Text: Jan Braula, Translation: Marlene Rosenthal, Illustration: Andreas Rosenthal
Ausgerechnet Donald Trump. Kein amerikanischer Politiker kann auf so zahlreiche und langjährige Rap-Kontakte verweisen wie der aussichtsreiche republikanische Präsidentschaftskandidat. Zwischen den erfolgreichsten US-Rappern und Trump gibt es zahlreiche Parallelen. Deshalb war der Selbstdarsteller in den vergangenen zwanzig Jahren für einige Rap-Protagonisten ein Freund, für viele gar ein Vorbild in Sachen Business, Hustle und Fame. Umgekehrt zeigte Trump in seiner dreißigjährigen Medienkarriere häufig Rap-Sympathien. Während des Wahlkampfs wendeten sich nun die meisten ehemaligen Wegbestreiter von ihm ab oder schweigen sich zu ihm aus. Fakt ist aber, dass der 70-Jährige schon vor seiner Kandidatur ultra-kapitalistisch und materialistisch, allmächtig und frauenfeindlich auftrat und genau diese Attitüde seiner weiteren Popularisierung nützlich war. Zunächst wurde er durch seinen Reichtum, später durch seinen Populismus zum amerikanischen Popstar und Rapperliebling. Mindestens 266-mal wurde Donald „Make America Great Again“ Trump in den verschiedensten Raptexten erwähnt – meist glorifizierend.
Die Bandbreite reichte von 50er- bis zu 90er-Jahrgängen, von der East- bis zur Westcoast, von New England bis zum Dirty South, von Underground-Veteranen bis zu Rap-Millionären. Die allerersten Trump-Props auf Platte gab es ironischerweise 1989 im Jahr des Berliner Mauerfalls bei Ice-T und Donald D:
„Yo Ice, I did a concert in the White House. And after that me and Donald Trump hung out.“ (Donald D, 1989)
Seitdem verging kein Jahr, in dem Trump nicht zumindest einige Male in Rapnummern als Synonym für wirtschaftlichen Erfolg vorgekommen wäre. Das Ziel war dabei mitnichten Trumps Popularität zu steigern, genau das passierte aber. Niemand weiß davon ein besseres Lied zu singen als Mac Miller. Der größte Hit des Pittsburgher Rappers ist „Donald Trump„. Die Welt wird übernommen, während die Hater böse werden: Donald-Trump-Shit eben. Mac Miller war die vergangenen Jahre nicht müde zu beteuern, dass mit dem Namen nicht die reale Person gemeint sei. Trump selbst sah das anders. Nach einigen Millionen YouTube-Klicks gratulierte er sichtlich geschmeichelt per Videobotschaft und bezeichnete den Pittsburgher als neuen Eminem. Als Mac Miller dann aber über eine Million Trump-Singles verkaufte, wollte der Multimillionär Geld für die Verwendung seines Namens sehen. Der Rapper verweigerte, woraufhin der Titelgeber seine diplomatischen Fähigkeiten in einem Twitter-Post zusammenfasste: „Kiss my ass„. 2016 bekam Mac Miller zwar die Möglichkeit, in einer Late-Night-Show eine Wut-Rede zu halten und Trump als „a racist son of a bitch“ zu bezeichnen. Gleichzeitig kann er nichts mehr daran ändern, dass sein bekanntestes Lied sehr wohl als Trump-Glorifizierung verstanden wird. So extrem verhält es sich bei niemandem sonst, dennoch gibt es viele Rapper, die ihre Donald-Schmeicheleien – wenn sie nur könnten – gerne zurückziehen würden. Es ist fast überraschend, dass Trump im Wahlkampf noch nicht folgendes Argument gebracht hat: Wenn ich angeblich so ein Rassist sein soll, wieso haben mich dann so viele Rapper gemocht?
Doch wie kam es überhaupt dazu, dass der gebürtige New Yorker zur Rap-Ikone werden konnte? Die Geschichte begann vor fast drei Jahrzehnten mit einem Buch – „The Art of the Deal“. Im autobiografisch gehaltenen Wegweiser zum erfolgreichen Manager drosch der damals 38-Jährige mit Phrasen wie „Think big“ und „Fight back“ um sich. Wie beim Buchnamen hätte es sich dabei auch um Raptitel handeln können. Damals, 1987, regierte Trumps Vorbild und der für „Law and Order“ stehende Ronald Reagan. Die Berliner Mauer stand noch und der New Yorker hatte gerade die größten Prestige-Erfolge auf dem Immobilien-Markt gefeiert: 1983 wurde der 262 Meter hohe Trump Tower in feinster Manhattener Adresse errichtet, ein Jahr später das 900 Zimmer fassende Trump Plaza fertiggestellt. „The Art of the Deal“ wurde zum Bestseller und Trumps Person über New Yorks Grenzen hinaus bekannt. Er verschaffte sich eine Corporate Identity als volksnaher, geradliniger, und vor allem provozierender Selfmade-Millionär mit „I don’t give a fuck„-Attitüde. Einer, der es geschafft hat, und es dabei all den Verschwörern da oben so richtig gezeigt hat. Der ultimative Player, Hustler und Pimp. Der mit dem vielen Bling-Bling und den einfachen Lösungen für komplizierte Probleme. Und einer, der seit jeher alles in Weiß und Schwarz einteilt: Loser und Winner, smart und stupid, us und them: Wer nicht für uns ist, ist gegen uns.
Ein Zitat aus dem Managerführer ist dabei besonders entblößend: „One thing I have learned about the press is that they’re always hungry for a good story, and the more sensational the better“. Die Überzeugung der gewollten Provokation lebte er dann die nächsten dreißig Jahre als Medienmarionette vor – nur dass in diesem Fall die Marionette die Regeln diktierte. Die Business- und Society-Magazine hielten schon Ende der Achtziger brav die Hände auf: Angefangen von unzähligen Homestorys über Trumps Liebes- und Heiratsgeschichten bis zur Veranstaltung von zahlreichen Misswahlen und dem jahrelangen Betrieb einer Profi-Football-Liga fütterte er sie mit Geschichten und sein eigenes Ego mit Aufmerksamkeit. Das angestammte Immobilien-Business trat dabei in den Hintergrund, während er zunehmend zur reinen Medienfigur wurde. Ob der Provokateur damit schon immer ein großes Ziel verfolgte, bleibt offen, aber: Ohne amerikanischem Pop wäre es Trump nicht möglich gewesen, die notwendige Bekanntheit zu erlangen, um überhaupt in die Vorwahlen, geschweige denn in die Stichwahl zum Präsidentschaftsamt zu kommen. Im vorigen Jahr kam Trump immer wieder auf sein vermeintlich größtes Machwerk zurück: Amerika brauche einen Präsidenten, der „The Art of The Deal“ geschrieben hat. Der vermeintliche Co-Autor des Buches behauptet nichtsdestotrotz, dass kein einziges Wort von Trump verfasst wurde. Nicht nur er hatte einen Ghostwriter: Zahlreiche Rapper vertrauten bereits darauf, dass Professionskollegen die passenden Reime zu ihrem Image fanden. Mittlerweile entwickelte sich daraus ein Nischen-Business.
„Don’t worry if I write rhymes, I write cheques.“ (P Diddy, 2001)
Egal wie absurd, widersprüchlich und hochstapelnd-halbwahr bis falsch Trumps Aussagen sein mögen, Hauptsache sie werden möglichst provokant, vereinfachend und selbstbewusst präsentiert. So werden sie auch ein großes Publikum ansprechen und andere in Aufregung versetzen. Der Präsidentschaftskandidat leistete sich schon vor seiner politischen Karriere zahlreiche verbale Aussetzer mit dem Ziel, seine Popularität zu steigern. Jahre vor seiner Präsidentschaftskandidatur zweifelte er die US-Bürgerschaft Barack Obamas an und forderte ihn mehrmals auf, seine Geburtsurkunde offenzulegen. Gegen die TV-Figur Rosie O’Donnell führte er einen erbitterten verbalen Kampf mit unzähligen Untergriffen: Er bräuchte nur einen seiner Freunde zu schicken, um ihre Lebensgefährtin vom Beziehungsende zu überzeugen. Trotz seiner fortlaufenden Provokationen hörte man ihm interessiert zu, als er bereits kurz nach der Veröffentlichung von „The Art of The Deal“ erstmals mit dem höchsten Amt im Land kokettierte. Sein Größenwahn sollte schließlich Realität werden.
Auf dem Weg dorthin wurde Trump von der amerikanischen Popwelt hofiert: Fast zwanzigmal durfte er sich in bekannten Film- und Fernsehproduktionen stets positiv als Gast-Star inszenieren. Seine Filmografie reicht von „Kevin Allein zu Hause“ (1992) über „Die Nanny“ (1996), bis zu „Sex and the City“ (1999). Auch in einer Sitcom mit großem HipHop-Bezug hatte er seine zwei Minuten – im „Prince von Bel Air“. In der 1994 ausgestrahlten Folge stehen plötzlich Donald und seine zweite Ehefrau vor der Haustür und werden vom Butler als „Mr. und Ms. Donald Trump“ hereingeführt. Der sonst betont smooth auftretende Rapper und Schauspieler Will Smith ist völlig außer sich und schüttelt ihm hechelnd die Multimillionärshand. Im Europa der 90er-Jahre wird jener Auftritt nicht nur dem Autor dieser Zeilen unverständlich geblieben sein, während er im Land der Stars und Stripes keiner gesonderten Erklärung bedurfte – Trump war dort bereits ein angehimmelter Geldstar.
Weniger positiv wird Trump in der vermeintlichen „The Art of the Deal“-Verfilmung durch Johnny Depp dargestellt. Im heuer veröffentlichten Fernsehfilm wird auch seine Rap-Connection zum Thema: Er beordert Fat Boys in sein Büro, um mit ihnen den „Law Suit Rap“ zu zelebrieren. Wie auch in Trumps tatsächlichen Filmauftritten verschwimmen hier die Grenzen zwischen Fiktion und Realität: Die Fat Boys gab es nämlich tatsächlich als Rapcrew. Zum Zeitpunkt der Buchveröffentlichung genossen sie landesweite Popularität. Eine ihrer bekanntesten Nummern war der themenverwandte „Jail House Rap“. Sie standen neben Run DMC, Kurtis Blow, den Beastie Boys und Public Enemy bei Def Jam Records unter Vertrag. Für das Def-Jam-Business war der erste HipHop-Mogul und spätere Trump-Freund Russell Simmons zuständig. Er sorgte in den Achtzigern dafür, dass Rap endgültig seine kommerzielle Unschuld verlor: Die bisherige Labelgeschichte wurde zusammen mit Warner Brothers zum schnulzigen „Krush Groove„-Hollywoodfilm verarbeitet. Mit „Walk this way“ und „Fight for your right“ landete man die ersten Rapvideo-Hits auf MTV, die Fat Boys machten Werbung für Swatch-Uhren, während Run DMC der Adidas-Marke eine eigene Nummer widmeten. Bezahltes Product Placement wurde damit im Rap zur selben Zeit institutionalisiert, als sich Donald Trump gerade erfolgreich zur Popmarke machte.
Der um neun Jahre jüngere Simmons wuchs zwar so wie Trump in Queens auf, allerdings ohne Millionärsvater, dafür mit Drogenproblemen und Ganggewalt. Dennoch sahen sich beide als Underdogs, die sich von unten gegen viele Widerstände nach oben kämpfen mussten. In der New Yorker Partywelt der Achtziger begegneten sich Trump und der Def-Jam-Chief dann mehrmals persönlich. Zwischen Champagner und Kaviar sollten sie sogar zu guten Freunden werden – Simmons reiste häufig in Trumps Privatjet und war mit seiner Familie gern gesehener Gast in Trumps Florida-Domizil. In der Biografie des Rap-Moguls von 2001 ist nachzulesen: „Trump has been very influential in helping me expand my vision. Sometimes I talk to Donald two or three times a day, and he’s taught me many things.“
Im Laufe der Jahre stellte Simmons auch zahlreiche Trump-Connections zu Rappern her. Eine dieser Verbindungen war die zu Method Man vom Wu-Tang Clan. Der mögliche zukünftige US-Präsident war auf dessen zweiten Soloalbum zu hören. Zwar nicht rappend, aber immerhin am Anrufbeantworter. Method Mans Kollege Redman rappte schon zehn Jahre zuvor: „I’m well known like Donald Trump„. Raekwon, ein weiteres Mitglied des Wu-Tang Clans, fragte hingegen: „Guess who’s the black Trump?“ Mit Smif-N-Wessun legte der spätere Muslim dann auch noch einen ganzen „Black Trump“-Track nach. Fünfzehn Jahre später lobte derselbe dann einen weiteren Rap-Millionär als „Donald Trump of Rap“ – und meinte P Diddy. Außerdem würde ihn der Bad Boy an Russell Simmons erinnern. Und natürlich war es Simmons, der zwischen den beiden ehemaligen Wirtschaftsstudenten für den persönlichen Kontakt sorgte. Trump war in weiterer Folge häufiger Gast auf P Diddys Luxuspartys in den Hamptons, wofür er sich auch dankbar zeigte und den ehemaligen Betriebswirtschaftsstudenten bereits 1999 zum „great guy“ erkor. Von einer dieser Partys berichtete eine renommierte US-Journalistin. Folgendes Zitat holte sie aus Trump heraus:
„I think hip hop has done more for race relations, and more respect among everyone, than anything. Because these guys really are respected. I can tell you – the most important white people have total respect for these guys.“(Donald Trump 1999)
Nun tut er sein Möglichstes, um zur Spaltung Amerikas nach Rasse und Herkunft beizutragen, mit dem Ziel, seine eigene Popularität zu steigern. Angefangen von seiner Antrittsrede am 16. Juni 2015 bis zur Immigration Speech am 31. August 2016 spielte er mit den niedersten amerikanischen Instinkten: Mexikaner würden Drogen und Kriminalität bringen, außerdem seien sie Vergewaltiger. Man müsse verrückt sein, um einem Syrer helfen zu wollen. Die Hauptprobleme Amerikas? Political Correctness und illegale Immigration. Vorsichtigen Schätzungen zufolge gibt es über zehn Millionen Menschen, die dem Gesetz nach illegal in Amerika leben. Gut die Hälfte davon sind Mexikaner. Trumps Lösung? Alle schuldig, alle raus und eine Mauer bauen. Für Muslime fordert er ein prinzipielles Einreiseverbot. Sein langjähriger Freund Russell Simmons kündigte ihm schon nach der Antrittsrede die Freundschaft. Schließlich hatte er seine nach wie vor sehr große Popularität in den vergangenen Jahren zu einem großen Teil dafür eingesetzt, den Dialog zwischen den Angehörigen verschiedener Ethnien und Religionen zu intensivieren. Noch vor einem Jahr spottete Simmons über seinen langjährigen Freund, dass Kim Kardashian eine bessere Präsidentin wäre. Monate später verging ihm langsam das Lachen. Er ließ einen offenen Brief folgen, in dem er an Trumps Vernunft appellierte: „Stop the bullshit. Stop fueling fires of hate. Don’t feed into the rhetoric created by small-minded people„.
P Diddys Respekt ist Trump hingegen weiterhin sicher. Für ihn ist der Präsidentschaftskandidat auch heute noch ein hart arbeitender Mensch und Freund, Hillary Clinton hätte auch in der Stichwahl „the black vote“ nicht verdient. Ein weiterer HipHop-Mogul aus New York hält ebenso viel von Trump: 50 Cent bezeichnete ihn noch vor einem Jahr als „amazing“ und tat seine Mexiko-Aussagen schmunzelnd als Marketing-Gag ab. Außerdem verglich er Trumps Antreten mit der möglichen Kandidatur von Kanye West im Jahr 2020. Trump machte 50 „Get rich or die tryin“ Cent schon Jahre zuvor Komplimente: Fifty sei „a sort of friend of mine“ und ein „nice guy„. Umgekehrt war Trump für 50 Cent und P Diddy dasselbe wie schon einst für Russell Simmons: ein Vorbild. Für die beiden sollte er aber nicht nur Inspiration bleiben, sondern auch zur Kopiervorlage werden.
An einem Beispiel wird das besonders deutlich: Es war 2004, als The Donald eine noch viel größere Bühne in der amerikanischen Popwelt bekam – seine eigene Reality-Show. In den nächsten zehn Jahren wurde sie mit bis zu 30 Millionen Zusehern zu einem vollen Erfolg. Bei „The Apprentice“ (Der Lehrling) sollten die Kandidaten im Trump-Unternehmen Fuß fassen, dem Sieger winkte ein Managerposten. Auf dem Weg dorthin exekutierte Trump unzählige Entlassungen, sein „You’re fired“ wurde zum geflügelten Wort. Anfangs wurden die Kandidaten nach Geschlecht in Teams geteilt, Trumps Idee, selbiges nach Hautfarbe zu tun, wurde dann aber doch nicht verwirklicht. Unabhängig davon stieß die Vorführ-Show bei zumindest zwei Rappern auf große Sympathie. Das Sendungskonzept wurde von P Diddy und 50 Cent scham- und erfolglos kopiert. „I want to work for Diddy (2008-2010)„, sowie „The Money and the Power (2008-2009)“ waren die vielsagenden Titel ihrer Reality-Show-Projekte.
Darin sollte es freilich nicht um Rap gehen, sondern um Business und Geld. In ihren Sendungen setzten Diddy und Fifty die Inszenierung als große Bosse, smarte Gönner und kompromisslose Hardliner fort. Ihre Rap-Identität geriet endgültig in den Hintergrund. Das Oaschlochsein wurde wie von „The Apprentice“ gewohnt von allen Beteiligten glorifiziert. 50 Cent steht in einem Anzug und mit glitzernder Uhr vor der Kamera und erzählt, dass ihn jeden Tag Menschen fragen würden, wie man es ganz nach oben schafft, guter Rat aber teuer sei. P Diddy bezeichnet sich selbst als übermenschlich und eine seiner Assistentinnen erzählt, wie toll es nicht wäre, in fünf Arbeitsjahren nur zehn Urlaubstage zu haben. Die mehrmals wiederholten Phrasen der beiden Anzugsträger wie „Go hard or go home„, „Life is a war, we just try to win it“ oder „It’s all about business“ könnten sowohl aus „The Art of the Deal“ als auch aus Raptexten stammen. Tatsächlich rief Trump vor Jahren in einer Pizza-Hut-Werbung: „Go big or go home„.
Dass P Diddy und 50 Cent überhaupt zu ihren Sendungen kamen, hatte mit anderen – erfolgreicheren – Unternehmungen zu tun. So wie Russell Simmons und auch Jay Z machten sie ihre ersten Businesserfahrungen als Labelmanager. Mit der Zeit mussten sie aber alle erkennen, dass mit dem Verkauf von Musik allein nicht mehr das große Geld zu machen ist. Ähnlich wie Trump mit seinen Immobilien, blieben die erfolgreichsten Rapper nicht nur bei ihrem Kerngeschäft. Zunächst nutzten sie ihre Popularität aus, indem sie Werbeclips für alles, was man im Einkaufszentrum kaufen kann, machten, meist mit gerappter Untermalung: Von Garnier Fructis Flow, über Hewlett Packard bis zur „Obey your thirst„-HipHop Kampagne von Sprite reichten die Regalmeter. Sprite setzt zwar aktuell mit „Obey your verse“ fort und Nas bekleidet seit Kurzem auch offiziell das Amt des Hennessy Brand Ambassadors, dennoch wird seit Jahren nicht mehr hauptsächlich für fremde Marken, sondern vor allem für eigene Produkte und Beteiligungen Werbung gemacht. Schließlich wurde von Mode-Labels über Kopfhörer, Streaming-Dienste, Softdrinks, „Magic Stick“-Kondome, Baseball- und Basketball-Vereine auch kräftig Geld investiert. In den meisten Fällen sollte sich das auch rentieren. Trump machte es die vergangenen drei Jahrzehnte sehr ähnlich: Der Präsidentschaftskandidat vermarktete sich und seinen Namen ebenso über die verschiedenen Konsum-Angebote: Von einer eigenen „Trump“-Fluglinie über ein Mode-Label bis zu Parfüms und Wodka reicht(e) die Produktpalette. Auf letztere Idee kamen auch P Diddy und 50 Cent: ersterer mit Ciroc, zweiterer mit Effen Wodka. Ihre Parfüms tauften sie „I am King„, „Unforgivable night„, und „Power„, Trumps Duftwasser nennen sich „Success“ und „Empire„. Jay Z war dagegen mit „Gold“ fast bescheiden.
Die erfolgreichsten Rapper preisen mit stolzer Brust dieselben American-Dream-Bilder an wie Trump: Wolkenkratzer, Zigarren, Privat-Jets, edle Tropfen, willige Frauen – oder kurz zusammengefasst: Pimpin, Fame und Hustle. Nicht, dass es nicht auch konsumkritischen amerikanischen Rap gäbe, dieser ist aber nicht dafür ausschlaggebend, dass Rap seit 2007 mit einer eigenen Rubrik in Trumps Lieblingsmagazin vertreten ist. Forbes, die gedruckte Selbstdarstellungsbühne der Reichsten, machte mit der Einführung der „HipHop Cash Kings“ einen Win-win-Deal. 2016 war P Diddy mit 62 Millionen US-Dollar Listen-Erster. Auch andere wie Drake oder Dr. Dre, der zwei Jahre zuvor laut dem Hochglanzmagazin 620 Millionen Dollar eingenommen hatte, spielen ökonomisch noch nicht ganz in der Trump-Liga, können aber als authentische Legitimation für die kontinuierlich größer werdende Spanne der Einkommensverteilung herhalten. Auf vergleichbare ökonomische Erfolge kann im deutschsprachigen Raum noch niemand verweisen, vereinzelte Parallelen lassen sich aber nicht abstreiten: Bezahltes Product Placement hat von „Monster“ bis „Wild Dragon“ Einzug gefunden – mit Red Bull hat sowieso schon jeder zusammengearbeitet. Tatsächlich gibt es einen deutschen Rapper, der auch die Idee hatte, den harten Alkoholmarkt zu bereichern: Sido mit „Ka-Bumm„-Wodka. Nazar, der sich auch eher als Geschäftsmann und politischer Berater denn als Rapper präsentiert, schaffte es immerhin auf das Forbes-Austria–Cover. Im Vergleich zum Original verhält sich der österreichische Ableger aber wie der Bettler zum Millionär. Deutschrapper können vom gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Einfluss vieler Amirap-Persönlichkeiten bisher nur träumen – und vielleicht ist das auch ganz gut so.
„Forbes list, Forbes list, Forbes list, Forbes, read it like the Bible.“ (Rae Sremmurd, 2015)
Nach den zahlreichen Unternehmensinvestitionen erreichte das Product Placement in den USA eine ungeahnte Quantität. P Diddy war es nicht zu pietätslos, wenige Wochen nach Michael Browns Todesfall, in einer von The Game initiierten „Don’t shoot„-Massenkollabo-Wodka-Werbung unterzubringen: „Police taking shots and I ain’t talkin‘ bout Ciroc.“ Es war nicht das erste Mal, dass P Diddy politisch danebengriff. 2004 lancierte der ehemalige Betriebswirtschaftsstudent die „Vote or die„-Kampagne. Sie richtete sich vor allem an afroamerikanische Jugendliche und eigentlich wollte er so Bushs Wiederwahl verhindern. Dennoch ließ er sich ohne weiteren Kommentar vom Republikaner ins Weiße Haus einladen, außerdem traf er den damaligen Senator Barack Obama zum MTV-Interview. Darin nannte er den um acht Jahre älteren Obama „my son„, was dieser grinsend über sich ergehen ließ. Wenn Obama Hilfe und eine mediale Plattform brauche, solle er sich nur ruhig bei ihm melden. Die Wahlen wurden schließlich mit knappem Vorsprung vom Republikaner George W. Bush gewonnen und P Diddy ließ sein politisches Engagement wieder sein. Heute nimmt der Bad Boy Wahlen auch nicht mehr so ernst und änderte so wie der ehemalige Demokrat Trump seine Meinung radikal: Nunmehr sieht er demokratische Wahlen als Betrug an.
P Diddy war freilich nicht der erste und letzte Rapper mit politischer Einflussnahme – auch andere durften schon die Klinke des Weißen Hauses putzen, manche sogar mehrmals. Angefangen mit Gangsterrapper Eazy E, der an die konservativen Republikaner Geld spendete und daraufhin zu einem Dinner eingeladen wurde, über Jay Z, Ludacris und Common reicht die Liste der Rap-Gäste. Obama legte für die nächste Amtsperson kräftig vor: In seiner achtjährigen Präsidentschaft waren mehr Rapper als jemals zuvor zu Gast. Dabei blieb es auch nicht mehr beim symbolischen Händeschütteln: Nach Kendrick Lamars Besuch im Jänner diesen Jahres wurde ein Video veröffentlicht, in dem der Musiker an die gewaltfreie Vernunft und das kreative Potenzial von Jugendlichen appellierte. Damit sollte die „My Brother’s Keeper„-Initiative beworben werden, die sich vor allem an afroamerikanische Kinder und Jugendliche mit geringen Bildungschancen richtet. Zum symbolträchtigen Independence Day kam Kendrick Lamar für ein ganzes Konzert bei seinem einflussreichsten Fan vorbei. Bereits im April lud Obama, diesmal geheimniskrämerisch, eine ganze Rapperinnen-Schar ein: Chance the Rapper, Talib Kweli, Nicki Minaj und Busta Rhymes sollen beim Gipfel dabei gewesen sein. Rick Ross, der sich in seinen Texten mehrmals mit Trump verglichen hatte, war ebenso mit von der Partie.
Wie auch bei Trump ist dabei nicht immer klar, wodurch das Engagement der Rapper motiviert ist: Will man die Popularität ausnutzen, um politisch mitzusprechen und um für andere etwas zu verändern, oder will man die politische Mitsprache nicht vor allem für den Ausbau der eigenen Popularität nutzen? Zweiteres trifft ohne Frage auf einen weiteren dicken Fisch zu: Kanye West. Er will bei den Präsidentschaftswahlen 2020 kandidieren. Seine Ankündigung leitete er mit folgenden egozentrischen Worten ein: „I just want people to like me more„. Ob er sich ein Beispiel an Trump nahm, bleibt offen, jedenfalls reagierte Trump auf Wests Ankündigung erfreut. Es wäre ihm ein Vergnügen, in vier Jahren gegen seinen Kollegen aus der Unterhaltungsbranche anzutreten. Barack Obama antwortete auf Kanye Wests Vorhaben nicht weniger amüsiert: „It couldn’t get any stranger„. Nichtsdestotrotz demonstrieren beide Reaktionen den Einfluss der erfolgreichsten Rap-Persönlichkeiten auf die öffentliche Bühne der amerikanischen Politik.
Auch musikalisch dreht sich bei Trump nicht alles um Rap. Mit Michael Jackson, Madonna und Prince stand er in gutem Kontakt. Letzterer schrieb für ihn vor 25 Jahren ein ganzes Liebeslied: „Donald Trump Black Version„. Auch im Wahlkampf umgab sich Popstar Trump naturgemäß gerne mit Pop. Seine Reden ließ er musikalisch einleiten und ausklingen, die zahlreichen betroffenen Künstler wurden durch die Bank nicht um Erlaubnis gefragt. Natürlich griff Trump auch auf eine Rapnummer zurück: „Jump around“ von House of Pain, woraufhin deren Frontmann den Präsidentschaftskandidaten als „biggest load of shit ever“ bezeichnete. Was die Sache besonders pikant macht: Everlast ist einer der zahlreichen Amirapper, die im Laufe ihrer Karriere zum Islam konvertierten. Teilweise glorifizierten ebenjene den sich nunmehr als Islam-Feind geouteten Trump noch in der Vergangenheit, wie das Beispiel von Wu-Tangs Raekwon am deutlichsten zeigt. In Folge seiner rassistischen Antrittsrede fielen die Rapper-Props für Trump im letzten Jahr verhaltener aus. Eindeutige Wahlempfehlungen von Künstlern mit HipHop-Bezug gab es bisher jedenfalls nur von Azealia Banks, White Dawg, Kid Rock und Aaron Carter.
„Can I rap to you, sugar, tonight? Donald Trump maybe that´s what you need.“ (Prince, 1990)
Die Zahl jener, die Trump aufgrund seiner fremdenfeindlichen Aussagen zum Teufel jagen wollen, ist weit größer. Will Smith will ihn nun des Landes verweisen, Wyclef Jean kündigte ihm die Freundschaft. Andere schalteten sich zusätzlich ein: So kamen die verfeindeten L.A.-Gangs der Bloods und Crips zusammen, um „Fuck Donald Trump“ zu intonieren. Umgekehrt konnten sich Bernie Sanders und Hillary Clinton über ungleich mehr direkte Wahlunterstützung erfreuen. Zahlreiche Rap-Persönlichkeiten unterstützten Trumps Kontrahenten medial oder trafen sich öffentlichkeitswirksam mit ihnen. Timbaland griff Hilary Clinton sogar finanziell unter die Arme. Der unterlegene Bernie Sanders ließ eine seiner Wahl-Reden durch Killer Mikes Worte einleiten und konnte auf die Unterstützung vo Lil B zählen. Der Rap-affinste Kandidat bleibt nichtsdestotrotz Donald Trump. Das erkannten auch die Macher der Daily Show und drehten ein Rapvideo. Ray Wood Junior, ein afroamerikanischer Schauspieler und Comedian, wurde dabei zu „Black Trump“. Im Video werden zahlreiche radikale, widersprüchliche und rassistische Zitate des Präsidentschaftskandidaten in einen gerappten Zusammenhang gebracht. Das alles zwischen knapp bekleideten Frauen, mit Dollar-Scheinen werfend und sonstigen genretypischen Handbewegungen. Leider sind auch hier Realität und Satire nicht mehr zweifelsfrei voneinander unterscheidbar.
Sollte Donald Trump die Wahl in einem Monat tatsächlich für sich entscheiden, könnte das ungeahnte Folgen für die Rap-Welt haben. Vermutlich wird es dann eher für die Business-Tycoons als für die gesellschaftskritischen Rapper Einladungen ins Weiße Haus regnen. Russell Simmons meinte bereits, dass er kommen würde – um Trump vom rechten Weg abzubringen. Darüber hinaus könnte die Propagierung und Radikalisierung des Survival of the Fittest und die zunehmende Segregation der Gesellschaft nach ethnischen und ökonomischen Grenzen zu einem großen Gangsta-Rap-Revival führen. Auf jeden Fall würde die Präsidentschaft Trumps die Politisierung von Amirap intensivieren. Vielleicht holt Trump auch ganz einfach noch im Laufe des Wahlkampfs ein oder mehrere richtige Rap-Asse aus dem Ärmel – wenigstens das ist ihm bisher noch nicht gelungen.
https://www.youtube.com/watch?v=JSBGDC0rKWU
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