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Trettmann ein musikalischer Gewinner, aber moralischer Verlierer? // Videos

Trettmann ein musikalischer Gewinner, aber moralischer Verlierer? // Videos

Trettmann in roter Beleuchtung vor schwarzem Hintergrund
Foto: Daniel Shaked

Trettmann befindet sich auf einer schwierigen Mission, die in Musikkreisen normalerweise als das „schwierige zweite Album“ bekannt ist. Bei Trettmann stimmt das nicht ganz, hat er mit „#DIY“ (2017) schon seinen Zweitling veröffentlicht. Da sein Debüt „Tanz auf dem Vulkan“ (2013) damals unterging, fühlt sich „#DIY“ aber wie sein erstes Werk an. Weil er mit diesem Album seinen Durchbruch schaffte: Für „#DIY“ erntete Trettmann euphorische Kritiken, bekam viel Liebe von den „Ich höre eigentlich nur Tocotronic“-Bobos und feierte kommerzielle Erfolge. Ob Trettmann das Ganze auf seinem selbstbetitelten dritten Album noch einmal wiederholen oder gar toppen kann? Schwer vorstellbar. Aber bei Trettmann sollte man mit Prognosen besser vorsichtig sein. Das zeigt schließlich seine Karriere.

Für den „#DIY“-Nachfolger baut Trettmann wieder auf das Berliner Produzenten-Trio Kitschkrieg. Eine logische wie gute Entscheidung. Nach den bereits live vorgestellten Songs „Bye Bye aka Delicious“ und „Stolpersteine“ zeigt das auch die erste Video-Single „Intro“. Hier ist die Dancehall-EDM-Mischung von Kitschkrieg eine perfekte Vorlage für Trettmann, um seine Karriere mit Zeilen wie „Seit über drei Dekaden/Pumpe Future in meinem Wagen/Immer weiter, seh kein Ende/45 und ich trende“ ein wenig Revue passieren zu lassen. Für Trettmann gilt: „Ja, es hat funktioniert“, um hier RAF Camora zu zitieren, der im Track „Alles probiert“ ein ähnlich zufriedenes Fazit über seinen steinigen Karriereweg zieht.

Nicht unwesentlich für den steilen Aufstieg Trettmanns ist die Verbindung zur 187Strassenbande. Die mischen auch auf dem neuen Album mit: So ist 187Strassenbande-Oberhaupt Bonez MC auf dem Album zu hören, sampelten Kitschkrieg für „Du weißt“ sein charakteristisches „Du weißt“ aus dem Track „Pusher“. Das ist allerdings nur eine Nebensächlichkeit, weil auf dem Track sein 187-Kollege die ganze Aufmerksamkeit auf sich zieht. Nach den viel gelobten Tracks „Knöcheltief“ „Nur mit den Echten“ und „Standard“ ist „Du weißt“ eine weitere Kollabo von Trettmann mit GZUZ.

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Eine Zusammenarbeit, die nach den jüngsten Splash!-Festival-Enthüllungen des Jugendkultur-Onlinemagazins VICE ganz bitter schmeckt, unabhängig von der Qualität des Tracks. Ernüchternd fallen die Publikumsreaktionen aus. Zwar erntet Trettmann einige Kritik, die vornehmlich aus der Twitter-Blase stammt. Die ist jedoch nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. Repräsentativer das Kommentarfeld auf YouTube, wo sich ein ganz anderes Bild abzeichnet. Die Reaktionen zu „Du weißt“ sind ein weiterer Beleg für die These, dass man als Rapper bei großen Teilen des Deutschrap-Publikums Narrenfreiheit hat, solange die Parts stimmen. Und die stimmen bei GZUZ. Sein Part zu „Du weißt“, in dem er sich primär für seine Ignoranz gegenüber den Medien abfeiert, ist davon keine Ausnahme. Der Song wird wahrscheinlich ein Erfolg, moralisch geht Trettmann mit dieser Zusammenarbeit als Verlierer hervor. Das macht seine schwierige Mission, auf der er mit Featuregast KeKe Unterstützung aus Österreich bekommt, nicht einfacher. „Trettmann“ erscheint am 13. September 2019.