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„Des schmeckt ma“ – Ein Wandblatt aus Wien

„Des schmeckt ma“ – Ein Wandblatt aus Wien

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Der Innenhof des Wohnhauses liegt ruhig in der Abendsonne, wilder Wein rankt sich um die Hofstiege, eine Sandkiste lädt zum Spielen ein. Im Eck des Gebäudes versteckt sich das Atelier von MAFIA/TABAK, FRESH MAX und KNARF – der IRGA IRGA Crew. Gearbeitet wird gerade am Feinschliff für die Ausstellung „Ein Wandblatt aus Wien“, beginnend am 9. Juli 2014 im Rabbit Eye Movement. In der Ausstellung zeigt sich der ganze Charme des Wandblatts und der IRGA IRGA Crew. Es entsteht ein vollgefüllter Trödelladen, kreativ, energiegeladen und durcheinander. Gleichzeitig findet im Rahmen der Exposition die Veröffentlichung der zweiten Ausgabe – mit Sonderausgaben vierten Ausgabe – des WANDBLATTS statt.

Text: Hemma Bergner
Fotos:  Niko Havranek

Das WANDBLATT ist ein auf 200 Stück limitiertes Heft über Graffiti, Street-Art, Sachen die KNARF, MAFIA und FRESH MAX bewegen – oder besser gesagt: Das Wandblatt dient als Überbegriff und „soll eine Einladung zum Austausch sein“. Die Idee ist, gemeinsam etwas zu starten und zu produzieren – zum einen dokumentieren KNARF, MAFIA/TABAK und FRESH MAX ihren eigenen Arbeitsprozess bildhaft, zum anderen zeigen nationale und internationale Künstler Features im Blatt. Es entsteht ein durchgehendes Konzept. Obwohl der Entstehungsprozess des Wandblatts frei und ohne Restriktionen passiert, fügt es sich zu einem vertrauten Ganzen zusammen. Und man darf gespannt sein, wie die nächsten Ausgaben aussehen werden. Die Idee des Wandblatts macht neugierig. So nutzten wir die Chance, um einen genaueren Blick auf die IRGA IRGA Crew zu werfen.

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KNARF, FRESH MAX und MAFIA bewegen sich zwischen Graffiti und Street Art, sind aber mit ihren Stücken schwer zu definieren oder in eine Kategorie zu pressen, was auch nicht die Intention der Künstler ist. Andererseits macht diese Tatsache es schwerer, sich zu präsentieren, etablieren und von der Szene nach außen zu kommunizieren. Aber genau dieser Aspekt der Undefinierbarkeit ist Teil des Reizes der fantasiegeladenen Werke – sie sind besonders, speziell und entwickeln sich ständig weiter. Im Gespräch schilderten uns KNARF und MAFIA/TABAK ihre Eindrücke über vergangene Projekte, die Entstehung des Wandblatts und die Kommunikations-Problematik.

TM: Wie ist das Wandblatt entstanden?
Mafia:
Eigentlich war’s so, dass wir uns total zufällig vor zwei Jahren kennengelernt haben. Da war’s noch gar nicht klar, dass wir überhaupt gemeinsam was machen. Und dass wir auf der selben Uni waren – auch das war mir überhaupt nicht bewusst. Aus einem Spaßprojekt hat sich die Geschichte dann entwickelt. Wir haben gesagt: „Ja eigentlich können wir ur viele Arbeiten herzeigen“. Uns ist direkt ins Auge gesprungen, dass wir etwas Analoges machen wollen und da hat sich das Wandblatt Step by Step aufgebaut. Irgendwie hat sich herauskristallisiert, dass es mega gut ist und ein super Medium für uns: Man kann einen aktuellen Arbeitsstand zeigen und man kann nach und nach Artists mit an Board holen – und im Endeffekt schauen, wohin sich die ganze Sache bewegt. Das ist eben auch noch nicht klar, aber es bewegt sich weiter, Schicht für Schicht.
Knarf: Mir hat es einfach irrsinnig gefallen, Bücher zu machen. Bei der Null-Nummer des Wandblatts war es einfach mal die Grundidee „Wir machen ein Buch“ – und das hat gepasst.
Mafia: Es war uns von Grund weg wichtig, dass wir das Ganze selbst produzieren, dass es nicht ein Magazin wird. Wir sind keine Konkurrenz zum Offline oder Go-On, wir sind eher etwas Spezielleres.

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Was genau steckt hinter der Irga Irga Crew?
Mafia:
Das ist jetzt einfach unser Zusammenschluss. Wir haben quasi so eineinhalb, zwei Jahre ohne irgendwas gemalt. Aber es ist, wenn man malt, sehr schwer nach außen zu kommunizieren, dass man zusammengehört bzw. zusammenarbeitet – ohne Namen. Es hat sich halt über die Jahre herauskristallisiert, dass es so in der Konstellation perfekt zusammen zum Arbeiten ist. Als Einzelkämpfer is es schwer da draußen, sag ich mal. Zu dritt hast mehr Möglichkeiten.
Knarf: Bei dem Step wo wir momentan sind, versucht man auch größere Kreise zu schließen, und das macht auch mehr Vielfalt im Arbeiten – und ist sowieso einfach viel angenehmer. Trotzdem ist es bei uns drei einfacher und leichter, wenn immer nur zwei Leute miteinander arbeiten, was auch meistens so ist.
Mafia: Ja, zu dritt sind wir quasi ein Trio infernale. Der unproduktivste Tag ist, wenn wir nur zu dritt zusammenarbeiten. Man trifft sich, aber nach dem Tag fühlst du dich, als ob du eine Woche durchgehackelt hast.
Knarf: Da sind wir so drin in einer Welt, wo man sich dann denkt „Hey oida, wo ist der Tag hin und wie schaut die scheiß Wand aus.“ – Wie eine Affenbande, die IRGA IRGA Crew eben…

Ihr habt vergangenes Jahr in Leobersdorf einen rießigen Gebäudekomplex, 3500 m2 Wandfläche, drei Monate lang bemalt. Am Ende wurde alles in einem Film dokumentiert und es ist eine Sonderausgabe des Wandblatts herausgekommen. Wie ist das Projekt „3500“ entstanden?
Mafia:
Am Anfang haben wir uns gedacht, das Ganze „is eh easy-cheesy“ und geht innerhalb von einem Monat. Aber dann hat sich herausgestellt, dass das Projekt auf Grund von diversen Faktoren gar nicht so einfach ist.
Knarf: Im Nachhinein betrachtet war ein großes Problem, dass keiner von uns wirklich gewusst hat wie man einen Gebäudekomplex so richtig füllt. Weil die Wall muss ja auch nicht immer voll sein, damit sie gefüllt wirkt. Wir haben am Anfang so viel Zeit gebraucht für eine gewisse Seite, weil wir uns im Detail verfangen haben. Für den Außenstehenden betrachtet, fällt das vielleicht nicht so auf, aber für uns war’s dann ein bissl „umsonst“. Wir haben da sehr viel gelernt im Prozess der Entstehung selbst. Und wir haben mit dem Auftraggeber Glück gehabt. Er hat uns sehr Freihand gelassen. Weil eigentlich ist es ja so, dass man viele Vorgaben hat bei einer Auftragsarbeit.
Mafia: Wir haben ihm auch erklärt, dass wir uns in die Sache hineinarbeiten müssen. Weil es gibt auch keinen Referenzwert für  eine so große Fläche. Du hast die Wände immer weitertragen müssen – es ist keine abgeschlossene Sache. Man konnte eben auch nicht random-mäßig irgendwelche Muster hineinbauen. Das wollt auch keiner von uns. Man will am Abend heimkommen und sagen: „Boah ja! Das wird eh geil.“
Am Schluss hat sich jeder so einzelne Inselchen ausgesucht, wo er sich austoben konnte. Und wir haben in Sommeroutfits angefangen und im Winterzeug aufgehört. Am Anfang haben wir noch gescherzt: „Zu Weihnachten steh’n wir auch noch dort…“ und dann waren wir wirklich erst am 23. Dezember fertig.
Knarf: Ja, jeder hat uns schon gekannt dort. Und ich hab mir noch dazu das Knie gebrochen zwischendurch und hab dann mit Krücken malen müssen.

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Was macht die Kommunikation nach außen bei euren Werken so schwer?
Knarf:
Es passiert halt auch viel Bullshit in der Szene, auch weil es seit den Achtzigern immer mehr wird. Und auch in Wien ist halt Unüberlegtes dabei und Schrott – das macht’s nicht einfach.
Mafia: Es is auch recht schwer für uns, zu definieren wo wir da stehen, weil wir passen nicht genau in diese eine Street-Art Ecke hinein, aber auch nicht in die klassische Hardcore-Graffiti Ecke. Wir sind mittendrin quasi. Im Geiste noch total Graffiti, aber äußerlich schon weiter davon entfernt. Und dann geben wir uns eben so wie wir sind – und dann kommt ein undefinierbarer Gesamtwahnsinn heraus. Der ist für die Meisten nicht leicht zu schlucken. Eh Geil auch, aber es ist halt weder Street-Art noch Graffiti. Wir verändern uns auch so schnell weiter, wahrscheinlich schauen unsere Sachen in einem Jahr ganz anders aus.
Knarf: Ja keiner wird auf dem stehenbleiben, wo er ist… Manche aus der Szene, die man kennt, fragen sich auch: „Wer macht so was“. Und selbst andere Sprayer glauben dann die weirdesten Sachen von uns.
Mafia: Unsere Sachen werden mit absurden Ideen aufgeladen, bis die Leute – wenn überhaupt – checken, dass es ganz normal ist, was wir machen (lacht).

KnarfMafia_NikoHavranek_150dpi-5Man tut sich leichter wenn man in eine Style-Kategorie passt?
Knarf:
Wenn man zum Beispiel Send-Outs verschickt, via Mail oder in Blogs, dann ja. Keiner nimmt es auf, wie wir es sagen wollen, oder Leute ordnen die Werke falsch ein, oder sie verstehen es nicht, oder wir präsentieren es einfach falsch (lacht).
Mafia: Man läuft halt Gefahr, dass wenn man die Werke schlecht kommuniziert nach außen, dass die Geschichte dann im Endeffekt unter einen falschen Namen steht. Und die Leute lesen eine spezielle Betitelung der Werke und schauen dann einfach „drüber“, oder sie lesen nicht zwischen den Zeilen. Man wird einfach immer kategorisiert, in den Blogs zum Beispiel. Dann nehmen die, die erfolgreiche Blogs betreiben gleich lieber die Leute, die genau sagen: „Das und das ist es, was wir machen“. Das ist für die Blog-Betreiber zum Beispiel einfacher.
Knarf: Da geht’s nicht unbedingt um Kommerzialisierung – aber einfach um Kommunikation. Nur die Mitteilung allein schon ist schwierig, wenn man die Kunst, Street-Art, oder was auch immer, nicht genau abbrechen kann.
Manchmal sagen dann einige Sprayer zu uns: „Ja das ist eigentlich kein Graffiti was ihr da macht’s.“ Und das, was wir eigentlich sind – oder in unseren Köpfe sind – wird gefühlt wenig angenommen, bzw. verstanden. Und wir wollen keine Wörter „erfinden“ oder es gar jemanden recht machen.
Mafia: Wir wollen da auch nicht in dieser Kunstblase mitspielen, um alles unnötig aufzublasen, sondern wollen uns einfach möglichst „unique“ präsentieren. Das macht es halt nicht leichter…

Wann wisst ihr, dass euer Piece fertig ist?
Mafia:
Das weiß ich einfach ganz genau, von Anfang an. Da hab ich zwar Skizzen im Kopf, aber dann is es einfach fertig. Dann leg ich das Stück weg und es hat ein Ablaufdatum von ein bis zwei Wochen. Bis dahin gefällt es mir eh schon nicht mehr – dann leg ich es weg und mach etwas Neues.
Knarf: Es is schon so – meistens weiß man es. Sobald man konzentriert an die Sache herangeht, weiß man genau wie es sein und werden soll.

Knarf, wieso ist dir der Bezug zum HipHop vertraut?
Knarf:
Die letzten Sachen, die ich recht gefeiert habe und eben noch immer feiere, waren Def Ill oder BumBumKunst. Ich bin in Salzburg aufgewachsen, da waren einige ja meine direkten Nachbaren, da hab ich viel davon mitgenommen. Quasi meine Kindheit mit den HipHoppern in Salzburg. Ich hab dann auch die ersten Slangsta Sampler, Jack Untawega und BumBumKunst. Den hör ich immer zum Beispiel, die haben für mich immer schon einen irrsinnig geilen Sound gemacht. Aber im österreichischen HipHop gibt’s ganz klare Fronten für mich. Da is man klar ein Fan von wem oder nicht. Mir gefallen in Österreich wenige Sachen, aber die feier ich unentwegt. Der Fresh Max und ich streiten da öfters darüber. Da teilen sich die Fronten ziemlich, da kommen wir beim HipHop nicht auf einen gemeinsamen Nenner.

Die Ausstellung „Ein Wandblatt aus Wien“ läuft von 9. Juli 2014 bis 6. August 2014 im Rabbit Eye Movement auf der Gumpendorferstraße, Wien.

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MAFIA/TABAK
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KNARF
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