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Beatshizzle (Jänner 2020) // Beats & Instrumentals

Beatshizzle (Jänner 2020) // Beats & Instrumentals

In dieser Reihe widmen wir uns monatlich den neuen Releases der Beat- und Instrumental-Szene. Das Meer an großartigen Beats wird von Tag zu Tag größer und nur die wenigsten Produzenten erhalten gerechtfertigte Credits. Darüber hinaus gibt es regelmäßige Instrumentalreihen – viele der Projekte gehen allerdings in der Flut an Releases einfach unter und werden nicht mit eigenen Artikeln gewürdigt. Dennoch sind sie relevant genug, um ihnen eine Plattform zu bieten.

Madlib veröffentlichte kürzlich die Instrumental-Version von „Bandana“, seinem zweiten gemeinsamen Album mit Freddie Gibbs. Auch abseits davon gibt es einiges zu berichten – inklusive einiger Leftovers aus dem Dezember, den wir aus zeitlichen Gründen auslassen mussten.

Text: Simon Nowak & Simon Huber

Figub Brazlevič – Kaseta De Ouf

Nicht umsonst ist Figub Brazlevic seit Jahren sowohl für Underground-Kenner, aber auch bekanntere Rapper wie Kollegah gleichermaßen das Aushängeschild für Boombap made in Germany. Bei den zahlreichen Kollaborationen mit verschiedensten Kollegen sowie als Labelchef von Krekpek mit seinen Schützlingen bleibt bisweilen selten Zeit für reine Instrumentalalben. Im Interview mit Vinyl-Digital spricht er auch davon, dass er mit dieser Situation selbst lange Zeit unzufrieden war und sich deshalb wieder mehr auf eigene Projekte fokussieren will. Das Ergebnis dieses Prozesses ist nun „Kaseta de ouf“, eine Sammlung an neu arrangierten Loops, die zum Teil schon länger ungepickt auf der Festplatte lungern, verfeinert mit einigen eigens für das Projekt produzierten Beats, die auf der Kassettenversion noch eher im Ursprungszustand von Beatpete gemixed und für die Digitalversion neu arrangiert wurden.

DJ Buzz & Mono:Massive – Play

Mit DJ Buzz und Mono:Massive zwei Veteranen der österreichischen Beat-Szene für ein gemeinsames Album zusammengeschlossen, das bereits im Dezember erschienen ist. Dass die beiden ihr Handwerk beherrschen, müssen sie längst keinem mehr beweisen. Die LP, erschienen via Urban Waves Records, bietet wohlig-entspannte Boombap-Klänge mit viel 90er-Flavour, Jazz-Vibes und kräftigem Bass. Ohne das Rad neu zu erfinden, heben sich die 16 Tracks dank schön ausgearbeiteter Beatstrukturen rasch von der Massenware ab und sorgen dafür, dass beim Durchrennen die Gedanken nie gänzlich abschweifen.

Packed Rich – Elementals

Zu den größten Beat-Talenten im deutschsprachigen Raum zählt Packed Rich. Obwohl erst 20 Jahre alt, kann der Münchner bereits einiges an Erfahrung vorweisen. Seit seiner frühen Kindheit spielt er Klavier, in den vergangenen Jahren produzierte er mit seiner MPC1000 Tracks, konnte in seiner Heimatstadt Beat-Battles für sich entscheiden und veröffentlichte mehrere EPs. Darunter „Kizuna“ und „Sanctuary“ mit der Sängerin Jessica Pham. Mit „Elementalz“ ist im Jänner sein erster Longplayer über das Berliner Beat-Label Block Opera erschienen. Dem Titel entsprechend lässt Packed Rich darauf diverse Einflüsse verschmelzen. Er sorgt für satte, zugleich verspielte Instrumental-Klänge, die sich irgendwo zwischen Hip-House, wonky Dilla-/L.A.-Grooves und Improvisations-Sequenzen einfinden. Durchwegs fein produziert, sorgt Packed Rich für ein gelungenes Debütalbum, mit dem er sein ausgeprägtes musikalisches Gespür unterstreicht.

Arms And Sleepers – Safe Area Earth

Seit 2006 aktiv, ist die Diskografie des Produzenten-Duos Arms And Sleepers mit acht Longplayern bereits üppig befüllt. 2020 sollen ganze drei Alben und drei EPs dazukommen, wie Mirza Ramzic und Max Lewis kürzlich angekündigt haben. Dabei soll jedes Release eine Facette des menschlichen Lebens aufgreifen. Den Start machte im Jänner „Safe Area Earth“. Arms And Sleepers erinnern mit melancholischem und eingängigen Downtempo-/Ambient-Sound an ihre frühen Werke. Auch diesmal bringen sie die bedrückte Atmosphäre gut rüber, was neben den 18 Instrumentals auch für das schwere „Leon“ mit stimmlicher Unterstützung von Sofia Insua gilt. Wenig verwunderlich, denn konzeptuell ist der Start der Release-Reihe schwer aufgeladen und mit viel Weltschmerz bestückt. Mirza Ramzic möchte dabei seine Kindheit als bosnischer Flüchtling aufarbeiten. So ist der Titel eine Anspielung auf die ineffektiven UN-Schutzzonen im Jugoslawienkrieg Anfang der 1990er-Jahre – eine Zeit, die sein Denken nachhaltig geprägt hat: “The Earth is a place that could – and  should – be safe for all, but depending on the pure chance of one’s place of birth, the personal relationship with the planet alters dramatically“.

 SicknessMP – & the Genius Men

Das neue Album von SicknessMP, erschienen über POSTPARTUM., ist, wie der Name schon vermuten lässt, eine Kollaboration mit einem Querschnitt der hiesigen Boombap-Szene. Jeder Track featurt einen anderen Produzenten aus dem erweiterten PPT-Umfeld, die SicknessMP zu seinen Favoriten, Vorbildern und bisweilen auch Freunden zählt. So trägt jeder Track auch die individuelle Handschrift der Feature-Produzenten und ergibt ein abwechslungsreiches Album mit klassischen Kopfnickern, aber auch melodischen Samples. Besonders „Vienna at Night“ mit SterilOne wird den Wienern gefallen, aber allgemein gibt es keinen Track, der aus dem herausragenden Sound negativ herausstechen würde. Außerdem hat PPT in den vergangenen Wochen ihre Reihe „PPT-DS“ um Beiträge von unter anderem Damaa, Franz Branntwein oder Funkonami erweitert.

Buckwild – Abandoned Beats Vol. 1

Neben Leuten wie Pete Rock, DJ Premier sowie seinen D.I.T.C.-Kollegen zählt Buckwild unbestritten zu den namhaftesten New Yorker Produzenten. Seit 1994 versorgt er mit einer einfachen, aber effektiven Grundformel diverse Rapper mit Beats: Mustergültiges Sampling, klare Soundstrukturen und teils besonders punchige Drums. Mit der Kombination sorgt er für reichlich Kopfnicker-Potenzial – manchmal aber auch für gar generisch anmutende Klänge. Zuletzt orientierte sich Buckwild mit Produktionen für Meyhem Lauren und Pounds, mit dem er im Dezember das Album „Trafficante“ herausgebracht hat, am florierenden Neo-New-York-Sound à la Griselda. Außerdem liegen noch jede Menge bisher unveröffentlichte Produktionen aus den vergangenen Jahrzehnten auf seiner Festplatte herum. Wie der Start der „Abandoned Beats“-Reihe zeigt, düfte Buckwild nun einiges an alter B-Ware verwerten. Wann genau Buckwild die 19 Beats der ersten Ausgabe produziert hat, ist unklar, ein starker 90er-Charakter ist jedenfalls vorhanden.

Testiculo Y Uno – Two

Oops, they did it again: Der Einfluss, den Hulk Hodn und Twit One mit ihrem Erstlingswerk und gleichzeitigen Start der „Hi-Hat-Club“-Serie 2009 auf die Instrumentalszene hatten, lässt sich heute nicht mehr leugnen. Gute zehn Jahre später folgt mit „Two“ die Fortsetzung unter ihrem gemeinsamen Namen Testiculo Y Uno. Wie üblich unterteilt sich die Platte in zwei Hälften mit je zehn bzw. zwölf Beats der Produzenten und wie es sich gehört, ist auch Robert Winter, der schon für die „Hi-Hat-Club“-Cover zuständig war und erst kürzlich ein Buch mit Fotografien aus den vergangenen zehn Jahren Beatgeschichte in Deutschland veröffentlicht hat, am Artwork beteiligt.

Oskar Hahn & Frank Schöpke – Vater & Sohn 2

Oops, they did it auch again: Nach dem vielgefeierten Kollaboalbum von Produzenten Oskar Hahn mit seinem Vater Frank Schöpke, seines Zeichens Jazz-Saxofonist, erschien im Dezember der Nachfolger „Vater & Sohn 2“. Da die Dezember-Ausgabe ausgefallen ist, das Release aber nicht unerwähnt bleiben sollte, wird es ausnahmsweise hier noch mit ausgenommen. Ein spannendes Projekt, das alt und jung, modern und klassisch, Jazz und HipHop auf die authentischste Weise verkörpert, wie es nur möglich ist.

Gnome Beats – Las Formas en Flujo

Lebhafter elektronischer Sound mit hypnotisch anmutenden Melodien, die sich schwer einordnen lassen – Gnome Beats‚ zweites Album „Las Formas En Flujo“ ist wunderbar ausproduziert und zieht einen schnell in den Bann. Über einen Zeitraum von zweieinhalb Jahren aufgenommen, ist den überwiegend instrumentalen Tracks das lange Tüfteln am Sound anzuhören. Bereits in seiner Zeit als Musiktheorie-Student hat sich der Kalifornier mit diversen Genres und traditioneller Musik aus aller Welt auseinandergesetzt. Dieser Background ist auch in die Arbeiten zum Album eingeflossen, die ihm zunächst als Ausflucht aus dem damaligen Vollzeit-Job als Bauhandwerker dienten. Für die Aufnahmen hat sich der kalifornische Flamenco-Gitarrist und Produzent intensiv mit zentralamerikanischen Musikstilen beschäftigt, deren Soundstrukturen in die neuen Tracks geflossen sind – leider gibt die Album-Beschreibung keinen detaillierteren Einblick in die Inspirationsquellen. Während der Aufnahmen ist er jedenfalls viel zwischen Los Angeles, der Mojave-Wüste und Nationalparks herumgekommen und hat in diversen Studios aufgenommen. Zwischendrin ist sein Wohnhaus einem Waldbrand zum Opfer gefallen und sein zweites Kind auf die Welt gekommen. Das hört sich mal nach einem spannenden Leben an.   

Lidly – Gris

Lidly ist ein japanischer Produzent, der hierzulande bereits durch diverse Kollaborationen mit dem Sichtexot-Umfeld Aufmerksamkeit erregen konnte. Sein drittes Album „Gris“ sollte ursprünglich eine Playlist für den Frisörsalon eines Freundes werden, glücklicherweise wurde es aber dann doch noch mit der Allgemeinheit geteilt und eine Vinyl-Pressung über Urban Waves Records befindet sich gerade im Crowdfunding.

Sarah, The Illstrumentalist – Discover The World, Vol. 1

Entspannter Boombap-Sound, nach Städten benannte Tracks – wer sich experimentelle Instrumentalklänge erwartet, wird bei Sarah, the Illstrumentalist definitiv nicht fündig. In dieser Hinsicht erfüllt die Produzentin aus North Carolina mit „Discover the World, Vol. 1“ jedes 0815-Beattape-Klischee. Der Start der Reihe bietet grundsolide, schnörkellose Produktionen – wobei streckenweise der jeweiligen Region zuordenbare Sample-Klänge eingebaut sind – und eignet sich damit gut zum nebenbei Hören. Nicht mehr und nicht weniger.

Dezi-Belle Records

Drei Alben erschienen im Dezember und Januar über Dezi-Belle Records. Während sich upper class auf „Smoke Sesh in Low Res“ dem grünen Gold widmet, zieht es High John auf „Astro Travelling“ ins Weltall und in elektronischere Gefilde. twuan hingegen lässt auf „Restless Nights“ ebenjene Revue passieren und Samples knistern, wie man es in Zeiten von glattgebügeltem Sound selten hört.

Tru Comers – EXPEDITion Vol. 25: Heartbreakahz

Die „EXPEDITion“-Reihe hat von Anfang an einen Stammplatz in dieser Rubrik. Nach dreimonatiger Abstinenz erschien mit „Heartbreakahz“ der Tru Comers endlich der mittlerweile 25. Teil der Reihe, die für gewöhnlich immer in Zweier-Packs veröffentlicht wurde. Das für ihr Label Comin Tru Records bekannte Schweizer Duo, bestehend aus Sperrow und X-Pert, überzeugt mit klassischem Boombap-Flavor, der sich besonders durch absurde Trompeten-Samples wie in „Outta Jungle“ von der Masse abhebt.

Depf – Dreams

Zugegeben, das Album ist mir nur wegen des aus österreichischer Sicht etwas ulkig wirkenden Namen aufgefallen. Deshalb bin ich auch kurz davor, es aus Prinzip gleich auf Tape zu bestellen und ihm einen Ehrenplatz im meinem Regal zu widmen. Sobald die Vinyl kommt, ein absoluter Pflichtkauf. Unabhängig davon ist „Dreams“ von Depf (lol) aber auch ein weiteres chilliges Album aus dem Hause Village Live und hält, was der (Album-)Name verspricht, nämlich verträumte Instrumentalskizzen, die hie und da gerne etwas länger ausproduziert sein hätten können.

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