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New Balance: Eine Marke für Neonazis, Hooligans und die Antifa? // Kommentar

New Balance: Eine Marke für Neonazis, Hooligans und die Antifa? // Kommentar

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New Balance: Eine Marke, gefangen zwischen Weltpolitik und Vergangenheitsbewältigung

Unter den Sneaker-affinen Usern der sozialen Medien herrschte in den vergangenen Tagen Aufruhr. In etlichen Videos und auf Fotos ist zu sehen, wie aufgebrachte Konsumenten demonstrativ ihre Schuhe – und zwar die der Marke New Balance – aus dem Fenster werfen, verbrennen oder versuchen, die Toilette hinunterzuspülen. Auslöser dafür ist der Sportartikelhersteller selbst, da er sich nach Verkündigung des Wahlergebnisses nachdrücklich hinter Sieger Donald Trump gestellt hat. „Die Obama-Regierung hat uns nur ein taubes Ohr geschenkt und ehrlich gesagt glauben wir, dass die Dinge mit dem designierten US-Präsidenten Donald Trump in die richtige Richtung gehen„, sagt da beispielsweise Matthew LeBretton, der stellvertretende Leiter der PR-Abteilung gegenüber dem Wall Street Journal. Gemeint ist damit vor allem die Ablehnung Trumps gegenüber dem Transpazifischen Freihandelsabkommen (TPP), das vorsieht, Zölle und weitere Handelsschranken zwischen zwölf Pazifik-Anrainerstaaten abzubauen. Ein Versuch der USA, als größte Wirtschaftsmacht der Welt die Vormachtstellung gegenüber China abzusichern. Dafür war TPP-Befürworter Barack Obama auch bereit, den US-amerikanischen Markt für Importe anderer Länder attraktiver zu machen. Und als hätte es LeBretton geahnt: In einem Twitter-Video verkündete Donald Trump vergangene Nacht seine ersten programmatischen Umrisse und erklärte, den Rückzug aus TPP im Zuge einer präsidialen Anordnung zu veranlassen.

Doch zurück zum Shitstorm, den LeBretton mit seiner Sympathie für Trumps Wirtschaftspolitik ausgelöst hat. Dass dieser Shitstorm der New-Balance-Kunden, der aus der virtuellen Welt in die reale überschwappte und zu Zerstörungswut geführt hat, dem Unternehmen nicht gerade angenehm war, erklärt sich von selbst. Konkurrent Reebok  hat zum Beispiel auf die negativen Reaktionen der New-Balance-Konsumenten Bezug genommen und diesen ein kostenloses Ersatzpaar angeboten, wenn die NB-Schuhe absichtlich zerstört worden waren. Aber auch New Balance hat auf die Wut der Kundschaft reagiert und in einem Statement auf Twitter darauf hingewiesen, dass die Firma an Menschlichkeit und Gemeinschaftsgefühl glaubt – und Hass nicht toleriert. Matthew LeBretton sei nur dazu aufgefordert worden, Handelspoltik zu kommentieren, seine Antwort sei jedoch aus dem Kontext gerissen worden. Man sei werteorientiert und werde auch weiterhin nur in den USA produzieren. Fest steht: Für New Balance, die als Einzige der großen US-Sportartikelmarken noch in den USA produzieren lassen, hätte das Freihandelsabkommen natürlich negative Auswirkungen mit sich gebracht. Hillary Clinton war für den Freinhandelspakt, Donald Trump – und auch der selbst ernannte demokratische Sozialist Bernie Sanders – dagegen. New Balance wegen der Aussage des PR-Managers also als Neonazi-Marke darzustellen, die auch politisch rechtes Gedankengut vertritt, wirkt ein wenig unausgewogen.

Aber die relativierenden Twitter-Posts von New Balance können die neu aufkeimende Debatte um die Marke nicht mehr eindämmen, denn sie ist – vor allem im deutschsprachigen Raum – tief verwurzelt. Gerade hier identifizieren sich einige Neonazis mit der Marke New Balance, repräsentiert das aufgenähte „N“ auf den Schuhen beispielsweise auch Worte wie „Nationalist“. Diese Symbolik greift in der aktuellen Diskussion auch Andrew Anglin in seinem US-Neonazi-Blog The Daily Stormer auf, erklärt er in kürzlich veröffentlichten Beitrag Schuhe der Marke New Balance zu den „offiziellen Schuhen für Weiße“ und schreibt weiter: „Ich bin ein Nike-Typ. Oder besser gesagt, ich war es. Es ist nun Zeit, New Balance zu unterstützen. Ihre tapfere Tat hat sie zu der offiziellen Marke der Trump-Revolution gemacht.“ Weiters schreibt er, dass er es fantasisch fände, dass sich Neonazis ab jetzt an ihrer Bekleidung erkennen können.

Man braucht aber nicht in die USA blicken, auch in Österreich findet man aktuelle Beispiele von New-Balance-Trägern, die dem rechten Rand zugeordnet werden können. Anhänger der Identitären Bewegung – jener Organisation, die in Deutschland sogar vom Verfassungsschutz beobachtet wird – treten immer wieder mit diesem Schuhmodell öffentlich auf. Sei es bei der Identitären-Demo vergangenen Sommer in Wien, bei Störaktionen im Theater oder bei Fernsehauftritten, wie von Martin Sellner, Leiter der Identitären Bewegung Österreichs, bei Servus TV oder bei der ORF-Reportage „Am Schauplatz„. Interessant ist dabei, dass New-Balance-Treter auch in der linksextremen Szene beliebt sind, da die beiden Buchstaben NB genauso gut für „No Borders“ stehen kann.

Die Öffentlichkeitsarbeit-Abteilung von New Balance kann bei der „Zweckentfremdung“ des Markenkürzels nicht mehr viel ausrichten. Dabei ist das Unternehmen nicht die erste Marke, die versucht, sich vom rechten Rand abzugrenzen – obwohl sich das Unternehmen in dem eingangs erwähnten Fall durch die Aussage des PR-Managers natürlich noch angreifbarer gemacht hat. Ein ähnliches Problem hat der US-amerikanische Bekleidungshersteller Alpha Industries, das vor allem durch Aggro Berlin in der deutschen HipHop-Szene bekannt wurde. Die Kritik am Unternehmen: Das Logo weise Ähnlichkeiten mit dem verbotenen Zivilabzeichen der SA auf, wodurch auch viele Nazis die Marke tragen würden. Ähnliches gilt auch für Lonsdale, einer Marke aus dem englischen Arbeiterumfeld, die von den Neonazis deswegen gerne getragen wurde, weil mit einer Jacke über einem Lonsdale-T-Shirt die Buchstabenkombination „NSDA“ übrig bleibt. Lonsdale setzte sich aber aktiv gegen die Vereinnahmung von Rechts ein, unterstützt beispielsweise linke Fußball-Clubs wie SV Babelsberg oder Roter Stern Leipzig und investiert viel in Kampagnen gegen Rassismus. Und das Engagement hat sich ausgezahlt, deren Populariät bei den Rechten ist enorm gesunken – also alles richtig gemacht.

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Übrigens ist auch New Balance in den vergangenen Jahren ins Fußballgeschäft eingestiegen und ist derzeit Ausrüster einiger größerer Vereine wie dem FC Liverpool, Sevilla FC, FC Porto oder Celtic FC. In naher Zukunft möchte man die Tätigkeit auf weitere große europäische Vereine – zum Beispiel aus der deutschen Bundesliga – ausweiten. Auch einige Spieler wie Marouane Fellaini, Aaron Ramsey oder Jesús Navas haben laufende Sponsor-Verträge mit New Balance. Darüber hinaus gehört die Marke zu den wenigen, die überregional bei organisierten Fußballfans großen Anklang finden, eben neben Lonsdale, Alpha Industries, Stone Island, den üblichen Sportartikelherstellern Nike, Puma, Adidas und ein paar anderen Marken – was man auch beim Sortiment des großen Fußballmode-Portals Fussballmafia sieht. Ein Beispiel für Österreich: New Balance hat sich hier erst in den vergangenen Jahren in der Fußballfanschaft etabliert. Dafür ist man jetzt umso präsenter, etwa im Fanblock des SK Rapid. New Balance hat bei den Mitgliedern der großen, fast durchwegs apolitisch auftretenden Fanklubs einen hohen Marktanteil. Besonders viele Treter der Marke findet man aber bei kleinen Splittergruppen und Sektionen, die in Verbindung mit antisemitischen Äußerungen sowie latenter Gewaltbereitschaft stehen und deren Banner auch schon mal unmissverständlich Anleihen an nationalsozialistischen Symboliken nehmen.

Ein Beispiel aus der Modebranche, bei dem es gelungen ist, sich von rechten Parolenschreiern zu distanzieren, ist die Bomberjacke. Ursprünglich als Jackenmodell für die US-Kampfflugzeugbesatzung gedacht, hatte sie lange dieses rechtsextreme Schmuddelimage wie jetzt New Balance – mit dem Unterschied, dass bei der Bomberjacke von diesen negativen Assoziationen nicht mehr viel übrig ist. Raf Simons, mittlerweile Calvin-Klein-Chefdesigner, hat das Kleidungsstück als Erster auf den Laufsteg gebracht. Und in der Folge hat der Deutsch-Georgier Demna Gvasalia für sein Label Vetements (bzw. durch seine Arbeit für Balenciaga) die Bomberjacke wieder salonfähig gemacht – gerade abseits des rechten Spektrums. Das Neonazi-Image ist hier weg. Und das ist gut so. Weil sich Mode nicht dem Diktat dümmlichen Nazi-Abschaums unterwerfen darf.

Text: Julia Gschmeidler, Thomas Kiebl & Simon Nowak