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Yasmo & die Klangkantine: Hochs und Tiefs zwischen den Stilen // Review

Yasmo & die Klangkantine: Hochs und Tiefs zwischen den Stilen // Review

yasmocover
ink music // VÖ: 6. Jänner 2017

Yasmo & die Klangkantine, eine Kombination, die Menschen in Wien und Umgebung in den vergangenen Monaten bereits live kennen lernen durften, haben zum Start des neuen Jahres ihr Debütalbum releast. Wie bei Erstlingen durchaus üblich, trägt das Werk den Namen seiner Erzeuger und heißt schlicht und ergreifend „Yasmo & die Klankantine“. Eine Reduktion auf das Wesentliche, die sich auch auf dem Cover widerspiegelt. Der Livesound der Band speist sich vor allem aus dem brassigen Big-Band-Charakter der Klangkantine und der sympathischen Bühnenpräsenz von Tausendsassa Yasmo, zwischen Spoken Word, Poetry und Rap. Dies kann getrost als zentrale Qualität der Gruppe genannt werden. Umso interessanter also, wie gut sich dieses Konzept aufs Studio übertragen lässt.

Yasmo & die Klangkantine startet direkt mit Schwung und dem Intro „YKK“, welches zu erklären versucht, warum die Kollaboration Sinn macht und dass es Zeit für ein gemeinsames Album wird. Schnell wird bewusst, dass offensichtlich ausreichend an Ressourcen investiert wurde, um den Sound der Band auch auf Band gebührend festzuhalten. Alles sauber gemischt und gut aufeinander abgestimmt. Die Drums könnten etwas mehr Platz bekommen, was allerdings Geschmackssache ist. Zudem kommt, dass die Band wohl ganz bewusst aus dem klassischen HipHop-Klangbild ausbrechen will. Yasmos Stimme dagegen  ist sehr hoch gemischt, was wohl nicht zuletzt der Verständlichkeit dienen soll, die instrumentale Begleitung allerdings etwas zu sehr in den Hintergrund drängt.

Mit den folgenden Nummern wird eines sehr schnell klar: Wer sich einen Rap-typischen Flow wünscht, der auf Takt und Melodie des Instrumentals eingeht, ist mit diesem Album eher schlecht beraten. Vielmehr serviert Yasmo Spoken Word und Slam-Poetry an der unscharfen Grenze zum Rap. Auffällig ist hierbei, wie sich die Instrumentals an die Künstlerin anpassen. Nicht umgekehrt. Bemerkbar macht sich dies etwa durch die in regelmäßigen Abständen gesetzten Breaks, die allerdings nicht den Flow von Yasmos Rap, sondern vielmehr dessen Aussage highlighten sollen. Was dem „typischen“ HipHop-Hörer vielleicht Schwierigkeiten bereiten, für Freunde der Slam-Poetry und ähnlichen Formaten durchaus die Brücke zur musikalischen Umsetzung solcher Textsorten schlagen kann.

Inhaltlich und thematisch variieren die Nummern in punkto Qualität stark. Wenn etwa bei „Weit Weit Weg“ ein ziemlich ausgelutschtes Thema auf eine sehr einfache Umsetzung des selbigen trifft, steht dies im krassen Gegensatz zu „Phoenix“, wo sich Yasmo mit starken Worten und intensiver musikalischer Untermalung aus dem Käfig einer unglücklichen Beziehung befreit, oder zumindest den ersten Schritt dazu setzt. Mit „Girls Wanna Have Fun“ wird, wie bei Yasmos starker feministischer Haltung zu erwarten, ein Statement zur Gleichbehandlung der Geschlechter im Musikgeschäft eingefordert. Auch eine durchaus gelungene Nummer.

Die Direkt- und Klarheit von Yasmos Texten, welche bei einem Thema wie Feminismus dem vertretenen Standpunkt Nachdruck verleihen, kann bei anderen Themen allerdings schnell zu Langeweile und dem Gefühl führen, der Track wäre „hingerotzt“ worden. Die Rapperin verzichtet nämlich meist gänzlich auf sprachliche Bilder und elegante Vergleiche und kommt stattdessen unmittelbar und in einfacher Sprache zum Punkt. Gute Beispiele dafür sind die Tracks „Heute bin ich unsterblich“, wo es um positive Energie durch Musik, Feiern und Eine-gute-Zeit-haben geht, sowie „Einer dieser Tage“, das sich um einen faulen Tag zu Hause dreht. Diese Herangehensweise kann durchaus gefallen, allerdings handelt es sich nun mal um Themen, die schon mehr als einige Male in meist kreativerer Manier umgesetzt worden sind.

„Aus meiner Haut als letzte Konsequenz meiner Körperlichkeit wurde eine Leinwand, auf der Zeit verstreicht,
Aus meinen Augen wurde Zielstrebigkeit,
Aus meinem Mund wurde Freiheit,
Aus mir wurde eine Einheit“
(„Salzwasser“)

Zwei Nummern auf dem Album stechen besonders heraus: „Salzwasser“ und „Baby“. In ersterem geht es um die weibliche Emanzipation, die eigene Entfaltung und Versöhnung mit sich selbst sowie die Einheit aus Körper und Geist. In „Baby“ geht es um eine langjährige Freundschaft, die einen durch die Jugend begleitet und die Sehnsucht nach der Nähe vergangener Tage. Berührend und schön. Auffällig ist, dass genau diese beiden Nummern dem Stil Yasmos Rechnung tragen und den lyrischen Texten ausreichend Platz geben. Die instrumentale Begleitung spielt beabsichtigterweise nur die zweite Geige, anstatt wie andernorts notgedrungen zurückgedrängt werden zu müssen.

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Diese prinzipielle Schwierigkeit von Yasmo & die Klangkantine, dass Musik und Rap nur selten zu einer echten Einheit verschmelzen wollen, wird vor allem in diversen Hooks immer wieder gegenwärtig. Yasmo lässt sich kaum auf die Melodie ein, sondern rappt (oder eher spricht) stur über die jazzigen Instrumentals. So ist oft kein Platz für einen „gleichberechtigten“ Beat. Schräg wird es gegen Ende des Albums, wenn Yasmo in „Noel“ im 7. Bezirk auf ein Einhorn namens Noel trifft. Inwiefern das unterliegende Statement für Toleranz und einen Blick über den Tellerrand mit dem Fabelwesen zu tun habt, welches Yasmo mit einigen ausgelutschten Floskeln zu erziehen versucht, bleibt mehr als unklar.

Fazit: Yasmo & die Klangkantine ist ein Album, welches den Hörer mit äußerst gemischten Gefühlen zurücklässt. Einige kunstvolle Nummern und treffende Texte stehen einer häufigen Disharmonie zwischen Rap/Spoken Word und Instrumental gegenüber, welche (fast immer) nur durch die Unterordnung der Musik aufgelöst wird. Yasmo spricht damit sicher viele an, die Poetry Slam mögen, während Rapfans sich überwiegend schwer mit dem Endprodukt tun werden. Die Klangkantine macht überwiegend einen großartigen Job und sprengt mit Leichtigkeit Genregrenzen. HipHop ist das kaum, vielmehr ein wildes und meist schön anzuhörendes Potpourri aus Jazz, Soul, Blues und Brass, dem nur der Viervierteltakt gemein ist. Insgesamt ist Kunst, wie immer, Geschmacks- und Erwartungssache. Wer hier allerdings keinen Rap erwartet, findet sicherlich mehr Gefallen an diesem Tonträger.

2,5 von 5 Ananas
2,5 von 5 Ananas