Deschek vom Message. Gebts ma an grünen Avatar heast!
Ende 2017 von einem Haufen befreundeter Wiener Acts aus dem Boden gestampft, entwickelte sich Heiße Luft rasch zu einem der ertragreichsten österreichischen HipHop-Labels. Anlässlich des einjährigen Jubiläums werfen wir nun einen Blick hinter die Kulissen des Labels mit dem Heißluftballon-Logo. Dafür versammeln wir uns in der frisch eingeweihten Penzinger Ein-Zimmer-Wohnung von HipHop Joshy, die auch als Lager für Tonträger und Merch dient. Während der Gastgeber seinen Tisch auf die maximale Größe ausklappt und ein exquisites Himbeermohnrondo auftischt, trudeln langsam seine Kollegen JerMc, Makz Stanley sowie die für die visuelle Komponente zuständige Magdalena Prieler ein. Die lockere Atmosphäre spiegelt auch die unbekümmerte Herangehensweise der Truppe wider – ein gewisser Qualitätsanspruch ist da, man nimmt sich aber nicht zu ernst und kann über sich selbst lachen. Joshy freut sich etwa über eine „geile Ausrede, nur Teilzeit zu arbeiten.“
Balloon & the Gang
Die Labelgründung geht vor allem auf Joshys Plan zurück, eine gemeinsame musikalische Heimat für Huhnmensch und seine Crew Emzetka zu schaffen. Mit der Idee holte er rasch auch andere ins Boot – etwa JerMc, den er erst flüchtig kannte: „Ich habe ihm geschrieben, dass ich da einen geilen Labelnamen hätte.“ Viel Überzeugungsarbeit brauchte es laut JerMc nicht: „Wir hatten zwar keine Ahnung, wie der jeweilige andere ist, aber der Name hat mir gefallen und meine erste Reaktion auf den Vorschlag war: ‚Heiße Luft represent!'“ Heute bilden die Gründer gemeinsam mit Jonas Herz-Kawall und Makz Stanley den Vorstand des DIY-Labels. Während Jonas die Pressetexte schreibt und die Facebook-Seite bespielt, kümmert sich Makz vor allem ums Finanzielle. Am meisten Zeit investiert Joshy, der das Organisatorische übernimmt und „ur viel Werbung bei den Leuten“ macht. Als erfahrene Ratgeber unterstützen zudem Nilo von Kopf an Kopf ab und Stanley Stiffla hin und wieder die jungen Labelbosse.
Zwar verfügt die Gang, von der stets die Rede ist, über einen großen musikalischen Dunstkreis. Fixe Roster oder feste Deals sind bei Heiße Luft aber kein Thema. „Jeder kommt mit einem fertigen Ding und sagt, dass er es gepresst haben will. Beim Stamm wissen wir eh, dass die Sachen gut sind“, meint JerMc. Initiativ zeigt man sich besonders auf Beatebene – so schlug Joshy dem Salzburger Produzenten Anavondeondan vor, dessen Beattape „Cold Hands Warm Beats“ über Heiße Luft rauszubringen. Auch die im Sommer gestartete Beat-Compilation-Serie „Impetus“ wird von Joshy kuratiert: „Da suche ich viel auf SoundCloud herum, checke Sachen aus und hole mir von denen je einen Beat.“ Makz, als Produzent selbst unter dem Alias food for thought aktiv, räumt ein: „Es gibt halt keine 30 Produzenten beim Label.“
Nischenfindung
Auf die Frage, wo sich die Heiße-Luft-Spitter in Österreichs HipHop-Landschaft einordnen, antwortet Joshy grinsend: „Quantitativ und Qualitativ schon ganz weit vorne.“ Das musikalische Umfeld bringt jedenfalls einiges an Erfahrung ein, die einzelnen Acts konnten sich vor der Labelgründung einen Namen machen. Aus der älteren Generation Huhnmensch & der böse Wolf mit angenehm-staubigen Releases voller Antiheldentum und Tierreferenzen, 19hundertSchnee mit philosophisch angehauchten Alltagsgeschichten und Kopf an Kopf ab mit humoristischen Lines; bei den jüngeren vor allem JerMc mit „Eher schirch, aber eh ganz lieb“ und starken A-Capella-Battles auf DLTLLY, aber auch Emzetka und Fellowsoph lieferten vorab grundsolide Tracks. Nun dürften sich die Rapper und Produzenten gegenseitig motivieren, wie die hohe Releasedichte bei Heiße Luft zeigt – seit dem Debüt „Zwei99“ von 3€ im Jänner sind zehn Werke über das Label erschienen. Die Rapalben zumeist auf Vinyl, die Beatprojekte auf Kassette.
Stilistisch ist bisher ein starker Boombap-Schwerpunkt bemerkbar. Die Texte sind meist vergnüglicher und weniger bissig als bei den battlefreudigen Kollegen von Honigdachs, man scheint sich gut zu ergänzen. Trappige Ausreißer gibt es bislang nur auf „Impetus Vol. 2“, sie seien – wie andere zeitgenössische Einflüsse – auch in Zukunft alles andere als ausgeschlossen. In ein Subgenre-Eck wollen sich die Labelleiter ohnehin nicht drängen lassen: „Wir feiern alle auch diesen neuen Sound, solang’s geil gerappt ist. Ich hasse halt Standard-Trap-Flows“, erklärt Joshy. Makz pflichtet ihm bei: „Es geht immer um die Qualität und wenn der Beat richtig produziert ist – ballert!“
Was das Artwork betrifft, möchte man sich von der Masse abheben: „Ich find’s leiwand, dass wir nicht diese Standard-HipHop-Cover haben. Wenn du sie siehst, denkst du nicht gleich an hängengebliebenen HipHop aus Wien“, meint Joshy. Dafür ist größtenteils Magdalena Prieler zuständig. Die gelernte Grafikerin bekommt meist nur ungefähre Ideen und kann dadurch viel ausprobieren. Lange werkelte sie etwa an den mystischen Schwarz-Weiß-Covern der „Bizango“-Doppel-EP, am intensivsten seien aber die Arbeiten am gemalten Cover zum „Intro“ von Emzetka gewesen.
Blick in die Zukunft
Dass der Heißluftballon sein Pulver noch lange nicht verschossen hat, deutet JerMc angesprochen auf die Pläne für 2019 an: „Auch wenn jetzt gar nichts mehr passiert, haben wir das nächste Jahr schon ziemlich gut ausgefüllt mit möglicher Musik.“ Bei der heutigen Einjahresfeier feiert das Joshy-Mixtape „Wenn ich ein Auto wär, wär ich ein kaputtes Auto“ Premiere, auch JerMc plant demnächst zwei Releases. Außerdem ergeben sich laufend neue Konstellationen – und das „ganz organisch“, wie Makz betont. Etwa für ein „moderner klingendes“ Projekt von Joshy, Jonas und Melonoid, eine EP von Tudas und Devaloop oder eine Kollabo von Jonas und Nilo.
Was die Reichweite betrifft, hat Heiße Luft durchaus Steigerungspotenzial. Joshy zeigt sich zuversichtlich: „Es wird halt alles immer professioneller, das ist geil. Wir bekommen wahrscheinlich einen digitalen Vertrieb mit schönem Promoteam dahinter, wo wir uns um nichts kümmern müssen, halt ein bisschen Geld abgeben müssen. Und wenn wir nichts machen, machen wir immer noch nicht weniger als jetzt. Digital geht ohne fettem Promoteam halt nichts. Diese ganze Spotify-Politik – für die Listen musst du ja irgendwelche Leute kennen.“
Wie es in ein paar Jahren ums Label stehen wird, traut man sich noch nicht abzuschätzen: „Ich hoff‘ halt, dass wir in zwei, drei Jahren noch Bock haben“, so Joshy. Jedoch sind sich alle sicher, dass der Kern dann noch besteht. „Und wer weiß, vielleicht kommen in paar Jahren ja die ur oagen Newcomer, die dann auch bei uns releasen und genau ins Schema passen“, deutet Makz an, dass Heiße Luft wohl nicht zur geschlossenen Gesellschaft wird.
Davor gilt es das einjährige Jubiläum fachgerecht zu zelebrieren. Die dazugehörige Feier steigt heute Abend im Loft. Neben der Releaseshow von Joshy – inklusive der jüngst mit Video versehenen Single „Tatort Hietzing“ – werden auch die anderen Gangmember aka Heiße-Luft-Allstars auftreten und für ein ausgedehntes Programm sorgen. Das für den Beginn angekündigte Freestyle-Battle verspricht heitere Bars.
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