Auf der „A Go Go“ hatte John Scofield seinerzeit das Heft noch fest in der Hand und schaffte es sich wieder in den kleinen Olymp der Jazz-Welt zurück zu spielen, nicht zuletzt dank eines jungen New Yorker Trios, dessen Bekanntheit und Anhängerschaft ebenfalls eine bedeutende Steigerung erfuhr. Ein Jahrzehnt später schaut die Sache schon ein bisschen anders aus. Medeski Martin & Wood haben sich längst etabliert, ihren Sound naturgemäß weiterentwickelt, fünf gute Alben auf Blue Note herausgebracht, die Welt mehrmals betourt. Ebenso Scofield der sich nach neuen Möglichkeiten umsah und immer mehr in den Funk hineinzukippen begann, an den Erfolg mit MMW jedoch nicht mehr anknüpfen konnte. Auf „Out Louder“ kreuzen sich die Wege abermals, doch eine zweite A Go Go zu erwarten ist relativ sinnlos, zehn Jahre sind eine lange Zeit. Trotzdem erlaubten sich die vier, die jetzt übrigens Medeski Scofield Martin & Wood heißen, einen kleinen Streich (oder vielleicht Statement) gleich zu Beginn.
Eröffnungstrack „Little Water Rides Again“ steigt nämlich vermeintlich dort ein, wo man 1997 stehen blieb, funky Drum Intro, erdige Orgel, für Scofieldsche Verhältnisse cleane Gitarre. Falsch gedacht, die Nummer ist die stilistische Ausnahme der Platte, was folgt klingt schon ein bisschen aktueller, mit der Erwartungshaltung wird also ganz bewusst gespielt.
An diesem Punkt scheiden sich vielleicht die Geister der MMW Fangemeinschaft, denn Out Louder ist eigentlich die Fortführung von „End of the World Party“ , trägt also eindeutig eher die Handschrift des Trios. Manche werden aber die Mischung aus funky Groove, grob bis gröbstem Sound und verstörend poppigen Melodien, die „Uninvisible noch prägten, vermissen. Zwar hatten die Drei immer schon einen Hang zu den spacy Atmo-Collagen, aber auch eine gewisse Bodenständigkeit, die Spannung erzeugte und für ihre Musik so charakteristisch geworden ist. Trotz eben leichter Verwässerungen hat „Out Louder“ aber einiges zu bieten, es sind immerhin noch dieselben Typen am Werk. Scofield tut sich zwar hörbar ein wenig schwer mit den Freaks mitzuhalten, setzt aber zuweilen solistische Höhepunkte, die sich gewaschen haben, denn mal ehrlich, ganz normal ist der auch nicht.
Die zweite CD des Doppel-Albums besteht aus Live-Mitschnitten und ich hätte mir den letzten Absatz eigentlich sparen können, denn die ersten drei Tracks burnen alles und das gilt nicht nur für die bisher vielleicht beste Live-Aufnahme von A Go Go, die den Reigen passenderweise eröffnen darf. Der Vibe ist der alte und Scofield plötzlich wieder der Geilste weit und breit, trotz, oder auch wegen des fetten Chorus-Effekts (um Himmels Willen!). Der unwiderlegbare Beweis dafür, wie gut MSMW ihr Repertoire Live umsetzen und dabei nicht selten ihre Studioarbeit übertreffen. Davon kann man sich bald auch erstmals in Wien überzeugen (sollten sie guter Laune sein, wohlgemerkt). – moe
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