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Kurt Hustle & Hulk Hodn: „…vergessen unsere Texte und trinken Ottakringer" (Interview)

Kurt Hustle & Hulk Hodn: „…vergessen unsere Texte und trinken Ottakringer" (Interview)

Gemeinsam sind der Produzent Hulk Hodn und der Rapper Kurt Hustle (alias Retrogott) auch als Huss&Hodn bekannt. Obwohl die beiden selbstironischen Kölner seit drei Jahren kein Album veröffentlicht haben und bei ihren Auftritten mittlerweile mehr auflegen, als Liveshow machen, füllen sie problemlos die Clubs. Arbeiten gehen sie trotzdem, Familie haben sie auch und Hip Hop macht ihnen nach wie vor Spaß. Im Message-Interview ging es auch um ihre zahlreichen Bezüge zu Österreich, den guten alten MC Rene und das liebe Geld. Twit One war in Wien übrigens als Roadie auch mit von der Partie…


Du Kurt dankst auf eurem letzten Album (2009) den Wienern für die Käsekrainer und das Wiener Schnitzel…gehst du damit konform, Hulk?

Hulk: Auf jeden Fall, das sind feste Bestandteile unserer Wien-Ausflüge.
Kurt: Ja, keine Ahnung…damals habe ich ganz einfach sehr gern gegessen. Mittlerweile habe ich mich aus dem Grundgeschäft ein wenig zurückgezogen, aber die Erwähnung war natürlich auch wegen der Reimbarkeit.

In Köln gibt es keine Würstlstände mit Käsekrainer?
Hulk: Ne, also wenn du einen Stand aufmachen willst…die Marktlücke wäre gegeben.
Kurt: Es gibt schon ein paar, aber es ist nicht der Real Shit wie in Wien.
Hulk: Dazu noch ein…wie heißt das noch mal? Genau: Sechzehner Blech…

Ihr habt ja über zwei Ecken, nämlich über Olek von der Cool Clique auch Connections zu Wien…
Kurt: Ja genau, mit der Hidden Nation Crew…ja bevor wir Gigs in Wien hatten und noch nicht als Huss&Hodn bekannt waren, haben wir auch ein Mitglied der Hidden Nation Crew mal besucht und so. Ich habe auch einen Cousin der in Wien lebt. Meine Tante lebte lange Zeit in Wien…

Was hat deine Tante in Wien gemacht?
Kurt: Gelebt. Die ist nach dem zweiten Weltkrieg nicht mehr wieder zurück nach Deutschland gegangen, sondern nach Wien. Ursprünglich aus Bremerhaven und dann ist die Familie bisschen in alle Himmelsrichtungen vertrieben worden und sie ist dann später langfristig in Wien gelandet. Sie spricht auch wienerisch.

Also eine jüdische Familie?
Kurt: Ja väterlichseits schon. Also jüdisch unter Anführungszeichen, also keine praktizierenden Juden. Laut Gesetz war ihr Vater Halbjude, wie auch immer man das quantifizieren mag.

Es gibt ja noch einen weiteren Wien-Bezug: ihr hattet früher (Anm.: 2000-2003) eine Mixtape-Reihe namens „Sex sells“. Auf Vol. 6 gibt es einen Falco Skit
Hulk: Wir haben erst heute zufällig darüber gesprochen…
Kurt: Man kennt ja den Sound auch in Deutschland. Und tatsächlich war es so, dass ich im Sportunterricht mit ein paar Freunden eine Tanz Choreographie machen musste. Ich habe dazu einen Musik Mix gemacht und „U can´t touch this“ mit switch off Falco, dann noch Geto Boys und dann noch Organized Konfusion…auf jeden Fall habe ich dann mit meinen Schulfreunden auf Falco getanzt und daher hatte ich den auf dem Schirm. Als wir den Track aufgenommen haben, habe ich das aufgegriffen. Ich bin jetzt aber nicht der übertriebene Falco Fan…

Ihr seid letztes Jahr bei der dritten Auflage vom österreichischen Hip Hop Festival „Am Strom“ aufgetreten. Welche Erinnerungen habt ihr noch daran?
Kurt: Regen.
Hulk: Verdammt viel Regen. Einen kaputten Turntable, also wir hatten dann nur noch einen…
Kurt: …eine recht verpeilte Show.
Hulk: Aber trotz der Angst, so Scheiße ich habe nur einen Turntable, fand ich die Show eigentlich ganz geil.
Kurt: Immo war da…und Aphroe…

Bei eurem Auftritt hast du ja ziemlich viele Texte vergessen…
Kurt: Ich hatte eine schwierige Phase…
Hulk: Kommt vor.
Kurt: Ich habe halt manchmal echt Aussetzer.

Ist es nicht auch so, dass du deine alten Texte ganz einfach nicht mehr bringen willst?
Kurt: Jein. Es gibt ja andere Gigs wo ich sie hinbekomme. Wenn mir das passiert, dann stehe ich aber auf jeden Fall dazu. Für mich geht dann nicht die Welt unter, und ich hoffe für unsere Zuschauer auch nicht. Und wenn es so ist, dann ist es halt so. Wir sind ja niemand, wo ein großes Management dahinter stehen würde…
Hulk: Wir setzen uns ja auch nicht eine Woche davor hin um ein hartes Set einzustudieren, wo dann jeder Move sitzen muss.

Du hast damals bei Kurts Aussetzern aber immer wieder die Augen verdreht…
Hulk: Ja aber nicht im Negativen. Gut manchmal denke ich mir auch: Oh mein Gott was geht jetzt ab?!

Du könntest also den Text?
Hulk: Überhaupt nicht, ich kann mir nicht einmal die Track Namen merken. Letztens meinte ich noch, als wir für das Album Tracks ausgewählt haben, der eine war cool, aber ich weiß jetzt nicht mehr wie der heißt…der war ganz geil. Und dann hieß es natürlich nur: „So geil kann der nicht gewesen sein, wenn du dir den Namen nicht gemerkt hast.“

Bei eurem „Am Strom“-Auftritt, hast du MC Rene imitiert und ihn für sein „Renevolution“-Album von 1995 gefeiert. Sido hat auch in einem Message Interview gemeint, dass MC Rene für ihn ein großer Einfluss war…er war damals so um die 15, ihr so um die 12 Jahre alt…
Kurt: Jünger sogar…95 da war ich so 9, 10 Jahre alt.
Hulk: Als er mit „Renevolution“ auf Tour war, war ich zu meinem sechzehnten Geburtstag bei seinem Konzert in Wuppertal. Die Platte fand ich auf jeden Fall super.

Dieses Jahr hat dann kein „Am Strom“-Festival mehr stattgefunden, worauf würdet ihr das zurückführen?
Kurt: Wir haben die Kunden mit meinen Aussetzern vergrault (Gelächter).

Kamp war einer der Hauptveranstalter des Festivals. Hattet ihr im Vorfeld persönlichen Kontakt?
Kurt: Da hatte ich nicht so viel Kontakt, weil ich ja die Gigs nicht selber organisiere…

Ihr habt also ein Booking-Management?
Kurt: Wir machen das über Entourage-Business. Das wird dann von anderen gemacht und ja…
Hulk: Das ist angenehmer.
Kurt: Wenn viele Gigs anstehen, ist das eine rein organisatorische Frage. Wenn er Bookings macht, ich Bookings mache, dann ist das komplizierter. Wenn die Frau von dem einen zum Beispiel da gerade Geburtstag hat und man kann nicht, hat aber zugesagt und alles Kacke, dann ist es halt besser, wenn man eine Person hat, die das macht. Das hat schon zu Unannehmlichkeiten geführt…
Hulk: Ich konnte mich auch nie damit anfreunden, dass ich jemandem sage was Gage-mäßig halt so ansteht.

Ihr tut euch ja in Geldfragen glaube ich sonst auch eher schwer, oder?
Kurt: Man muss sich erst daran gewöhnen.
Hulk: Wenn ich wo hin komme und der Veranstalter verdient Geld mit der Veranstaltung, möchte ich natürlich auch mein Stück vom Kuchen ab haben. Das hat ja dann auch was mit Fairness zu tun. Manchmal ist es aber schon ein bisschen surreal.

Ihr seid ja eher aus so einem Kinderzimmer Gedanken heraus entstanden habt jahrelang aufgenommen und seid dann irgendwann damit an die Öffentlichkeit gegangen…
Kurt: Ja Entourage ist halt ein Haufen Leute, die gemeinsam Musik machen und Musik lieben. Am Anfang war so der Traum da, seine eigene Platte mal in der Hand halten zu können. Der Noy Riches war mit seiner „Drauf geschissen“-EP von uns der Erste, der das in die Tat umgesetzt hat. Dann haben wir halt alle unser Geld zusammengelegt um die Platte zu machen. Das ist aber auch etwas versickert und hat jetzt nicht direkt jemanden interessiert. Dann hat der Pütz aber auch noch so ein fettes Super 8 Video dazu gedreht, wo wir auch vertreten waren und dadurch sind dann auch ein paar Leute mehr auf uns aufmerksam geworden und wir haben dann auch eine Platte rausgebracht.
Hulk: Am Ende, wenn man dann am Sterbebett liegt, dass man dann wenigstens ein eigene Schallplatte hat. Das ist halt die Romantik, die von uns an den Tag gelegt wird.
Kurt: Die Bedingung war auch, dass wir auf Null kommen und kein Minus machen. Das ist dann halt bisschen mehr geworden und ja cool. Es ist ja auch nicht so, dass wir irgendwelche zusammen gecasteten Arschlöcher wären, von Leuten die keinen Plan haben und so in die Medienlandschaft gestellt werden, sondern wir machen unser Ding selber. Die Aufmerksamkeit die dann drum herum entsteht macht das dann ja zum Produkt. Und dann, weil du meinst wir tun uns schwer mit Geld…dann merkst du: ok, das hat irgendeinen Wert…Dann gibt es zwar Idealisten, die meinen, dass man das nicht mit Geld aufwiegen kann, aber in Wirklichkeit hat ja nichts einen Geldwert, das ist was Konstruiertes und Geld für etwas zu bekommen was ich liebe und andere Leute auch cool finden und ihnen Freude bereitet, teilweise sogar zum Nachdenken anregt…Ich will mir da jetzt auch nicht zu viel auf die Fahne schreiben, aber ich mache lieber mit Musik Geld, als wenn ich im REWE Kisten einsortiere oder so. Wobei ich das jetzt auch nicht herabwürdigen will…

Wie war die Reaktion von euren Freunden, die die „Sex sells“ Tapes mitbekommen haben, auf euren Schritt in die Öffentlichkeit?
Hulk: Da gab es eigentlich keine wirkliche Reaktion. Wir waren ja auch schon mit den Tapes in der Öffentlichkeit. Die meisten haben sich wahrscheinlich gefreut, dass es mal etwas nicht nur auf Tape, sondern auch auf Schallplatte gab, oder auf CD, oder was auch immer…

Inwiefern hat es auf die Tapes tatsächlich Reaktionen gegeben?
Kurt: In Köln sind die ja schon wirklich zirkuliert die Dinger. Und eigentlich ist die Öffentlichkeit ja an uns getreten und das ist ja auch eine sehr spezielle Öffentlichkeit…wenn ich morgens zum Bäcker gehe, kennt mich ja auch keiner. Die Leute aus meinem Bekanntenkreis, die fanden das halt cool. Wir machen einfach unseren Shit…vergessen unsere Texte und trinken Ottakringer.

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Ja, aber ist ja schon eine komische Situation in diesem ganzen Hip Hop Kosmos, in der Juice zum Beispiel neben Bushido zu stehen…
Kurt: Ja aber eigentlich sollten die sich ja komisch vorkommen, nicht wir. Weil wir Hip Hop machen und die Juice ein Hip Hop Magazin ist und so…
Hulk: Die schreiben ja auch nicht mehr so viel über uns.
Kurt: Ich fühle mich nicht komisch in einem Magazin mit Bushido zu sein. Ich glaube eher, dass der sich komisch vorkommen müsste.
Hulk: In Köln releasen die Leute ja auch, die wir kennen. Es kam ja dann eins zum Anderen. Was auch schön an der Musik ist, ist dass man Leute aus anderen Städten kennenlernt, oder auch der eigenen Stadt. Twit One habe ich zum Beispiel auch über´s Internet, damals noch MySpace, kennengelernt. Dabei wohnte er nur vier, fünf Straßen weiter…

Habt ihr euch da gleich gut verstanden?
Twit One: Bei MySpace schon (Gelächter).
Hulk: Als wir uns dann aber persönlich getroffen haben, war alles am Arsch.

Ihr beiden sitzt auf dem Cover eurer gemeinsamen Hi-Hat Club Instrumental-Platte vor einem Haufen 7Inches. Eine die man dabei genau erkennen kann ist Curtis Mayfield mit „If I only were a child again“…wieso gerade die?
Hulk: Wir waren in Twits Haus und haben uns für das Foto-Shootings vorbereitet. Twit hat ein paar Platten ausgesucht, die er gut findet.
Twit: Wenn man genauer hinguckt erkennt man auch noch einige andere meiner Lieblingstunes, wie zum Beispiel die John Gary Williams LP und auch sonst so einiges…
Hulk: Zum Beispiel, dass deine MPC nicht eingesteckt ist…

Das heißt das war alles eher spontan? Auf mich hätte es sehr konzipiert gewirkt…
Twit: Also der Tisch sieht auch sonst wirklich so aus, steht aber sonst an einer anderen Stelle. Wir mussten ihn verschieben, damit Robert Winter das Foto von oben machen konnte. Deswegen ist die MPC auch nicht eingesteckt.
Hulk: Es ist schon ein bisschen gestellt, aber irgendwie dann doch nicht…


In einem Interview habt ihr mal gemeint, dass ihr nicht mehr so viel Zeit für Hip Hop habt…warum?

Hulk: Man hat Familie, ist verheiratet. Ich bin aber immer noch Kind, mache immer noch Kindermusik…

Habt ihr auch Kinder?

Kurt: Ich habe ein Kind…

Ihr seid zwar mittlerweile nur noch an Wochenenden mit Konzerten und Auflegerei unterwegs. Trotzdem: wie geht sich das dann noch aus?
Kurt: Wenn man nur am Wochenende nicht da ist, dann geht das schon. Es ist ja auch nicht jedes Wochenende.
Hulk: Ja und den Rest der Woche heißt es auch arbeiten…Standard. Und nach der Arbeit Hobby.

Das heißt ihr seht Hip Hop als Hobby?
Hulk: Ja.
Kurt: Ja, Hobby. Wir verdienen auch bisschen Geld damit, aber die Motivation ist für mich auf jeden Fall die Selbe geblieben und die Herangehensweise auch. Das selbe Prinzip: wir chillen, machen Beats gemeinsam und nehmen auf…

Du warst ja jetzt ein halbes Jahr in Chile und hast dort gemeinsam mit Brous One eine 7Inch releast, wo du auch ein bisschen auch auf Spanisch rappst…
Kurt: Ich wäre nie auf die Idee gekommen in Deutschland auf Spanisch zu rappen. Das hat sich dort dann so ergeben. Die Idee war, das auch auf Spanisch rüberzubringen, was meine Delivery sonst auf Deutsch in meinen Texten ist. Dann versteht´s dort mein Kumpel, sein Onkel und seine Mama auch und dann können wir gemeinsam darüber lachen. Wenn ich das jetzt live mache, dann ist das so eine Erinnerung für mich mit positiven Gedanken.

In den letzten Monaten sind von euch in verschiedenen Konstellationen insgesamt drei 7Inches rausgekommen. Wieso dieses Format?
Hulk: 7Inches sind einfach zu machen, weil du ja meistens kein Cover hast, und da kannst du einfach so rausballern. Das sind ja auch kleine Auflagen, die sich finanziell dann schnell decken. Das ist auch der Anspruch: Dass man Musik macht und dass dann auch auf Platte rausbringt. Das ist für mich das Wichtigste.

Wenn habt ihr von den alten Helden in Sachen Deutschrap persönlich getroffen?
Kurt: MC Rene habe ich kennengelernt, David P., die Stiebers…

Wie haben die Stiebers auf euch und eure ganzen Reminiszenzen an sie reagiert?
Hulk: Die fanden´s glaube ich ziemlich geil.
Kurt: …sehr entspannt.

Interview: reisenda
Fotos: huss-hodn.de, olek.bandcamp.com, Robert Winter