In der vergangenen Woche sind einige Alben und Videos erschienen – wie gewohnt im Austro Round-up zusammengefasst.
Hunney Pimp – Chicago Baby
In den vergangenen Wochen bereits mit einigen Singles angekündigt, veröffentlichte Hunney Pimp am 25. Oktober ihr neues (Mini-)Album „Chicago Baby“. Auf den acht Tracks pendelt die Rapperin und Sängerin zwischen Kitsch und Gewalt. Als Kulisse der vertonten Liebesgeschichte dient das mafiöse Chicago vergangener Jahrzehnte, wo sich die Protagonistin in einen Ganoven verliebt und mit ihm eine emotionale Achterbahnfahrt durchlebt. Die Arbeit am Album startete Hunney Pimp in einer Zeit, in der sie persönliche Turbulenzen zu überwinden hatte. Während sie die Vorgängerwerke „Zum Mond“ und „Schmetterlinge“ heute rückblickend als „Delirium-Musik“ bezeichnet, fällt der Sound diesmal abwechslungsreicher und weniger düster aus. Um den Vintage-Vibes gerecht zu werden, setzte ihr Stammproduzent Melonoid diesmal vermehrt auf alte Samples und Synthesizer-Klänge, seine Beats reichen teilweise in House-Gefilde, haben teils auch einen catchig-poppigen Charakter. Im Interview erzählt Hunney Pimp mehr zu den Hintergründen des Albums. Live zu sehen ist sie am 8. November in der Roten Bar im Wiener Volkstheater.
Chill-Ill – Aunka Des Lebens
Am 25. Oktober 2009 veröffentlichte Chill-Ill sein Debütalbum „Für Körper & Seele“. Das zehnjährige Jubiläum zelebriert er mit der neuen EP „Aunka des Lebens“. In der Zwischenzeit änderte sich einiges beim St. Pöltner, der zu Beginn gleichermaßen als Rapper und Produzent in Erscheinung trat. Der Switch von Hochdeutsch auf Mundart erfolgte rasch, ebenso der Umzug nach Linz. Dass Chill-Ill nun vermehrt jüngere Kollegen für sich produzieren lässt, um den Fokus aufs Rappen zu legen, zeigte sich erstmals Ende 2018, als er mit DaskOne die LP „In Bewegung“ veröffentlichte. Daran knüpfen auch die sieben Tracks der neuen EP an, die allesamt vom Innsbrucker Gabs produziert sind. Am Grundcharakter seiner Tracks ändert das wenig. So treffen wie gewohnt gesellschaftskritische Texte auf soulige Boombap-Beats. Dass es Chill-Ill ein Anliegen, in schnellebigen Zeiten den Blick in aufs Wesentliche zu richten, seine innere Zufriedenheit zu wahren und nicht jeden Blödsinn mitzumachen, untermauert etwa der Titeltrack.
Antifamilia – Die Welt ist perfekt
Nomen est omen bei der Antifamilia. Das Linzer Duo, bestehend aus Overflow und Disorder, verschreibt sich ganz dem linken Widerstand und möchte mit dem Album „Die Welt ist perfekt“ radikalen Straßensound mit politischer Schlagader bieten. Beim vertonten Klassenkampf verzichten die beiden Rapper bewusst darauf, ihre Zeigefinger auszupacken. Dass sie ihre (linken) Fäuste und Aktionismus für die probateren Mittel halten, unterstreichen Tracktitel wie „Hasskappen“, „Rotfront“ oder „Wenn Wir Marschieren“. Bei der Antifamilia hat sich offenbar jede Menge Wut und Hass auf Politiker, die Staatsgewalt und diverse Auswüchse des kapitalistischen Gesellschaftssystems aufgestaut. Nicht weniger radikal teilt die Antifamilia gegen Rapper ohne Inhalte und ohne politische Haltung aus. Für ideologische Gegenspieler gleich die Gulag-Straflager zu reaktivieren, kann jedoch auch nur schwer für eine „perfekte Welt“ stehen und ist hoffentlich rein als Hirngespinst auf Battle-Ebene gedacht.
Yung Hurn – Ponny
„Lachs heißt sehr viele Zehner / Ich hab sehr viele Zehner / Sie hat Wichse auf ihrem G’sicht sie braucht Zewa / Wisch weg, wah da klebt was“ – Yung Hurn scheint in der Hochphase des Dadaismus angekommen zu sein. Nachdem die ersten Veröffentlichungen seines kommenden Albums „Y“ eher in Richtung eines verschwommenen und vernebelten Sounds gingen, wird auf seinem neuen Track alles reduziert – der Beat, die Lyrics. Flowtechnisch erinnert „Ponny“ etwas an Heinie Nüchtern – ob beabsichtigt oder nicht, bleibt offen. Fest steht, dass Yung Hurn mit seinem neuen Track erneut exakt das tut, was er anscheinend am besten kann: Musik machen, die niemand so richtig versteht. „Ist das Kunst oder kann das weg?“, drängt sich da fast unweigerlich als Frage auf.
Lent – Ok
In seinem neuen Video verwandelt Lent Wien in ein Lichtermeer. Im Jaguar-SUV cruist er mit seiner Crew durch Wien und hangelt sich durch Wiener Lokale. „Ok“ ist dabei auch das Motto des Tracks – „Bleiben Ghetto, Ghetto, Ghetto, Ghetto, Ghetto wie mein Trainingsanzug / Ok, ja let’s go, let’s go, let’s go, let’s go“. Produziert hat – wie gewohnt – sein Bruder Damian Beats. Die beiden ergeben ein eingespieltes Team das weiß, wie der Sound der neuen Generation klingen kann. Lent erzählt in seinen Songs keine Geschichten anhand seiner Texte – die Lyrics sind teils schwer verständlich und einseitig. Dennoch erschafft er mit seinem Sound eine Sphäre, in der er Momentaufnahmen widerspiegelt und einen individuellen Vibe, der sein prägendes Wiedererkennungsmerkmal darstellt. Genau das scheint auch RAF Camora überzeugt zu haben, der sich seit den Anfängen von Lent als Fan outet. Ok, ok, bei Lent läuft es gerade definitiv.
Meydo & Jerry Divmonds – O Ye
„Ich bin nicht größer geworden, um kleiner zu denken“ – Gemeinsam mit seinem Akashic-Recordz-Labelkollegen Jerry Divmond liefert Meydo mit „O Ye“ einen Song, der motiviert. Dazu, seine Träume zu leben, auch wenn dies meistens mit viel harter Arbeit verbunden ist. „In Scheiße treten gehört noch immer dazu / Auf dieser Welt behält keiner einen sauberen Schuh, oh ja / Immer weiter, alles Schlechte hinter mir unerreichbar“. Nach dem Motto „Von nichts kommt nichts“ geben Meydo und Jerry Divmond mit ihrem Song erneut ihr Bestes, um ihre Träume auch weiterhin leben zu können.
fface128 & symtex128 – primar
Bereits im September brachte das team128 die mit drei Tracks bestückte EP „Keine Liebe“ heraus. Der Sprachbarriere zum Trotz, beehrte die Formation kürzlich (inklusive DJ Budapest) Budapest und spielte dort bei einer größeren Trap-Party. In diesem Rahmen haben fface128 & symtex128 ihren Track „primar“ aus der jüngsten EP verfilmt. Ihre Antihaltung und Scheiß-drauf-Attitüde bringen sie dabei audiovisuell gut zur Geltung: „Diese Leute sagen zu mir ich sei unverschämt / denn ich mache eure Leben doch nur unbequem / Tats in meinem Face, denn ich pass nicht ins System / ich bleib‘ Anti, bis ich geh'“.
Dr. Docs – Pinky Ring
Dr. Docs zählt allein in diesem Jahr bereits zehn veröffentlichte Tracks. Mit dem aktuellsten beweist er einmal mehr sein durchaus beachtliches Können. Mit gewohnt starkem Beat schwingt beim Donaustädter gerade in „Pinky Ring“ eine düster angehauchte Aufmüpfigkeit mit, die eigentlich sofort in einem Battle präsentiert gehört. Und in dieser Manier rappt er sich ohne Verluste und mit erhöhter Geschwindigkeit durch knappe zwei Minuten – bei „normalem“ Tempo ergäbe das sogar eine anständige Songlänge. Ausgehend von seinem bisherigen Schaffen, interessiert das Dr. Docs aber offensichtlich wenig. Wichtig für ihn sind seine Skills und dass man ihm „irgendwann das Zepter schenkt„. Bis es soweit ist, rappt er sich wohl weiterhin durch Wiens Telefonzellen.
Verifiziert & Dieci – Golf 4
Bereits 1995 widmete die Fünfhaus Posse dem VW Golf einen entspannten Track, nun kommt es nun zu einer zeitgemäßer umgesetzten Fortsetzung. Verifiziert holt uns atmosphärisch in ihrem „Golf 4“ ab: „Wir lassen uns so gehen, dass wir nur noch fahren“. Mit offenen Fenstern fährt sie umher, genießt den Fahrtwind, hört Musik aus ihren Soundlink-Boxen und legt einen kurzen Boxenstopp im Drive-in bei McDonald’s ein. „Polizei fährt bei mir vorbei / Hab keine Angst, denn ich fahr einwandfrei“. Dieci steuert auf ihrem musikalischen Roadtrip ein kleines Outro bei, der Sound klingt im Gesamten so ungezwungen, leicht und entspannt, dass man sich gerne auf der Stelle von Verfiziert in ihrem Golf 4 abholen lassen würde.
Text: Simon Nowak, Chiara Sergi & Francesca Herr