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Der letzte echte Junkie // Hollywood Hank Nachruf

Der letzte echte Junkie // Hollywood Hank Nachruf

Wie ein Lauffeuer verbreitete sich am vergangenen Freitag die Nachricht vom Tod von Sven Pingel aka Hollywood Hank. Neben den einschlägigen Rapmedien berichtete sogar die heute-Onlineausgabe über das von Rapz Records auf Instagram verbreitete Statement, welches wiederum auf einem Beitrag in einem Discordchannel basiert. Nach anfänglicher Skepsis – ranken sich doch um den Verbleib und aktuellen Status des deutschen Horrorcore-Rappers seit Jahren viele Gerüchte und Halbwahrheiten – scheint es nun also tatsächlich zu stimmen: Pingel ist Anfang Dezember 2023 unter bislang unbekannten Umständen im Alter von 38 Jahren in Spanien verstorben.

Pingel hatte seit Jahren mit psychischen Problemen zu kämpfen, die seit Beginn seiner Karriere auf verschiedene Art und Weise Teil seiner Texte waren. Während er bereits zu seiner aktiven Zeit eine für Undergroundverhältnisse beachtlich loyale und geradezu vergötternde Hörerschaft hatte, wurde dieser Status in den vergangenen Jahren durch sein Untertauchen nur weiter zementiert und zahlreiche bekannte Rapper nennen ihn als Inspiration.

Zwischen Genie und Wahnsinn

Der Grund dafür liegt neben seiner ausgefeilten Raptechnik und den rohen, meist selbstproduzierten Beats vor allem in seinen harten Battletexten und Konzeptsongs – die mit Themen wie Kindesmissbrauch oder Nekrophilie und unter Verwendung von rassistischen oder homophoben Stereotypen sowie Samples aus Splatterfilmen, aber auch Rechtsrockbands (wie Sleipnir im Intro von „Schläge für Hip Hop“) nicht selten an der Grenze des guten Geschmacks kratzten. Auf Tracks wie „Kranke Welt“ oder „Aldimenschen“ zeigte er jedoch auch eine zutiefst depressive und verletzliche Seite, weshalb man sein generelles Auftreten durchaus kritisieren, in Anbetracht seines Werdegangs und im Sinne der Kunstfreiheit jedoch auch als Kunstfigur, die alles Böse der Welt in sich vereint, sehen kann. Über seine tatsächlichen Beweggründe und Haltungen als Mensch kann man schlussendlich nur spekulieren. In einem der 2014 als Bak Ta Ehli veröffentlichten Statements, die als authentisch gelten, distanziert er sich klar von Rechtsextremismus und Rassismus und steht für eine friedliche Welt ein.

Pingel wuchs in Berlin auf und zog im Alter von 12 Jahren nach Oderwitz in Ostdeutschland, wo er bereits kurze Zeit später begann, Musik zu produzieren, aber auch erstmals mit Drogen in Berührung und anschließend wegen Angstpsychosen in Therapie kam. Ab 2002 machte er sich unter den Pseudonymen Dr. Love, Dr. Frost, Faulty Brain und Dr. Hollywood einen Namen in der Onlinebattleplattform RBA und lernte dort bereits spätere Wegbegleiter kennen.

Erste Labelverträge ab 2006

Die beiden Alben, die es gab („…nur ein Versuch“ 2003 mit Johnny Flexxx als Projekt Alzheimer) und „Soziopath“ 2006 erschienen über das Label Rapz Records. Während ersteres noch eher nach ersten Gehversuchen klingt, kann „Soziopath“ durchaus als sein Opus Magnum bezeichnet werden. Außerdem bewegte sich Hank im Umfeld von Weisse Scheisse von JAW („Menschenfeind“, 2009), I Luv Money Records von King Orgasmus One (wo er kurzzeitig unter Vertrag stand, jedoch nur einen Beitrag auf einem Sampler veröffentlichte) und vor allem dem frühen Selfmade Records, das später für den Erfolg von Favorite, Kollegah, den 257ers, Genetikk oder Casper verantwortlich war. Hier erschien das 2008 veröffentlichte Mixtape „Schläge für Hip Hop“ mit Favorite, das im Keller von Shneezin257 produziert wurde (ursprünglich sollte es eine Dreier-Kollabo werden, die Parts von Shneezin wurden jedoch seitens Selfmade vor Veröffentlichung größtenteils runtergenommen) und das 2012 im Zuge der „Findet Hank!“-Kampagne wiederveröffentlicht wurde. Mittlerweile scheinen die Rechte ebenso wie für Favorites „Anarcho“ an Sony übergegangen zu sein und das Album wurde nach 15 Jahren auf Vinyl rereleased – interessanterweise ohne den Track „Organraub Pt. 2“ (ft. Shneezin), der damals zum Vorverkaufsstart als Free Download-Single veröffentlicht wurde.

Liveauftritte waren während seiner aktiven Zeit spärlich gesät, wirkliche Infos findet man nur zu einer 10 Stopps umfassenden „Auf die kranke Tour“-Tour mit Favorite, einer Solotour, bei denen er jedoch nicht zu allen Terminen erschien und vereinzelte Auftritte unter anderem als Voract von K.I.Z. oder Frauenarzt. Bei einem dieser Auftritte entstand auch das einzige Videointerview mit gangstaz.com. Nach dem letzten offizielle Release „Menschenfeind“ (2009) von JAW verläuft sich jedoch die Spur. Gerüchte von Obdachloskeit und anschließendem betreuten Wohnen, drogeninduzierten Psychosen und einem Gefängnisaufenthalt in Frankreich drehen die Runde, vereinzelt tauchen Songausschnitte aus unveröffentlichten Tracks auf, die zumindest nahelegen, dass er auch nach 2009 noch vereinzelt Songs recordet hat.

Die Zeit nach dem Verschwinden: Bak Ta Ehli

2014 erschienen 8 Tracks unter dem Namen Bak Ta Ehli, auf denen er sich als Friedensaktivist inszeniert, über seine Jugend redet, aber auch alte Wegbegleiter disst, sowie Statements auf Twitter, deren Inhalte so verschieden interpretiert werden können und auch wurden, dass an dieser Stelle nicht näher darauf eingegangen werden soll – zumal es auch hier einige Trittbrettfahrer gab, die sich als Hollywood Hank ausgaben und zusätzlich für Verwirrung sorgten. Auch Behauptungen, ein bereits fertiges „Soziopath“-Nachfolgeralbum namens „Der letzte echte Junkie“ solle existieren, konnten nie bestätigt werden. Ansonsten bleibt leider zurück, dass sich in den letzten Jahren vor allem im Streit um Urheberrechte und das Veröffentlichen von Tonträgern mit intransparenten Geldflüssen keines der beteiligten Labels mit Ruhm bekleckert hat und fraglich ist, ob und wie viel Pingel oder seine Familie letztlich von dem Geld abbekommen haben.

Fest steht, dass mit dem Tod von Hollywood Hank ein absolutes Unikat von uns gegangen ist, dem viele nachgeeifert haben, der in seiner Art jedoch so unverkennbar und individuell war, dass ihm ein Platz in der HipHop-Ruhmeshalle sicher ist. Auf dass er nun den Frieden finden kann, den er zu Lebzeiten so lange vergeblich gesucht hat.

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