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Kamp blickt zurück // 10 Jahre „Versager ohne Zukunft“

Kamp blickt zurück // 10 Jahre „Versager ohne Zukunft“

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Kamp & Whizz anno 2009 am Wiener Südbahnhof. Fotos: Daniel Shaked

Am 24. Februar jährte sich das Release des Albums „Versager ohne Zukunft“ von Kamp & Whizz Vienna zum zehnten Mal. Mit ihrem Opus magnum ist den beiden Wienern das wohl am meisten geschätzte Release der österreichischen HipHop-Geschichte gelungen – manch einer zählt es gar zu den besten deutschsprachigen Rapalben aller Zeiten, wie zuletzt mehrere anerkennende Instagram-Storys zeigten. Wir haben anlässlich des Jubiläums telefonisch bei Kamp nachgefragt, wie er heute auf „Versager ohne Zukunft“ zurückblickt. Dabei haben wir auch erfahren, wie sich sein Lebensstil und seine Denkweise seither verändert haben – und wie es um das vor ein paar Jahren angekündigte Comeback-Projekt mit Fid Mella steht.

Selbst habe Kamp „Versager ohne Zukunft“ schon länger nicht mehr gehört, bis vor zwei Jahren sei es aber wieder in rührseligen und betrunkenen Momenten gelaufen: „Es hat mir noch sehr gut gefallen, das wäre heutzutage wohl auch so. Ich muss sagen, ich bin mein größter Fan“, meint er schmunzelnd. Beim neuerlichen Durchhören fällt es einfach, dem Album einen zeitlosen Charakter zuzuschreiben. Die 19 Tracks profitieren durch stets unterhaltsam metaphorisierte Raps über Kamps patschertes Leben. Neben Selbstmitleid und trotziger Selbstironie scheint Selbstzerstörung für den Mittzwanziger oft die einzig wirksame Maßnahme gewesen sein, um dem aufgestauten Lebensfrust zumindest temporär entgegenzuwirken. Die mit viel Soul ausgestatteten, vor allem auf 1970er-Samples basierenden Whizz-Beats sorgen für den passenden Unterbau der Klagelieder. Das Endprodukt lädt zum Hineinversetzen in Kamps ramponiertes Hirnkastl und zur comichaften Nachzeichnung vieler von ihm beschriebener Situationen im Kopfkino ein.

Trotziger Stolibub

KampEtwa zur gleichen Zeit wie das Album erschien Anfang 2009 die 36. Printausgabe von The Message. Am Cover inszeniert sich Kamp als suchtgiftkranker Jesus, der an einer von „Maria“ Whizz gehaltenen Stoli-Flasche nuckelt. Ein Bild, das für die damalige Zeit symptomatisch erscheint, schließlich eilte Kamp der Ruf des notorischen Bsuffs mit einer umfangreichen Sammlung an Lokalverboten voraus. Ebenfalls aus dieser turbulenten Zeit stammen die weiteren in diesen Artikel eingebundenen Fotos, einige davon kommen nun zu ihrer verspäteten Premiere. Angesprochen auf den tatsächlichen Grad seiner Kaputtheit betont Kamp heute, sich nicht nur als wandelndes Wrack inszeniert zu haben: „Es wurde damit kokettiert und rappertypisch das ein oder andere Mal ein ganz klein wenig übertrieben, aber grundsätzlich hatte es für Whizz und mich immer Priorität, dass das, was in der Musik erzählt wird, auf wahren Begebenheiten fußt.“ Zudem sei es vorgekommen, dass absurd anmutende Lines anschließend zu Anekdoten gemacht wurden. Das habe ihn schon mal dazu gebracht, sich drei Flaschen Wodka auf Ex einzuverleiben. „Eigentlich dümmer als andersrum“, resümiert er.

Dass Kamp & Whizz „Versager ohne Zukunft von Vornherein als ihre erste und letzte LP bezeichnet haben, lässt sich als Folge des über die Jahre angestauten Frusts über ihren eigenen Status in der hiesigen Musiklandschaft verstehen: „Wir haben ja davor schon sehr lange Musik gemacht und unser Standing immer anders gesehen, als die Leute es gesehen haben. Deshalb sind wir mit einer gewissen Trotzhaltung an dieses Album gegangen. Das war mitunter ein Grund dafür, dass wir gesagt haben, dass es das letzte Album ist – fickt euch alle! Und es immer noch so sehen“, führt Kamp aus.

Zukunft ohne Versagen

Die beiden hätten die schließlich doch noch erhaltene Bestätigung zwar genossen, genug Motivation für weitere Releases lieferte sie aber nicht. So ist Kamp in den Folgejahren nach einigen Feature-Parts sowie der Mitorganisation des HipHop-Festivals Am Strom sukzessive von der musikalischen Bildfläche verschwunden. Auch um Whizz wurde es nach der 2013 erschienenen LP „Wiener Staub“ still. Als Grund für diesen Entwicklungsverlauf nennt Kamp Versagensängste: „Es ist natürlich der sicherste Weg, dann nicht weiterzumachen, sondern es so stehen zu lassen und das eigene Werk nicht wieder mit dem nächsten Release zu verhunzen.“ Außerdem habe – wieder einmal – Trotz die Denkweise geprägt: „Ah, jetzt findet ihr das cool? Jetzt haben wir aber gar keinen Bock mehr. Hättet ihr halt vor fünf oder vor zehn Jahren alles cool gefunden! Dann hätten wir heute vielleicht auch noch Bock.“

Dazu kommt, dass Kamp etwa ein Jahr nach dem Release von „Versager ohne Zukunft“ einen radikalen Lebenswandel vollzog: „Meine Mutter ist überraschend gestorben und ich habe nach einer kurzen Abwärtsspirale mein Leben um 180 Grad gedreht.“ Anschließend sei es ihm schwergefallen, von seinem künstlerischen Ego, dem betrunkenen Primitvler, abzulassen: „Ich konnte es nicht in der Musik unterbringen, dass ich keinen Tropfen Alkohol trinke, das Kunststudium und den verrückten Lebensstil abbreche und dafür halt Schuhverkäufer werde. Das war meine Realität, aber warum sollte man das jemandem erzählen wollen?“

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Heute erscheint ein Rückfall in alte Muster utopisch, auch zumal die Lebensrealität der beiden Protagonisten mittlerweile eine komplett andere ist. Nachdem Whizz schon vor ein paar Jahren vorgelegt hatte, wurde Kamp vor einem Jahr erstmals Vater – seine Tochter kam exakt neun Jahre nach dem Release von „Versager ohne Zukunft“ auf die Welt. Sie wurde bereits mit einer exquisiten Sneakerkollektion ausgestattet.

Alte Platten & neue Filme

Bis heute ist die Nachfrage an den in einer 1500er-Auflage gepressten „Versager ohne Zukunft“-Doppel-LPs nicht abgeebbt, sie wurden zum begehrten Sammlerobjekt. Während auf den gängigen Online-Plattformen Mondpreise verlangt werden, bekomme auch Kamp regelmäßig Anfragen. Dennoch möchte er keine Hoffnungen auf eine Neuauflage machen: „Aus Respekt vor den Leuten, die sich damals die Platten geholt haben. Wenn es darum ginge, anderen den Zugang zur Musik zu verwehren, wäre es Schwachsinn, aber den hat ja jeder. Auf Spotify und Bandcamp ist es ja.“ Zudem erachtet er die Limitierung als sympathischer. „Wenn, dann machen wir eine neue Platte, aber wir quetschen dieses Baby jetzt nicht weiter aus“, weckt er auf einer anderen Ebene Hoffnung.

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Was seine vor ein paar Jahren angekündigte LP mit Fid Mella angeht, will er sich keinen Stress machen: „Durch das Album haben wir eine Form von Ruhe und Gelassenheit gewonnen, weil wir niemandem mehr etwas beweisen müssen, vor allem uns nicht. Deswegen liegen manche Sachen jahrelang herum.“ Jedenfalls habe sich das vor vielen Jahren gestartete Projekt noch nicht verlaufen. „Mella und ich sind nach wie vor oft im Studio, nur nehmen wir da ganz selten was auf“, erklärt Kamp lachend. Über die Jahre sei quasi ein unfertiges Album entstanden, bei dem immer wieder etwas wegfällt oder neu dazukommt. „Und das ist nur meins. Meine Frau und Mella hören es auch ab und zu, aber sonst hört es niemand – bis zu dem Moment, wo wir sagen, dass wir die Platte vielleicht doch noch herausbringen“, hält er sich bedeckt.

Angst, mit einer Veröffentlichung am eigenen Denkmal zu nagen, sei nicht mehr vorhanden. Ohnehin gebe es nach zehn Jahren von außen quasi keinen Erwartungsdruck mehr. Dennoch betont Kamp am Ende unseres Gesprächs präventiv, dass das Nachfolgewerk nicht so geil wie „Versager ohne Zukunft“ werden könne: „Das war eine Zeitaufnahme der kaputtesten und gleichzeitig besten Zeit meines Lebens, Mitte 20. Auch wenn ich sagen würde, dass jetzt die beste Zeit ist. Aber was ich jetzt erzählen würde, kommt da nicht mehr ran – und ich möchte einfach nicht mehr diesen Lifestyle pflegen, der vielleicht für die Leute lustig oder interessant ist. Wenn das Album rauskommt, werden die Leute bestimmt sagen: ‚Das ist ein Abfuck!‘ Aber das ist uns egal. Es wird hoffentlich für sich stehen und vielleicht auch neue Fans gewinnen.“