Und da eignet sich NMZS als negatives, aber auch positives Beispiel doch wirklich besser als Goethe, da er viel näher an der Lebensrealität der Schulkinder ist. Nicht alle Kinder sind wie wir Antilopen und lesen die ganze Zeit nur Kafka und Brecht.

Koljah: Ich fänd es besser, wenn der nächste Schul-Amkoläufer ein NMZS-Shirt tragen würde. Auch wenn ich Amokläufe natürlich ablehne.

In eurem Track „New School“ rappt NMZS Zeilen wie „Heute ist alles anders, ich respektiere alles was fresh ist // sei es wegen dem Inhalt oder nur wegen der Technik // Hochglanz-Alben oder Promo-Snippets // doch ich find nichts cool, nur weil Oldschool ist.“ Haben demnach Rapper wie Bushido oder Haftbefehl nur aufgrund einer mutmaßlich guten Technik – eine Daseinsberechtigung in der deutschen HipHop-Szene, auch wenn mit Antisemitismus und Homophobie umhergeschmissen wird?
Koljah:
Haftbefehls Technik ist nicht nur mutmaßlich gut! Aber warum sollten eigentlich bestimmte Rapper keine Daseinsberechtigung in der HipHop-Szene haben, und vor allem: Wieso sollten ausgerechnet wir das entscheiden? Zumal es fraglich ist, ob wir selbst überhaupt eine Daseinsberechtigung haben. Wenn Antisemitismus und Homophobie in der HipHop-Szene vielerorts vertreten ist, dann passen antisemitische und homophobe Rapper da doch ganz gut rein. Sollen die jetzt lieber Country machen oder wie?

Danger Dan: Es scheint mein neuer Swagger zu sein, ständig Antifa-Kalendersprüche rauszuknallen, aber trotzdem: Antisemitismus und Homophobie haben nirgendwo eine Daseinsberechtigung. Fanfare! Schulterklopf!

Koljah: Wie dem auch sei: Anis, wir haben deinen Rücken!

Koljah, du und NMZS stammen ursprünglich aus Düsseldorf. Ihr habt immer wieder einige Zeilen über eure Heimatstadt losgelassen. Diese sind nicht immer durchweg positiv, aber trotzdem schimmert beharrlich eine Art der „Zuneigung“ trotz einer gleichzeitigen „Abneigung“ zur Landeshauptstadt durch. Ist das eine simple Hass-Liebe oder würdest du euch als verkappte Lokalpatrioten bzw. Lokalaktivisten bezeichnen?
Koljah:
Ich tu einfach ein ganz normaler Dude sein, der loyal zu den Toten Hosen ist. Ich wurde aber erst zum Lokalpatrioten, als ich aus Düsseldorf weggezogen bin. Jetzt bin ich wieder da und finde es ehrlich gesagt etwas dumm hier. Aber irgendwie auch geil, aus sozialen Gründen. Jakob war da etwas simpler gestrickt und fand zum Beispiel Rap einfach nur deshalb gut, weil er aus Düsseldorf kam. Aber er hätte jetzt wohl auch was von Hassliebe erzählt.

Bei Panik Panzer und Danger Dan hingegen schien die Liebe und auch der Hass in Bezug auf Aachen immer um einiges verhaltener. Ist Aachen eine so solide Stadt, oder dermaßen verkommen, dass es keinen Part verdient?
Danger Dan:
Ich habe Aachen verlassen und lebe nun in Berlin. Ich hatte nie Identifikation mit dieser Stadt und mit ihrer Rap-Szene. Ich grüße an dieser Stelle meine alten Freunde in Aachen, mit denen ich noch Kontakt habe. Es sind nur drei.

Panik Panzer: Ich plane meine Flucht und bin bald weg aus dieser Scheiße. Einen Disstrack gegen Aachen habe ich auch lange geplant, mache ich aber nicht mehr, ist mir zu anstrengend.

Cezary Musiol
Cezary Musiol

Ihr macht in euren Texten nicht nur auf eine misslungene Düsseldorfer Kommunalpolitik, sondern auch immer wieder auf gesellschaftliche Missstände aufmerksam. In Tracks wie „Motto Mobbing“, „Lebensmotto Tarnkappe“ oder „Nichts gemeinsam“ äußert ihr Kritik am menschlichen Verhalten. Seid ihr Misanthropen?
Koljah:
Nö, das ist immer so ein Missverständnis. Ich find ja die gesellschaftlichen Verhältnisse dumm, die die Menschen dumm machen, und nicht die Menschen. Gerade weil ich den Menschen wohl gesonnen bin oder es gerne wäre, nervt es mich, dass diese Arschlöcher nur Scheiße bauen. Das System sollte halt gestürzt werden. Wobei, mit diesen Menschen dann lieber doch nicht. Ich würde aber nie sagen, dass der Mensch an sich böse oder schlecht ist. Mein privates Problem ist, dass ich ein bisschen Angst vor Menschen habe, weil ich soziophob bin. Aber ich hab vor ’ner Weile aufgehört zu kiffen und langsam geht’s.

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Danger Dan: Wenn ich gar keine Menschen mögen würde, warum sollte ich dann noch auf soziale Missstände aufmerksam machen? Und einige Menschen mag ich ja wirklich sehr: Koljah, Panik Panzer, NMZS und mich zum Beispiel.

Was bedeutet euch Empathie? Ich weiß ihr macht es euch leicht, wenn ihr sagt, ihr verfolgt keinen tieferen Sinn. Trotz dessen fehlt manchmal der Moment des Verständnisses gegenüber anderen in euren Texten. Verfolgt ihr den Gedanken „Jeder ist seines Glückes Schmied“, oder seht ihr den Mensch als Produkt seines sozialen und medialen Umfeldes?
Danger Dan:
Ich sehe den Menschen als Produkt seines sozialen und medialen Umfeldes, das mediale und soziale Umfeld des Menschen allerdings als Produkt des Menschen. Zu allem Überfluss schließe ich mich selbst da nicht aus. Es ist ein einziges Jammertal! Empathie jedoch bedeutet mir viel.

Koljah: Ich verfolge keinen tieferen Sinn.

Cezary Musiol
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Wenn ich euch einer Rolle in der Gesellschaft zuteilen müsste: Würdet ihr euch in der Rolle der „moralischen Instanz der gesellschaftlich-sozialen Apathie“ wohlfühlen?
Koljah:
Ich sehe mich ganz allgemein als moralische Instanz.

Danger Dan: Ich habe immer noch keine Beweise für meine eigene Existenz und arbeite hart daran, diese zu widerlegen. Sollte ich damit endlich Erfolg haben, werde ich sofort anfangen allen anderen Menschen meine Moralvorstellungen aufzuzwingen.

Nochmal etwas ganz anderes. Danger Dan, du startest bald mit deinem Projekt „Daniel raus.“ Koljah hat schon eine EP mit den „Karl-Theodors“ veröffentlicht. Verspürt jeder Musiker irgendwann den Drang etwas „Anderes“ zu machen? Ist es Langeweile, oder Neugier?
Koljah:
Das alles und noch viel mehr! Ich wär eigentlich viel lieber Leadsänger einer gestörten Rock’n’Roll-Band.

Danger Dan: Ich arbeite schon länger als Instrumentalmusiker und Sänger in verschiedenen Kontexten. Mir macht es Spaß, mich auch in anderen Genres auszutoben. Alles andere wäre auch Quatsch, wir sind alle vielseitig hochbegabt. Die Antilopen Gang ist aber immer unser Mutterschiff. Sie ist mehr als eine Band, sie ist eine Gang.

Zu guter Letzt: Was sagt ihr 110 Tage nach dem Nichtraucherschutzgesetz?
Koljah:
Zum Kotzen, diese Scheiße. Die ganze Hetzjagd auf Raucher ist das Allerletzte. Nichtraucher, die das zur Ideologie erheben, sollen sich verpissen. Nieder mit der Volksgesundheit! Ein weiser Mann namens Helmut Körschgen sagte mal: Solange man lebt, soll man rauchen.

Danger Dan: Ein Argument mehr, in Berlin zu wohnen. Hier kümmert sich da keine Sau drum. Oder im Mafia-regierten Teil Indonesiens.

Panik Panzer: Todesstrafe für Raucher!

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