Es ist ein verregneter Sonntagabend in Yung Hurns Heimatstadt Wien. Schade, dass das Gasometer, wo das heutige Konzert stattfindet, im 11. Wiener Gemeindebezirk liegt und nicht – um dem Yung-Hurn-Style treu zu bleiben – in 1220. Dass 1220 nicht nur eine Lokalität und ein Albumtitel ist, sondern sich mittlerweile viel mehr zu einem Lifestyle etabliert hat, zeigt auch die bunte „1220“-Girlande, welche am heutigen Abend die Bühne schmückt. Es ist deutlich sichtbar, was für eine Bedeutung man Yung Hurn zuschreiben kann. Es tummeln sich Leute mit Schnauzer, offenen Hemden im Leopardenmuster und schlecht gestochenen DIY-Tattoos – das Berliner Hipstertum ist längst auch in Wien angekommen. Und Yung Hurn wäre nicht Yung Hurn, wenn er nicht oberkörperfrei auf der Bühne herumspringen und performen würde.
Und an alle von der Presse, die sich hineingeschlichen haben – wir haben heute ein Presseverbot hier. Aber ich seh euch doch, ich spür‘, dass ihr euch reingeschlichen habt. Was werdet ihr morgen schreiben, als Konzertbericht?
Die Klassiker ziehen. Egal, ob der mittlerweile drei Jahre alte Track „Opernsänger“, der All-Time-Klassiker „Bianco“ oder das verhältnismäßig neue „Eisblock“. Die Beats, die auf jüngeren Tracks von Stickle sind, schallen in voller Lautstärke durch die Boxen des Gasometers und gehen einfach ins Ohr. Dazu kommen die simplen und dennoch irgendwo genialen Texte, was begünstigt, dass unzählige Menschen die Lyrics der Songs von Anfang bis Ende lauthals mitschreien können. In Kombination daraus entsteht eine beeindruckende Stimmung: Songs wie „Ok Cool“ brauchen anfangs nicht mal einen Beat, um die Menge dazu zu bringen, laut mitzusingen. Und ja, es ist wirklich verdammt laut.
„Danke, Yung Hurn, du bist der Beste„, schreien Hunderte von Menschen nach dessen Aufforderung. Ein bisschen Selbstbeweihräucherung darf schließlich auch nie fehlen. Aber der Mann auf der Bühne nennt sich nicht umsonst auch „Süßgott“ – denn alles, was er macht, trägt die höchst sympathische, irgendwie auch verpeilte, manchmal verständnislose Yung-Hurn-Note.
Danke, Yung Hurn, dass ich 30 Euro für das Konzertticket zahlen musste. Danke, Yung Hurn, dass ich 40 Euro für das T-Shirt bezahlen musste.
„Die Securitys sollten auch sagen: ‚Danke, dass ich heute dein Security sein darf‘. Bitte sagt das!“ Yung Hurn springt mit seiner verspielten Art von der Bühne und hält einem Security-Mann das Mikrofon vors Gesicht. Und der Security bedankt sich tatsächlich. Weil diese gesamte Kunstfigur, die Yung Hurn über die Jahre hinweg geschaffen und etabliert hat, durch das Zusammenspiel aus dieser plumpen Einfachheit auf vielen Ebenen und die Komplexität der Kunst im Gesamtbild etwas ergibt, das man nicht ganz verstehen kann, aber dennoch davon fasziniert ist. Bei ihm weiß man eben nie, was Strategie und was Authentizität ist.
Yung Hurn bedankt sich für den lauten und starken Applaus. Danach kommt schon der nächste kleine Seitenhieb gegen die Medien: „Klatschen auch die von der Presse? Das frag ich mich manchmal, ob die auch klatschen.“ Wahrscheinlich gibt es nur sehr wenige Personen in der Halle, an welchen die beiden legendären Interviews von Yung Hurn mit dem Schweizer Rundfunk vorbeigezogen sind. Im zweiten behauptete Yung Hurn nämlich, sich nicht mehr so ganz an das Interview vom Vorjahr erinnern zu können, vom Hype darum hätte er nichts mitbekommen. Wir wissen nicht, welche bösen Medien in der Vergangenheit welche bösen Sachen über Yung Hurn geschrieben haben, aber anscheinend lässt ihn so etwas dann doch nicht so ganz kalt, so oft, wie er die Presse erwähnt.
Eigentlich muss ich jetzt von der Bühne gehen und ihr sagt ‚Zugabe‘, aber das lass‘ ich jetzt. Also das ist jetzt die Zugabe.
Fazit: Ein Yung-Hurn-Konzert ist eine Performance. Er bewegt sich irgendwo zwischen dem kleinen Kind, das am Ende vor lauter Schreien keine Stimme mehr hat, und der Kunstfigur, die viele zu verstehen versuchen und dabei scheitern. Aber es geht hier auch nicht darum, ihn zu verstehen. Dass er eine gelungene Performance abliefert, steht fest. Im Gegensatz zu einigen seiner Kollegen hält sich auch das Playback tatsächlich sehr in Grenzen. Yung Hurn hat einen Lifestyle kreiert, welchen man definitiv in der Halle zu spüren bekommt. Die Fans springen und singen mit. Lautstark. Es ist eine Party, die hier an diesem regnerischen Sonntagabend in Wien gefeiert wird. Und lieber Yung Hurn, wir haben geklatscht.
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