Das deutsche Rapkollektiv KMN Gang ist an Hype momentan kaum zu überbieten. Miami Yacine veröffentlichte mit „Kokaina“ den erfolgreichsten deutschsprachigen YouTube-Clip 2016. Dieses Jahr folgten die Debütalben „Casia“ von Miami Yacine und „Mele7“ von Zuna. Die beiden Rapper Nash und Azet vervollständigen das Quartett. 2016 waren Zuna und Azet als Supportact mit Nimo und Hanybal in Wien und taten sich noch schwer, das Publikum mitzureißen. Ein Jahr und mehr als 350 Millionen kumulierte YouTubeklicks später kennt die Crowd in der ausverkauften Grellen Forelle jede Zeile auswendig.
Im Vorfeld des Konzertes machten im Internet Gerüchte die Runde, Zuna wäre bei einer Messerstecherei ums Leben gekommen. Der Auslöser für die Falschmeldung ist erschreckend banal: Alle KMN-Mitglieder färbten ihre Social-Media-Profilbilder schwarz – klassische Promophase. Trotz Dementi von offiziellen Seiten sprang sogar die Bild-Zeitung mit zweideutigen Schlagzeilen auf den Zug auf. Am Abend in der Grellen Forelle betritt Zuna zur allgemeinen Erleichterung in bester Verfassung die Bühne. Nur Azet kann aufgrund einer Haftstrafe nicht auftreten.
Vor dem Konzert wärmt KidSoFly aber noch die gespannte Menge auf. Der DJ war schon mit den Azzlackz und Bausa auf Tour. Unter großem Jubel betreten die Rapper schließlich in Begleitung zweier grimmiger Bodyguards die Bühne. Schon bei den ersten Songs fällt die Textsicherheit des jungen Wiener Publikums auf. Das musikalische Konzept der KMN Gang ist so simpel wie effektiv. Texte über das Straßenleben, Drogenhandel, Geld, Sex und die eigene Omnipotenz treffen auf tanzbare Dancehall-, Afro- und Amitrap-Beats. Den Unterschied zu den unzähligen anderen deutschen Gangsterrappern der vergangenen Jahre machen die extrem eingängigen Autotune-Hooks, die sich innerhalb von Sekunden im Ohr festsetzen. Auch live geht die Rechnung auf; Die Stimmung ist geradezu euphorisch. Oft singen die Fans lauter als die Rapper auf der Bühne. Für Autotune-Kritiker gibt es einen A-capella-Rap von Miami Yacine.
Etwas verstörend ist die Zusammensetzung der Crowd. In den hinteren Reihen stehen einige Gruppen kopfnickender Männer zwische 20 und 30. Je näher man allerdings der Bühne kommt, desto jünger werden die Fans. Laut Veranstalter gilt das Wiener Jugendschutzgesetz, nach dem Jugendliche ab 14 Jahren das Konzert besuchen dürfen. Der niedrige Altersdurchschnitt in den vorderen Reihen sorgt für seltsame Momente der Publikumsinteraktion. Als die Rapper die Crowd drei Sprechchöre aufteilen möchten, fragen sie: „Was folgt auf K und M?“ Ein junges Mädchen neben mir zeigt auf und schreit hysterisch: „N! N! N! N! N!“. Ein Mitarbeitsplus gab es dafür leider nicht. Noch skurriler war die Frage „Kennt ihr Spongebob? Findet ihr auch Patrick am lustigsten?“ – „JAAAAAAAAA!“ Es folgt ein Song über Koks und ungeschützten Sex. Alle singen mit.
Fazit: Es ist nachvollziehbar, dass pubertierende Jugendliche auf diese Art von Musik stehen. Die Rapper der KMN Gang wirken authentisch. Sie kommen aus den Straßen und haben sich ohne fremde Hilfe zu erfolgreichen Geschäftsmännern gemausert. Vom Bordstein zur Skyline. Dabei wirken sie sympathisch, haben Humor. Dass ihre Texte bei Politikern, Kunstkritikern und anderen Spießbürgern für Empörung sorgen, bringt nur noch mehr Promo. Jugendliche mit schlechter Bildung und wenig Perspektiven sehen hier Idole. Natürlich wissen die meisten von ihnen, dass die Texte überzeichnet sind. Was bleibt, ist der Traum vom materiellen Reichtum, Autos, Sex und Geld. Dafür sorgt aber nicht nur die KMN Gang, sondern eine Gesellschaft, in der Konsum und Materielles immer an erster Stelle stehen. Wenn Vierzehnjährige Musik über Drogen, Gewalt und den Traum vom Ferrari hören, ist das bedenklich. Es handelt sich allerdings um ein Symptom nicht die alleinige Ursache. „Und die Kids hör’n auf das, was Miami sagt (pow pow pow pow)“, wie Miami Yacine in „Bon Voyage“ rappt.
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