Deschek vom Message. Gebts ma an grünen Avatar heast!
„Am 7. November spiel i do mit Band, schauen S‘ vorbei“, sagt Edwin. Schauplatz ist der Gastgarten des Schutzhaus Zukunft auf der Schmelz. Der Wiener Sänger unterhält sich mit einem älteren Herrn über seine anstehende Gratis-Releaseshow. Er scheint einen guten Draht zu den Menschen hier zu haben. Für die neuen Tracks hat er einiges umgekrempelt, neu gedacht und vermeintlich Schritte zurück gemacht. Sein zweites Album „Garten Österreich“ zeugt zugleich von der Weiterentwicklung als Künstler. Es erscheint am 8. November via Heiße Luft. Bei einer Frittatensuppe und einem Krügerl im Schutzhaus erzählt Edwin mehr darüber.
The Message: Oida Edwin, da schau her! Du bist als Erster da und wartest auf die anderen. War das früher nicht andersrum? Oder ist das eine optische Täuschung?
Edwin: Nein, nein, ich bin echt und keine Fata Morgana (lacht). Man gibt sein Bestes. Manchmal funktioniert’s, manchmal nicht. Es ist ein ständiger Prozess. Jeder hat so seine Fehler oder Themen, die einen verfolgen. Aber je älter ich werde, desto besser versuche ich mit ihnen umzugehen und sie auszumerzen. Ich will mich nicht rausreden, früher war ich bestimmt viel unzuverlässiger als heute.
Wie ernsthaft ist dein Zugang an die Musik, an die Musikerkarriere? Wenn du an erste Tracks wie „Kokosbusserl“ oder „Schmäh Olé“ zurückdenkst im Vergleich zu heute.
Grundsätzlich habe ich aus Spaß heraus angefangen. Ich war immer musikalisch, habe mich aber nie als Musiker gesehen, weil ich damit verbunden habe, dass man ein Instrument beherrschen muss. Dann habe ich dieses Musikprojekt gestartet und es hat sich alles ein bisschen verselbstständigt. Ich bin über Jugo Ürdens auf einem Indielabel, Futuresfuture, gelandet. Dann habe ich mich ein bisschen mit der Idee angefreundet, Musiker zu sein. Je länger man es gemacht hat, desto mehr ist man draufgekommen: Nur weil du einen Plattenvertrag hast, heißt das nicht, dass du von der Musik leben kannst. Natürlich gehört viel mehr dazu, viel Arbeit reinstecken und Momentum. Das erste Album „Sleben“ ist quasi durch Corona geschluckt worden. Das war schade, weil es ein Moment gewesen wäre, wo es vielleicht mal bisschen was abwirft. Beim neuen Album habe ich versucht, Musik zu machen, die keinem Trend folgt, aber trotzdem geil ist. Das ist natürlich immer ein Risiko und der schwierigere Weg, als wenn du irgendwas auf Ski-Aggu-Type-Beats oder Uptempo-Sachen machst. Das ist das Album nicht. Es ist bandlastig.
Du hast 2023 die EP „Liebesgschichten & Mayer machen“ rausgebracht. Waren das die Lost Tracks vor deinem Soundwechsel?
Na, aber es war wichtig für die Soundfindung von „Garten Österreich“. Mit jedem Produzenten, mit dem man arbeitet, klingt man anders und verhält sich anders in den Sessions. Es hat sich bei der EP gut so ergeben, obwohl nie gedacht war, dass es ein einzelnes Projekt wird. Ich wusste damals schon, dass ich an meinem zweiten Album mit Diskojürgen zusammenarbeiten werde. “LG & MM” hat bei der Entscheidung für organischen Sound eine Rolle gespielt.
„Ich mag Pop und finde, dass ich immer einen Pop-Appeal gehabt habe“
Du hast für „Garten Österreich“ einige Änderungen vorgenommen. Eingespielte Instrumente dazu, Autotune weg, die Tracks wirken geschliffener. Gab es Entscheidungen, die wehgetan haben?
Hm, ich habe eher versucht, mich darauf zu fokussieren und zu konzentrieren, was ich gut kann und wer ich bin. Das Autotune-Ding war 2016, als ich angefangen habe Musik zu machen, eine Trenderscheinung. Jeder hat es gemacht. Es macht auch irrsinnig Spaß und ich verstehe jeden Rapper, der es einbaut. Es ist aber auch ein Stilelement, mit dem ich mir eher was wegnehme. Meine Stimmfarbe hat etwas sehr Markantes und Eigenes. Ich glätte sie damit und klinge dann mehr wie alle anderen. Auch Anglizismen sind viel reduzierter, wenn du es mit den ersten Projekten vergleichst. Es war derselbe Schritt zurück zu dem, wer ich bin. Ich bin Wiener, hier aufgewachsen und kann authentisch auf Mundart wienern. Zum einen, damit es nicht verloren geht, zum anderen macht es einen aus. Ich bin kein Native Speaker auf Englisch, auch wenn einen die Gesellschaft dazu drängt, Anglizismen zu verwenden.
Waren frühere Projekte mehr „hingschissen“?
Hingschissen würde ich nicht sagen, aber ich weiß was du meinst. Die Tracks waren nicht so ausproduziert und sicher eindimensionaler. Durch die Produktion und das Weglassen von Autotune macht es schon mehr her. Natürlich bin ich auch älter geworden, das verändert auch auf den Songs. Man macht sich mehr Gedanken. Es ist ein Skill. Wenn wir bei dieser 10.000-Stunden-Regel sind: Ed Sheeran hat sau viele gschissane Songs geschrieben, bevor er „Love Yourself“ oder „Shape of You“ geschrieben hat. Man muss vielleicht auch scheiß Songs schreiben, damit ein guter Song entstehen kann. Wie bei allem in der Kunst – Mut zum Scheitern.
War Radiotauglichkeit ein Stichwort bei den Aufnahmen?
Nein, gar nicht. Wir waren für das Album nicht jeden Tag im Studio, wir sind nicht vier Wochen in die Karibik geflogen. Es war ein Prozess von zweieinhalb Jahren. Wir haben immer wieder Sessions gemacht. In zwei Wochen kommen so viele neue Songs raus oder man entdeckt ältere, die einen inspirieren und die man sammelt. Dann hört man eine Stunde nur Musik, findet den Vibe, die Gitarre, die Drums oder sonst etwas geil und lässt der Inspiration freien Lauf. Aber wir haben nicht darauf hingearbeitet, dass es im Radio gespielt wird, auch wenn wir das natürlich dankend annehmen würden. Ich mag Pop und finde, dass ich auch immer einen Pop-Appeal gehabt habe, egal ob ich gerappt habe oder nicht. Dadurch, dass ich jetzt mehr singe, kommt das vielleicht stärker zur Geltung.
Es wirkt am Album so, als wärst du konzeptioneller rangegangen. Albumtitel, Songwriting, die Produktionen…
Den Titel „Garten Österreich“ wollte ich lustigerweise schon, bevor ich angefangen habe, Musik zu machen, einem Projekt geben – nach diesem legendären Dialog von den Donauinsulanern in der Alltagsgeschichte. Jeder, der das kennt, assoziiert den Titel sofort damit. Es hat etwas Ur-Wienerisches und löst etwas in mir aus. Als ich fertig mit „Liebesgschichten & Mayer machen“ war, habe ich gespürt, dass es Zeit wird für “Garten Österreich”. Ich würde verneinen, dass es ein Konzeptalbum ist, aber ich habe mir schon Gedanken gemacht, ein rundes Projekt zu erschaffen und abzuliefern.
„Spittelau brennt“ ist ein Sinnbild für Wiener Grant. Entsteht so ein Track beim Granteln, also quasi in der Situation zum Abkühlen?
Da bin ich glaube ich nach einem scheiß Tag in der Arbeit in die Session gefahren, habe kurz mit dem Diskojürgen geplaudert und gerantet. Dann hat er gemeint, dieses Granteln sei so typisch Wiener Grant. So hat er es ins Rollen gebracht. Ein Song, der das transportiert: „I wü ned, I konn ned, heit ned – und a fix ned murgn!“ (lacht).
Du hast einen 9-to-5-Job, oder?
Eigentlich ist es ein Teilzeitjob, 25 Stunden im Call-Center. Aber Inbound. Das heißt, die Leute gehen mir am Oasch, nicht ich ihnen. Ich verkaufe nix, sondern verteile nur Infos.
„I wü ned, I konn ned, heit ned – und a fix ned murgn!“
Ist der Anspruch, dass du die Zeit reduzierst und dich mehr auf die Musik fokussieren kannst?
Ich habe letztens in meiner Therapie darüber geredet. Ich habe damals durch den Plattenvertrag die Erkenntnis gehabt, dass es professionell sein sollte, Leute in dich Geld reinstecken und man auch Geld verdienen kann. Ich habe mir gedacht, dass ich es wie einen Job behandeln muss. Aber es gibt ja Leute, die ihr Hobby zum Beruf machen und denen es dann keinen Spaß mehr macht, weil es ein Job ist. Ich habe es quasi schon bevor es zu einem Job mit regelmäßigem Income, Shows, Festivals und so weiter gekommen ist, als Job gesehen. Vielleicht hat mir das in der „Sleben“-Phase oder kurz davor bisschen den Drive rausgenommen. Aber generell liebe ich es ja, Menschen zu unterhalten und auf der Bühne zu performen. Do bin i her, do gher i hin.
Hat die Callcenter-Arbeit bei Tracks wie „Passt schon“ reingespielt?
Schon auch. Im Callcenter telefonierst du die ganze Zeit mit irgendwelchen Leuten, die ein Problem haben und die glauben, du wärst das Problem. Aber eigentlich bin ich die Lösung. Sie haben das Problem oder sind oft selbst das Problem. Ich bin dann der Auserwählte, der ihre Probleme lösen darf (lacht). Aber auch in Freundschaften oder Bekanntschaften, wo du dir denkst: „Passt schon. Mach dein Ding, es ist alles gut, ich bin nicht haaß, aber ich bin raus hier.”
Gehen wir ein bisschen zurück: Was hat deine Familie daheim gehört? Auch alte Wiener Hodan?
Ganz verschieden. Mein Papa eher Deep Purple, Phil Collins, Michael Jackson, natürlich auch Danzer, Fendrich, Ambros. Meine Mama eher Abba, Tina Turner, leider auch Schlager. Dadurch kann ich auch „Komm und Tanz“ von Andrea Berg auswendig (lacht).
Wann hast du dich das erste Mal aktiv mit österreichischer Musik auseinandergesetzt?
An sich eh mit Danzer. Er war der Talentierteste, der die interessantesten Texte geschrieben hat. Fendrich der Lustigste, Ambros Hop oder Drop. Mein erster Bezug sonst war glaube ich STS.
Später auch eine Ebene zurück mit Wienerliedern und Klassikern à la Qualtinger & Heller, Kurt Sowinetz, Georg Kreisler?
Georg Kreisler liebe ich. Ihn habe ich in meiner Zivi-Zeit auf und abgehört. Geiler Typ. Mit Heller bin ich nie so warmgeworden, da war ich immer eher Team Qualtinger, Kreisler, Sowinetz, Hirsch.
Das „Festa Trottl“-Skit weckt Erinnerungen an diese Ära. Wie ist es entstanden? Gab es eine Vorlage?
Vorlage gab es keine. Ich finde, dass man im Wienerischen so gut schimpfen kann, wie in keiner anderen Sprache. Es war schon klar, dass das Album „Garten Österreich“ heißen wird – da muss ein Wienerlied dabei sein. Dann hatte ich die Idee mit Tom Gnsr, er hat was auf dem Klavier gespielt und wir haben einfach vier Minuten Impro aufgenommen. Wir mussten es noch kürzen und auf den Punkt bringen, aber die Essenz war da. Es ist ein Song, den man auch gut gemeinsam singen kann: „Du bist ein Oaschloch, ein echtes Oaschloch…“ Jeder hat seine ein, zwei, drei Leute als Adressaten im Kopf – und danach fühlst du dich frei (lacht).
„Ich glaube, ich mache Musik, die zugänglich für viele Menschen ist. Aber am wenigsten für junge Leute“
Der Track mit Ignaz Tschinön erinnert entfernt an „Aufpudeln“ von der Fünfhaus Posse aus den 90er-Jahren mit dem funkigen Sound und dem Dialog, der sich durchzieht. Hast du das am Schirm?
Na, die kenn ich gar nicht. Muss ich auschecken.
Ængl ist auf deinem Album erstmals auf Deutsch zu hören. War viel Überzeugungsarbeit nötig?
Ængl arbeitet mit Diskojürgen zusammen, wir waren im gleichen Studio. Davor waren wir auch schon befreundet. Es war eh schon lange geplant, dass wir es mal gemeinsam ins Studio schaffen, ist dann aber eher zufällig entstanden. Der Track ist mein Favorit auf dem Album. Auch wenn er ruhig ist, ist er vielleicht der zeitloseste Track. Ich glaube den kannst du in 40 Jahren nochmal hören und er hat genau dieselbe Wirkung.
Wir haben das Gespräch gerade für eine Fotosession unterbrochen. Du hast mittendrin mit einem älteren Herren geplaudert und ihm dein Releasekonzert am 7. November nahegebracht. Er wohnt wohl hier im Kleingarten. Glaubst du machst du Musik, mit der Menschen aus seiner Generation etwas anfangen können?
Ich glaube, ich mache Musik, die zugänglich für viele Menschen ist. Aber am wenigsten für junge Leute.
Echt?
Mein Spotify sagt das zumindest. Unter 18-Jährige hören meine Musik weniger als Menschen über 60 – und meine Eltern sind noch nicht 60 (lacht).
„Mit Anfang, Mitte 20, als ich angefangen habe, war es Musik aus der Laune raus – Spaß, druggy, man ist bum zua“
Aber dann wohnt hier im Kleingarten eigentlich auch eine Zielgruppe.
Eh, es ist ja nicht irgendeine Schnapsidee gewesen, es hier zu machen. Mit dem Schritt weg vom Autotune und mehr zum Wienerischen können glaube ich mehr Leute generell, aber auch vermehrt ältere Menschen was damit anfangen. Ähnlich wie bei einem Voodoo Jürgens. Der macht auch keine Musik für 18-Jährige und das ist voll in Ordnung – er lebt von der Musik, es ist also möglich. Bei mir hat es sich mit dem neuen Album ein bisschen in diese Richtung entwickelt. Ich glaube, es ist Musik für meine Altersgruppe plus – und natürlich auch ein bisschen drunter. Ich schreibe Sachen, die passiert sind, die aus dem Leben gegriffen sind. Mit Anfang, Mitte 20, als ich angefangen habe, war es Musik aus der Laune raus – Spaß, druggy, man ist bum zua. Natürlich gibt es mit 30 diese Abende noch, aber weitaus nicht mehr in dieser Regelmäßigkeit. Dann macht man auch andere Musik und holt so wahrscheinlich auch eher die Evelyn aus’m Schrebergarten ab.
Was erwartet die Gäste bei der Releaseshow im Schutzhaus?
Es wird ein leiwander Abend mit Bigband, mit der man mich noch nie gesehen hat. Es wird ein paar Überraschungen geben plus Sachen aus meiner Vergangenheit. Es ist ein Gratiskonzert, aber es wird ein Hut durchgehen. Jedes Geld, das reinkommt, kommt den Musikern zugute.
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