Introspektion, einsame Helden und ein bittersüßer Gefühlscocktail namens Selbstzweifel haben das Debütalbum der Nürnberger Jazz-Rap-Combo Ferge X Fisherman inspiriert. „Blinded By The Neon“ ist am 22. Mai erschienen, es verbindet Jazz und HipHop zu einer harmonischen musikalischen Mischung. Der Pate für das Album ist Tom Waits düster-feierliches Meisterwerk „The Heart of Saturday Night“.
Die drei Singles „Backstage“, „Role“ und „Drunk on The Moon“ sind bereits vorab erschienen. „Backstage“ wurde als JUICE-Premiere veröffentlicht. Auf einem gewohnt smoothen Jazz-Beat rappt Fritz Fisherman mindestens genauso geschmeidige Lines, die ganz ohne Gangster-Attitüde auskommen.
„Drunk on the Moon“ ist feinster Mellow-HipHop. Der Track lehnt sich an Tom Waits gleichnamigen Song an, dessen Lyrics auch den Ursprung des Titels von Ferge X Fisherman’s Debütalbum erklären: „And I’m blinded by the neon/Don’t try and change my tune/Cause I thought I heard a Saxophone/I’m drunk on the Moon“.
Süße Melancholie der Jazz–Samples
Thematisch dreht sich „Blinded By The Neon“ um die schwankenden Gefühlslagen des Protagonisten in Bezug auf seine Selbstwahrnehmung und seine ebenso ambivalenten Beziehungen. Der musikalische Bogen spannt sich von süßer Melancholie der Jazz-Samples und eingebetteten Streichern über detailgetreue Beatmaker-Ästhetik bis hin zu melodiösem Gospel und Soul. Samples und Rhythmen sind definitiv die Stars der Show. Doch Beats und Melodien fügen sich erst zu einem vollständigen Song zusammen, wenn Fritz Fisherman seine entspannten Texte darüber rappt.
Anfänge und Weiterführungen
Der Rapper und sein Produzent Ferge kennen sich schon aus der Schule und standen bereits früher zusammen auf der Bühne. Damals allerdings unter dem Namen Flying Penguin. Nachdem dieses Bandprojekt auf Eis gelegt wurde und die beiden sowieso Lust auf mehr Jazz hatten, gründeten sie Ferge X Fisherman.
Nach ihrer Debüt-EP „Gone Fishing“ bieten sie der Musikwelt nun mit ihrem ersten Album 35 Minuten einen feinen Genremischmasch, verpackt in 12 Tracks. Wie auf ihrer EP experimentieren Ferge X Fisherman darauf mit Soul-, Funk- und Jazz-Elementen in Verbindung mit HipHop. Dabei beweisen sie einmal mehr wie gut die Vermischung von elektronisch produzierten Beats mit eingespielten Ensemble-Instrumenten klingen kann.
Wie eine Lo-Fi-HipHop-Playlist
Es ist schwer die Tracks einzeln zu bewerten, weil sie zusammen ein organisches Gesamtstück ergeben. Das Album hört sich wie eine groovige „LoFi-HipHop-Playlist“ und wirkt demnach gut als Hintergrundmusik. Es ist vor allem ein Album mit chilligen Jazz-Beats und Mellow-Rap für Wohnzimmergespräche. Das hält natürlich nicht vom aktiven Hören ab. Beim genaueren Hinhören ergibt sich für den oder die ZuhörerIn vor allem detaillierte und gut abgemischte Free-Jazz-Beat-Gebilde. Dass es inhaltlich um Emotionen geht spiegelt sich nicht nur in den Lyrics wieder, sondern auch in den Melodien. Mit „Blinded by the Neon“ hat Ferge X Fisherman auf jeden Fall ein gelungenes Gesamtwerk abgeliefert. Fraglich ist nur, inwieweit die Einzelstücke im Gedächtnis bleiben werden. Nachdem es mittlerweile eher zur Seltenheit gewordne ist, Alben wirklich in ihrer Gesamtheit zu konsumieren, ist es jedenfalls mal angenehm, ein Album für den Gesamteindruck zu hören, anstatt nur nach dem einen Banger zu suchen, der die nächsten Tage totgehört wird.
Nach einer Produktionsphase in den USA geht das süddeutsche Jazz-Rap-Projekt voraussichtlich im Herbst mit ihrer Liveband The Lakesideboys auf Tour, um zu zeigen, wie eindrucksvoll der Spagat zwischen elektronisch produziertem HipHop und echten Instrumenten live klingen kann.
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