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„Ich muss über jede Beleidigung lachen können“ // Johnny Messer Interview

„Ich muss über jede Beleidigung lachen können“ // Johnny Messer Interview

Auf „Halbgott“ stellt Johnny Messer die Selbstbeweihräucherung in den Mittelpunkt. Bespickt mit mythologischen Vergleichen, hebt sich das zweite Soloalbum des Innsbrucker Rappers vom Vorgänger „Vorstadtcasanova“ ab. Den Punchlines und der Beleidigungskultur hat Johnny Messer aber keineswegs den Rücken gekehrt. Als Basis dienen Sample-Beats seines Stammproduzenten Hoes’n’PZA. Im Interview erzählt Johnny Messer, warum er sich kein Blatt vor den Mund nimmt, was ihn oft an politischem Rap stört, was er von Nudes hält und welche Kunstform er mehr als Rap konsumiert.

The Message: Dein Album „Halbgott“ hat einige Mythologie-Referenzen. Welche Rolle spielt diese Welt für dich?
Griechische Mythologie hat mich als Kind schon sehr interessiert. Meine Mama hat mir eine CD oder Kassette mit griechischen Sagen zum Einschlafen geschenkt. Die habe ich oft gehört. Später habe ich „Assassin’s Creed Odyssey“ gespielt, da ist es neu aufgeflammt. Ich finde die Storys schön und es reizt mich, darüber zu schreiben.

Wie hat es angefangen?
Mit „Heaven“. Das sollte eigentlich eine Single werden. Dann hat es mir Spaß gemacht und ich habe die Vergleiche geschrieben. Ich habe auch viel Rap gehört, der nicht dissmäßig war, sondern eher „Alter, ich bin der Geilste“. Extrem arrogante Sachen finde ich teilweise viel witziger als harte Beleidigungen. Man kann in beide Richtungen kreativ arbeiten, egal ob man jemanden schlechtmacht oder sich selbst in den Himmel lobt. Bei „Vorstadtcasanova“ war es noch klassischer Battlerap. Ich will nichts doppelt machen, weil es mich langweilt. Ich werde auch kein zweites Album wie „Halbgott“ machen.

Das Kneipenrap-Selbstverständnis zieht sich aber durch. Glaubst du, du wächst da mal raus?
Vielleicht. Der Kern bleibt bestehen, aber vielleicht schaue ich andere Sachen an. Aus dem grundsätzlichen Johnny-Messer-Ding komme ich nicht raus. Das bin ich auch. Ich habe vor Kurzem eine Unterhaltung mit jemandem gehabt, der interviewt worden ist und meinte, dass er davor nervös ist. Ich glaube, wenn man nichts vorspielen muss, muss man nur auf die Fragen antworten, die gestellt werden. Deswegen brauche ich nicht nervös sein. Ich muss nicht überlegen, was meine Kunstperson darüber denken würde. Ich kann einfach sagen, was los ist. Ich kann Sachen sagen, die ich im Job nicht sagen kann. Es ist viel davon echt, aber natürlich auch viel überspitzt. Ich nehme zum Beispiel kein Heroin. Man muss schon bisschen rauslesen, was übertrieben ist und was nicht. Ich hoffe zumindest, dass die meisten Leute verstehen, was stimmt und was nicht.

Daheim im Olympischen Dorf Innsbruck. Fotos: Raphael Larch

Was ist für die Hauptinspiration für deine Punchlines?
Wenn ich Sachen höre, die jemand sagt, wandelt das mein Hirn gern in die falsche Richtung. Das wird oft zu einer Punchline. Aber ich kann es mir selbst nicht genau erklären. Das macht die Schaffenspausen und Schreibblockaden noch unüberwindbarer, weil ich nicht weiß, wie ich anfangen soll. Es sind Gedankenblitze, die rauskommen. Es hilft, wenn ich mich in einem Umfeld bewege, das witzig-aggressiv ist – zum Beispiel, wenn ich viel mit den Jungs oder mit anderen Rappern rumhänge. Diese Stimmung braucht es für mich. Wenn ich Wellnessen bin, fallen mir eher keine Punchlines ein. Es muss dreckig sein. Spilif hat mal gesagt, dass Rap Schreibtischarbeit ist. Ich sehe ihren Punkt. Die Muse kommt nicht einfach, man muss sich schon mal hinhocken. Aber ich kann mich nicht hinhocken und davon ausgehen, dass was Gutes daherkommt.

Ist es trotzdem auch ein Zwingen?
Nein, ich zwinge mich nicht. Ich arbeite 42 Stunden pro Woche, manchmal mehr, selten weniger. Damit ich meine Musik finanzieren kann. Das, was mir am meisten Spaß macht im Leben. Ich will nicht, dass es ein Kampf wird. Ich arbeite, damit ich in meiner Musik sagen kann, was ich will. Mein Lebensunterhalt ist finanziert. Je mehr Leute zum Konzert kommen, desto geiler. Aber ich möchte nicht, dass meine Existenz dranhängt.

Wie stumpf darf eine Line von dir sein? Was ist der Selbstanspruch?
Ich muss über jede Beleidigung lachen können. Der Witz muss besser sein als die Beleidigung, sonst wird es stumpf. In meinem Verständnis war es nie so aggressiv, dass ich nicht drüber lachen konnte. Aber ich bin nach dem „Kuschelrap´89“-Album mit Sergio Cojones auf Social Media viel angefeindet worden. Ich war oft in der Diskussion, was Rap darf und was nicht.

„Ich muss nicht überlegen, was meine Kunstperson darüber denken würde“

Haben sich Standpunkte verschoben?
Nein. Ich bin mit Battlerap aufgewachsen und für mich ist Battlerap wie ein Boxring. Wenn ich auf die Straße gehe und wem in die Goschen haue, ist das nicht in Ordnung. Wenn ich mich aber mit dem zum Boxen treffe und das mache, dann ist es das, für das wir da sind. Und das ist Battlerap. Es ist ein Sport. Das verstehen viele Leute nicht. Deswegen „Beleidigungskultur“. Es hat einen tieferen Sinn dahinter – die Kunst, jemanden zu beleidigen. Ich würde nie eine Person, die außerhalb des Rapdings ist, so beleidigen. Einen Kickl vielleicht, aber das würde ich auch nicht machen, weil es schnell cheesy wird. Ich beleidige generell keine Einzelpersonen, sondern eher was Breiteres.

War auch ein bisschen gewollte Provokation bei „Kuschelrap‘89“ dabei?
Vielleicht im zweiten Gedanken. Am Anfang war es nur die Freude, gemeinsam Musik zu machen. Provokation war bei CAF sowieso immer wichtig, weil wir so sozialisiert sind.

Euer Crewlogo mit dem roten Stern und der Waffe ist von der RAF abgekupfert. Das habt ihr schon seit einigen Jahren. Was war der Gedanke?
Die Namensgebung von CAF, Classy As Fuck, war genauso wie bei unseren Rappernamen, wir haben uns einfach blöde Namen ausgedacht. Der Gedanke mit CAF – RAF ist uns erst später gekommen. Es war nicht von Anfang an assoziiert. Wir haben uns gedacht: Linker Sound, bisschen provokativ, das Logo schaut schön aus (lacht). Man muss natürlich teilweise verurteilen, was sie gemacht haben. Ich sehe mich nicht als linksextrem – aber lieber linksextrem als rechts normal.

Bist du in Innsbrucks Szene vernetzt?
Ich habe Kontakte zur ALI-Partei, der Alternativen Liste Innsbruck. Die hat nichts mit der AfD zu tun, geht eher in die andere Richtung. Ich halte viel von Mesut (Mesut Onay, Spitzenkandidat, Anm.). Ich habe auch Links zur KPÖ.

Wie wichtig ist dir das politische Element in der Musik?
Ich wollte es nie machen. Das erste politische Lied, das ich geschrieben habe, war „Hasse diese Tracks“. Es heißt so, weil ich dieses Preacher-Ding bei politischen Tracks immer gehasst habe. Ich habe mir oft gedacht: „Bruder, du bist Rapper. Du hast keine Ahnung, halt die Goschen“. Ich finde es schwierig, etwas Politisches zu sagen, ohne dass es schleimig rüberkommt. Das habe ich mit dem Track versucht – mit „Heaven“ auch wieder.

„Hasse diese Tracks“ war ein Rant. Ist „Heaven“ nicht viel subtiler?
Sicher. Wie gesagt, ich kann mit dem Preacher-Ding nichts anfangen. Aktiv habe ich das mal bei einer Kundgebung Landhausplatz nach „Vorstadtcasanova“ gesehen. Ich habe zu jungen Männern geredet und gewusst, dass gleich Applaus folgt. Die Stimmung war gerade so. Ich habe gesagt: „Egal wie sich eine Frau anzieht, es gibt euch nicht das Recht, sie anzutatschen.“ Dann kam Applaus. Als nächstes habe ich gesagt: „Hört’s auf, Sachen, die normal sind, zu beklatschen, wenn sie jemand sagt. Wir sind nicht auf Twitter.“ Ich kann mich hinstellen und sagen, dass ich gegen Krieg bin. Die Leute würden applaudieren. Ja, wer ist nicht gegen Krieg? Ich finde es traurig, dass man für so Selbstverständliches Applaus kriegt.

„Heaven“ startet mit einer Suizidszene. Was ist der Hintergrund?
In Innsbruck steht auf einem Graffiti „No Border, No Nation“. Ich bin dafür, aber die Forderung ist extrem unrealistisch, weil die Wirtschaft und alle möglichen Sachen so verknüpft sind. Wir kommen da nicht mehr raus. Es ist darauf bezogen, dass die Welt, in der wir leben, nicht mehr so sein wird, wie wir sie uns in einer Utopie vorstellen. Ich glaube nicht ans Jenseits, sondern dass wir nach dem Tod genauso weg sind wie vor unserem Leben. Wir sind als Menschheit nicht so besonders. In der Mythologie ist es so, dass wir erst danach die wunderbare Welt aufbauen können, wie wir sie uns vorstellen. Ich kann das Buch „Im Grunde gut“ von Rudger Bregmann empfehlen. Eine Passage hat mich fasziniert. „Was wäre passiert, wenn die Leute die Person, die als erstes ein Stück Land eingezäunt hat und gesagt hat, dass es ihres ihr gehört, ausgelacht hätten? Wie hätte sich unsere Welt anders entwickelt, wenn sie das nicht hingenommen hätten oder Besitz von Land einfach nicht geschehen wäre? Wir sind so verstrickt, dass es mittlerweile eine Katastrophe wäre, Grenzen aufzulösen. Wir kriegen ja nicht einmal eine gemeinsame Krankenkasse hin. Das ist das Problem in der Gemeinschaft. Kommunen funktionieren, weil alle Leute, die in der Kommune sind, da sein wollen. Kommunismus funktioniert nicht, weil auch Leute drin sind, die nicht im Kommunismus sein wollen und es ausnutzen.

Du hast davor einen Auftritt erwähnt. Sind Liveshows das Beste am Rappen?
Ich hasse den ganzen Prozess, bis das Album fertig ist. Ich bin nicht gern im Studio und mag das Schreiben nicht. Ich mag nichts davon, außer es live zu performen.

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Ist es dir wichtiger, dass Leute deinen Live-Shows feiern als dein Album?
Ja. Wenn mein Album auf Spotify drei Klicks hat, aber auf meinem Konzert sind 400 Leute, die es voll feiern, ist mir das viel lieber als eine Million Klicks auf Spotify. Ich spiele überall gern, wo die Crowd es feiert. Egal wie überheblich ich rüberkomme – man ist als Künstler trotzdem ein Crowdpleaser.

„Leute, die sich ernst nehmen, sind für mich die größten Psychos“

Aufgrund des Unterhaltungswerts es ist schwer vorstellbar, dass du dich beim Schreiben der „Halbgott“-Lines gequält hast. Bei welchen hast du am meisten lachen müssen?
„Johnny ist ne eine Mischung aus Dionysos und Amor, dich schlugen sie in der Schule, mich schlugen sie in Marmor“ ist meine Lieblingsline des Albums. „Du würdest mich gern ficken, doch mein Rap demontiert die Libido, deine Mom supportet dich und twerkt in deinem Video.“ Weil ich die Vorstellung, dass eine Mutter bei ihrem Sohn im Video twerkt, extrem witzig finde. Und „Frauen schicken Nudes, doch sie wollen es nicht kapieren, ich bin nur interessiert an schönen Bildern von mir.“ Die hat sogar einen wahren Hintergrund (lacht).

Also bitte, hau raus.
Ich mag keine Nudes bekommen. Nude-Bilder sind für mich nicht attraktiv.

Interessant, das von der Seite zu betrachten. Gefühlt betrifft dieses Phänomen zu 99,9 Prozent Frauen, die ungefragt Nudes von Männern geschickt bekommen.
Ja, voll. Wenn ich das bekomme, frage ich mich, wie das Bild entstanden ist. Die Situation, in der das Bild entstanden ist, ist nicht sexy. Sie ist nackt, macht ein Foto, schaut den Winkel an und probiert es, bis es passt. Ich sehe dann die Situation. Das macht das Nude ein bisschen lächerlich. Ich habe sowieso noch nie verstanden, warum Typen Dickpics machen. Nudes von Frauen sind denke ich meistens ein bisschen geschmackvoller, aber ich verstehe sie auch nicht. Ein Nude ist eine Aufforderung für ein Kompliment. Du kannst ja nichts anderes zurückschicken. Es ist voll okay, schöne Bilder zu kriegen. Ich finde das stilvoller. Ich werde in meinem Leben nie ein Dickpic oder ein Nacktbild von mir verschicken. Es ist so lächerlich und ich weiß ganz genau, dass es nichts bezweckt.

Wie sehr achtet Johnny Messer auf einen stilvollen Umgang mit Frauen?
Sehr. Ich habe es zum Beispiel nie mögen, besoffen mit jemandem heimzugehen. Es ist meistens scheiße und du weißt nicht, ob du sie magst. Das Nuttending wird oft für Frauen hergenommen, aber es ist bei Männern das gleiche. Falls ein junger Typ den Artikel liest, kann ich als Pro Tipp sagen: Wenn du mit deinen Jungs saufen gehst und ein Mädel triffst, das dir gefällt, tauscht lieber Nummern aus, verabredet euch auf einen Kaffee und schaut, ob ihr euch wirklich mögt. An dem Abend kannst du mit deinen Jungs noch weiter saufen. Und ehrlich. Wenn du mit zwei Promille heimkommst, bist du jetzt nicht gerade auf deinem Toplevel. Es gibt ein geiles Bit von Felix Lobrecht über One Night Stands. Da geht es genau um das Thema.

Konsumierst du viel Comedy?
Ich liebe Standup-Comedy ohne viel Schnickschnack – Stuhl, Mikrofon, Pointen. Ich bin mit Dave Chapelle aufgewachsen und habe so Englisch gelernt. Ich feiere auch Ricky Gervais, Bill Burr, Felix Lobrecht und Kinan Al. Ich würde sogar sagen, dass ich mehr Standup-Comedy als Musik konsumiere. Es macht Spaß. Bert Kreischer verstehe ich nicht. Das ist ein oberkörperfreier, fetter Alkoholiker, der betrunkene Stories erzählt. Ich finde ihn nicht lustig, aber er ist einer der erfolgreichsten Comedians weltweit. Ich finde auch die alte deutsche Comedy-Szene unlustig. Buzzword-Comedy mit Themen, die jeder durchgekaut hat, ist langweilig. Kunst sollte immer was Neues machen. Ich verstehe auch nicht den künstlerischen Anspruch von Leuten, die Playback-Shows spielen oder sich die Texte schreiben lassen.

Fällt es dir manchmal schwer, dich selbst ernst zu nehmen?
Ich nehme mich nie ernst. Leute, die sich ernst nehmen, sind für mich die größten Psychos. Du kannst nicht lächerlicher sein, als wenn du dich so ernst nimmst. Deine Prinzipien nicht vergessen, dir nichts gefallen lassen und dir nicht auf den Kopf scheißen lassen ist ja was anderes.