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Grenzenloses "Chameleon": Kensee Interview

Grenzenloses "Chameleon": Kensee Interview

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Jüngst ließ ein junger Linzer Produzent mit seinem sehr vielseitigen und erstaunlich internationalen Debütalbum „Chameleon“ aufhorchen: Kensee aus Linz, der aber eigentlich aus Polen beziehungsweise Traun ist. Im Interview (polski oryginał) erzählt der 23-jährige von seinen Anfängen und Einflüssen, wie es dazu kam, dass El da Sensei zum Anlass seiner Releaseparty in der Kapu spielte und erklärt unter anderem warum er sein Album zum kostenlosen Download bereitstellt,  es aber vor Kurzem auch auf Doppelvinyl veröffentlicht hat.

Kensee: In welcher Sprache machen wir nun das Interview?
TM: Auf polnisch, elegancko…Chameleon“ ist dein erstes Produzentenalbum. Darauf sind Gäste aus Österreich, Polen, Spanien, Großbritannien und Deutschland zu hören. Davor hast du schon drei EP´s veröffentlicht…was waren das für Projekte?
Auf meiner ersten Produktion gab es Rap Parts und reine Instrumentals, also ähnlich wie bei meinem jetzigen Album. Die zweite EP war „KoszaLinz Fajnest“, die nur im polnischen Kreis rausgekommen ist. Das war mit einem polnischen MC aus Koszalin: Mino. Das ist überhaupt eine längere Geschichte, weil ich ihn in Linz in der Kapu bei einem Konzert kennengelernt habe. Er war auch der erste MC, der auf meinen Beats gerappt hat. Das war ein wichtiger Moment, jemanden auf meinen eigenen Produktionen zu hören. Bis 2007 habe ich eigentlich nur für mich selbst produziert. Das dritte Projekt war mit zwei Rappern aus meiner polnischen Gegend. Ja und jetzt endlich „Chameleon“. Das ist ist die erste Veröffentlichung, die sich stärker auf Österreich konzentriert. Davor habe ich dem hiesigen Publikum zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt.

„Chameleon“ Album Trailer:
httpv://www.youtube.com/watch?v=IMdRa60VhP8

Wie bist du so jung
auf die Idee gekommen anzufangen zu produzieren?
Genau weiss ich es nicht mehr, aber das erste Konzert bei dem ich in der Kapu war hat mich wohl am meisten dazu motiviert: Craig G, Wordsworth und Pumpkinhead waren damals (Anm: 31.10.2005) zu dritt hier. Ich erinnere mich auch noch, dass sie vor den Konzerten die ausgezeichnete Dokumentation „Freestyle: The Art of Rhyme“gezeigt haben.

Hattest du damals schon Kontakt zu anderen Produzenten in Linz?
Nein. Damals habe ich gerade erst erfahren, dass es Texta gibt. Mit ihnen hat alles begonnen, wenn es um österreichischen Hip Hop geht. Ich habe nicht gewusst, dass der hiesige Hip Hop so groß ist. Ich habe mich gewundert. Für mich war es eine große Entdeckung, als ich zum Beispiel „Koida Kaffee“ gehört habe: Rap im österreichischen Dialekt. Deutschen Rap habe ich schon zuvor gehört. Ich bin eigentlich aus Traun, das ist ein kleiner Ort bei Linz. Und außer mir taugte damals nur einer Person aus meinem Bekanntenkreis Hip Hop. Und das nur passiv…

Wie hast du also gelernt zu produzieren?
Eigentlich habe ich es mir zur Gänze selbst beigebracht. Das erste Jahr lang habe ich auf Frutiy Loops produziert, aber das war dann doch nicht das Wahre. Seit fünf Jahren arbeite ich mit Reason. Die Samples kommen vom Vinyl, zum Teil aber auch von MP3´s (lacht). Eine weitere Idee, wäre es ein ganzes Album mit einem Rapper zu machen auf meinen Beats. Am besten wäre es, wenn das jemand von hier wäre, um sich gemeinsam zusammen zu reden. Nicht so wie bisher, wo zuerst immer der Beat da war

Hast du zur polnischen Szene Kontakte?
Durch Mino kenne ich den Großteil der Szene aus Koszalin. Das ist eigentlich nur Untergrund (lacht). Wobei ich nicht weiss, ob man heutzutge wirklich noch von Untergrund reden kann, weil sich meiner Meinung nach die Kontraste zwischen dem sogenannten Untergrund und dem Mainstream verkleinert haben, auch wegen des Internets. Aus Posen kenne ich auch ein paar Leute persönlich. Ich versuche im Allgemeinen musikalisch so viel wie möglich mitzubekommen. Aus ganz Polen.

Kensees Vorfahre, 1532

Welche polnischen Hip Hop Artists würdest du Österreichern empfehlen?
An erster Stelle OSTR. Es ist mein großer Traum mit ihm einmal etwas gemeinsam aufzunehmen, obwohl ich neben ihm wie ein Zwerg ausschauen würde. Aber ich werde weiter daran arbeiten. Allgemein wäre eine Zusammenarbeit mit jemandem von Asfalt Records (Anm.: 1998 gegründetes Warschauer Hip Hop Label) mein Ziel. Und wen ich empfehlen würde? Fisz, Małpa. Natürlich die Returners. Paktofonika, Kaliber 44, Ego, die ganze Max Flo Records Partie, Ortega Cartel….

El da Sensei und The Returners, die bei Asfalt Records sind, haben zum Anlass deiner Albumspräsentation in der Kapu gespielt…
Das hat Flip von Texta so organisiert. Ich hatte nicht einmal geplant eine Releaseparty zu machen. Circa ein Monat bevor das Konzert von El da Sensei und den Returners sein sollte, hat mich Flip gefragt ob ich auftreten wolle, weil sie in der Kapu spielen werden, und das man daraus einen sogenannten polnischen Abend machen könnte. Natürlich habe ich zugesagt.

Hat dir Flip auch geholfen zu den Rappern Kontakte zu knüpfen, die auf deinem Album vertreten sind?
Das weniger. Da er hat er mir auch geholfen, aber erst später. Durch Flip habe ich aber auch ein paar Linzer Legenden kennengelernt, wie zum Beispiel Mamut (Ex- Waiszbrohd, Brotlose Kunst). Er ist übrigens auch ein Pole. Mit einer weiteren hiesigen Legende: Benedikt Walter (früher Oh-Vo), habe ich auch eine Nummer gemacht. die vor kurzem fertig geworden ist: Mythen. In Summe ist die Linzer Szene klein, also kennen sich eigentlich alle mehr oder weniger. Nur so am Rand: großen Respekt an Flip. Soweit ich weiss würde es die meisten Konzerte in der Kapu usw. ohne ihn nicht geben. So etwas verbindet eben die Fans und die Artists, und ohne dem würde ich viele Leute nicht kennen. Flip ist so etwas wie unser Fundament.

Gibt es gar keine Streitereien?
Es gibt eine gewisse Teilung. Hier in der Kapu trifft sich die größere Gruppe. Es gibt auch noch das Stahlstadt Entertainment, zu dem jetzt auch Jack Untawega gegangen ist. Was eigentlich niemand versteht. Ich will nicht über ihn urteilen…er ist nach wie vor einer der besten Rapper Österreichs, aber für mich ist das unverständlich. Meiner Meinung nach ist das schade. Aber echte Beefs gibt es hier keine. Vielleicht habe ich aber auch etwas übersehen.

Wahrscheinlich bist du froh aus Linz zu sein und nicht aus Wien, wo die Hip Hop Szene sehr zersplittert ist und der Neid regiert?
Natürlich freue ich mich von hier zu sein. Wobei Wien auch immer interessanter wird. Das hat aber auch damit zu tun, dass viele Leute aus Linz nach Wien gezogen sind, wie zum Beispiel Mirac oder Kayo.

Flip hat in einem Interview gemeint, dass es in Linz bereits die dritte, wenn nicht die vierte Generation an Rappern gäbe und dass zum Großteil alle zusammenhalten würden.
So ist es auch. Es gibt jetzt eine ganz neue Generation. Es interessieren sich aber alle für ähnliche Dinge. Die Zusammenarbeit von Huckey und Average (Ganz schön Hässlich), ist ein gutes Beispiel. Der Altersunterschied zwischen ihnen beträgt doch circa zwanzig Jahre.

Die Hip Hop Konzerte in Linz finden alle in der Kapu statt?
Es gibt auch noch die Stadtwerkstatt und den Posthof, für die größeren Konzerte. Aber die Kapu ist mit Sicherheit der legendärste Linzer Ort, wenn es um Hip Hop geht. Jetzt ist noch der Hafenstern dazu gekommen, der sehr offen für Veranstaltungen in diesem Stil ist. Außerdem werden immer häufiger in verschiedenen Bars Hip Hop Parties veranstaltet. Das entwickelt sich hier in eine gute Richtung. Wobei es mir manchmal so vor kommt, als ob wir gar nicht so viele verschiedene Locations bräuchten. Aber besser zu viel als zu wenig.

Gibt es auch österreichische Artists, die du polnischen Heads empfehlen würdest?
Immer wenn ich in Polen bin, empfehle ich Österreicher. Das Selbe gilt auch in die umgekehrte Richtung. Mit Def Ill wollte ich von Anfang an eine Nummer aufnehmen, weil er für mich ein Genie ist. Kamp, wenn es um Wien geht. Und eigentlich alle die auf meinem Album vertreten sind. Mirac, das ganze Duzz Down San Label. Es gibt sehr viel von der guten Ware, vor allem wenn man gleichzeitig die polnische, österreichische und amerikanische Szene observiert. Wahrscheinlich würde ich im nächsten Interview wieder andere Artists nennen, weil das wirklich nur die Spitze des Eisbergs ist, wenn es um Österreich geht. Es gibt viele talentierte Leute.

Das Ziel von „Chameleon“ war aber wohl auch eine gewisse Internationalität?
Auf jeden Fall. Das Album ist eine Reflexion des ganzen letzten Jahres. Zum Teil sind die Kollaborationen auch durch Zufälle entstanden. Wie zum Beispiel ein spontaner Urlaub in Barcelona, wo ich MC Foe getroffen habe. Qwer ist ein Deutscher, der in Österreich lebt. Überhaupt haben sich viele der Kontakte über Österreich ergeben. So auch mit Cobane aus London. Ich war Statist im Video zu seiner Nummer mit Nomadee aus Wien und Valesta. Das Video ist sogar im österreichischen Kabel auf gotv gelaufen.

Wie ist es zur Zusammenarbeit mit Parkwächter Harlekin (Problembär Records) gekommen, der experimentellen Hip Hop macht und eigentlich so überhaupt nicht zum Rest der österreichischen Szene passt?
Durch eine Verwechslung in einer alten Ausgabe eures Magazins. Es gab da eine Rezension zu einer alten Platte von mir, und auch eines Demos vom Parkwächter und seiner alten Gruppe aus Baden. Die Rezensionen standen nebeneinander. Die Cover unserer beiden Veröffentlichungen wurden vertauscht. Dadurch hat er mich über MySpace kontaktiert. Oder ich ihn? Ich weiss es nicht mehr. Wie dem auch sei, so ist der Kontakt entstanden. Sein Stil ist tatsächlich anders und alternativ. Er erinnert mich an das Label, auf dem auch Atmosphere sind: Rhymesayers Entertainment.

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Und wie hast du den Kontakt zu Noon geknüpft, der „Chameleon“ gemischt und gemastert hat? Er als einer der meist geschätzten polnischen Produzenten, der auch bei Asfalt Records unter Vertrag steht…
Noon führt die Internetseite audio-games.pl, wo man eine Bestellung für Mix und Mastering machen kann. So habe ich es gemacht. Ehrlich gesagt haben wir uns bis jetzt nicht persönlich kennengelernt. Soweit ich weiss ist der Großteil der letzten Releases von Duzz Down San auch von ihm gemischt oder gemastert worden. Bei diesem Label ist übrigens auch ein Pole aktiv: Dyzma. Noon hat letztens auch gefragt, wann das Vinyl zu meinem Album kommen wird.

Die Doppel-LP ist gerade mit zusätzlichen sechs Nummern erschienen…
Ja, über Urban Legends Recordings. Das Label ist noch nicht wirklich im Internet usw. aktiv, aber schon seit einigen Jahren organisieren sie Musikveranstaltungen unter diesem Namen. Nomadee, deren Name schon zuvor gefallen ist und Pow Lee leiten es. Das Album von Nomadee („Daydreams“) ist letztens auch auf Doppelvinyl erschienen.

Aktuelle „Chameleon“ Videoauskopplung ft. The unused word:
httpv://www.youtube.com/watch?v=BR5OUEW58eA

Welche Motivation ist dahinter gestanden das Album zunächst gratis im Internet zu veröffentlichen?
Das Internet ist eine gute Methode, um die eigene Musik zu popularisieren. Vor „Chameleon“ war ich sehr unbekannt. Die nächste Platte werde ich vielleicht gleich nach ihrer Veröffentlichung verkaufen. Ich denke, dass sich in solchen Kreisen Vinyl mittlerweile besser als CD´s verkauft.

Wie waren die bisherigen Reaktionen auf dein Album?
Bisher nur positive. Ich war selbst überrascht. Natürlich habe ich in Linz die meisten persönlichen Props bekommen.

Wieso hast du dich gewundert, dass es keine negativen Reaktionen gab?
Wenn du deine eigenen Produktionen tausende Male hörst, bist du kritischer zum eigenen Schaffen eingestellt. Aber die Platte gefällt mir nach wie vor, was ein gutes Zeichen ist, weil sie eine lange Beständigkeit hat. Ich habe auch lange überlegt in welcher Reihenfolge die Tracks drauf kommen sollen, damit sich eine gewisse Zusammengehörigkeit einstellt.

Der Titel „Chameleon“ weist auf Vielseitigkeit und Anpassung hin…
Anpassung kann positiv, aber auch negativ sein. Ich nutze die Anpassung im positiven Sinn, wenn es um Beats und Sprachen geht. Wobei der Albumstitel auch auf meinen Charakter hinweist. Die Leute, die mich besser kennen, werden wissen worum es geht (lacht).

„Chameleon” Gratis Download
„Chameleon” Vinyl bei Dopeshit und hhv.de

Interview: Jan Braula
Fotos und Porträt: Kensee