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Ich bin kein MC und werde auch keiner werden.

Ich bin kein MC und werde auch keiner werden.

Mit ihrem neuen Album Maureen im Gepäck war Joy Denalane am 10. November im Wiener WUK zu Gast. Im Interview spricht die Soulsängerin über ihr Verhältnis zu Politik, dem Einfluss von Hiphop und warum sie keine schmutzige Wäsche wäscht.

TM: Du singst „Niemand wird tun was wir nicht tun“. Was würdest tun, für was würdest du einstehen?
Joy Denalane: Ich kann das nicht festmachen an einer Begebenheit, denn es geht um was viel allgemeingültigeres, denn es ist ein sehr universell formuliertes Statement. Dass die Leute immer sehr viel erwarten und dass der Mensch dazu neigt, zu denken dass es so und so laufen muss, weil es meine Moral mir sagt oder weil es meine Menschlichkeit mir so sagt und das ist oft nicht der Fall. Und wenn man eben wartet, dann wartet man eben oft vergebens. Es gibt ja diesen schönen Spruch: wer erwartet, wartet. „Niemand wird tun was wir nicht tun“ ist eigentlich nur eine Übersetzung davon

Viele der alten Soulsänger hatten politische Songs, Marin Gaye „Whats going on“, Bill Withers „I can’t write left handed“ oder Curtis Mayfield mit „Keep on pushing“. Welchen Stellenwert hat Politisches in deiner Musik?
Es hat einfach in meinem Leben einen Stellenwert. Und die Perspektiven in meinem Leben drücken sich in meiner Musik aus. Jedenfalls findet man auf allen meinen Platten Statements.

Wie politisch ist deine aktuelle Platte?
Es gibt eben den Song „Niemand (was wir nicht tun)“ und ich denke das ist ein Statement. Ansonsten habe ich mir erlaubt, mich auf dieser Platte mit den Facetten der Liebe auseinanderzusetzen.

httpv://www.youtube.com/watch?v=9l35g9EdQTg&feature=related

Wie kam die Rap-Version von „Niemand (was wir nicht tun)“ zustande?
Ich wollte einfache eine Rap-Version und habe überlegt, welche MCs mich neben Max [Herre, Anm.] interessieren. Relativ schnell bin ich dann auf Samy [Deluxe, Anm.] gekommen, weil ich ihn nach wie vor für einen der besten MCs halte, den der deutschsprachige Raum je gesehen hat. Und Megaloh gefällt mir sehr gut weil ich einfach seinen Punch, das Direkte durch die Mitte und das Unmissverständliche an ihm mag und ich fand dass eine gute Kombination. Außerdem eignet sich dieser Track einfach dafür.

httpv://www.youtube.com/watch?v=z2_Fb7K-ZGM

Megaloh rappt „Der Wandel kommt bestimmt aber er kommt nicht von allein, kommt nicht von nem Reim in nem Lied oder von der Politik.“
Was glaubst du denn, wann und wie der Wandel kommt?

Der Wandel ist ja keine einmalige Sache sondern ein fortlaufender Prozess. Insofern gibt es gibt nicht den Wandel im Jahre 2012 am 11. Juni. Es ist eher ein ständiges Weitergehen innerhalb einer Idee.

Hast du den Eindruck, dass sich gerade mehr wandelt als noch vor 5 Jahren? Stichwort: arabischer Frühling oder Occupy Wall Street.
Ja, das ist ja sehr offensichtlich.

Max Herre rappt „Also Angie hör gut zu wenn Volkes Stimme spricht…“
Könntest du dir solche direkten Ansagen auch in deiner Musik vorstellen?

Ich finde, meine Musik ist nicht so ausgelegt. Dass man so direkt wird, ist eher raptypisch. In meinen Songs bietet sich das nicht so an wie im Rap, aber das heißt nicht, dass ich es ausschließe. Rap ist für mich noch ungefilterter, nicht so allgemeingültig und tendenziell sehr subjektiv.

Aber ist Liebe nicht auch ein subjektives Thema?
Ja schon, aber ich wasche ja keine schmutzige Wäsche. In meinen Texten versuche ich eher Möglichkeiten aufzuzeigen und nicht meine ureigene Perspektive zu erzählen. Denn gerade bei Liebesthemen würde das ganz schnell bedeuten, schmutzige Wäsche zu waschen und das ist nicht was ich suche. Ich meinen Liebesliedern spreche ich niemanden direkt an und führe niemanden direkt vor.

Du hast in einem Interview gesagt, dass deine Texte von Dingen handeln, die dich persönlich betreffen, aber auch von Dingen, die erfunden sind und dass es dir wichtig sei, dass man den Unterschied nicht erkennt.
Ich kenne keinen Musiker, der nicht aus seinem Leben schöpft, wenn er Texte schreibt, wenn er sich ausdrückt. Deshalb finde ich diese Frage ein bisschen mühselig: „es ist zu privat, was du erzählst“, sag mir mal einen der nichts Privates erzählt. Jay-Z zum Beispiel: Ich kenne sein ganzes Leben, das sind seine Innenansichten die wir mitverfolgen und das ist auch völlig legitim, das zu machen. Ich finde es nur schwierig, wenn man Leute direkt anspricht und ihnen schadet. Wobei ich die Angie-Line von Max (Herre, Anm.) da nicht einschließe. Ich finde einen Text interessant, wenn man ihn hört und auf sein eigenes Leben beziehen kann. Das passiert aber nicht wenn man meine Texte hört und denkt „das ist aber Joys Geschichte“ und deswegen sage ich immer: Es ist langweilig wenn man sich meine Musik anhört und sie die ganze Zeit im direkten Kontext mit mir sieht. Ich finde ein Song hat dann seine Mission erfüllt, wenn die Geschichte dich berührt, wenn die Geschichte etwas mit deinem Leben zu tun hat. Ansonsten bleibt es nur ein Teil von mir und wird nicht weitergetragen in die Welt.

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Gemischt hat dein Album Jason Goldstein, der u.a. auch schon Blueprint von Jay-Z oder Alben von The Roots gemischt hat.
Wie viel Hiphop steckt in in deinem neuen Album „Maureen“?

Du musst Fragen: Wie viel Hiphop steckt in Joy? Dass ich keinen Hiphop mache, war seit der ersten Platte klar. Es war nie so, dass ich Hiphop gemacht habe und wenn du auf meiner Platte nach Hiphop suchst, wirst du ihn als Spezialist finden, wenn du aber kein Spezialist bist, wird er dir nicht sofort auffallen. Aber in Joy Denalane als Musikerin steck ganz viel Hiphop, weil das die Musik ist, die meine Identität als Mensch und Musikerin geprägt hat. Denn die Hiphop- Welle kam nach Deutschland, als ich ein Teenager war und ich habe das erste Mal Protagonisten gesehen, in denen ich mich wiederfinden konnte, was sehr, sehr wichtig für mich war. Und ich höre bis um heutigen Tag Hiphop und das wird sicherlich immer so bleiben. Ich bin aber kein MC und werde auch keiner werden.

Maureen entstand ja zunächst als englischsprachiges Album und wurde dann übersetzt. Dein letztes Album „Born and Raised“ hast du auch schon versucht zu übersetzen, was aber nicht geklappt hat.
Warum hat es diesmal funktioniert?

Ich glaube, ich fand die Herausforderung einfach reizvoller als bei „Born and Raised“. Ich dachte, jetzt will ich’s wissen, denn ich hatte es ja schon einmal angefangen und abgebrochen weil ich nicht die Lust hatte, es zu übersetzen, weil es nicht mehr interessant für mich war, deshalb bin ich nicht weiter dran geblieben. Insofern war die Herausforderung diesmal verantwortlich dafür dass ich es diesmal gemacht habe.

Wann kommt die englische Version?
Gute Frage…nächste Frage. (lacht)

Du hast ein Semester Deutsch, Englisch und Vergleichende Literaturwissenschaft an der Freien Universität Berlin studiert. Was hast du aus dem Studium mitgenommen?
Ich habe ein Gefühl dafür entwickelt wie es ist, sich in einer anderen Welt als meiner Musikwelt zu bewegen. Meine Musikwelt kenne ich ja seit vielen Jahren wie aus dem Effeff und es war eine Herausforderung ganz woanders hinzugehen und mich da in einem anderen Kontext zu behaupten.

Was kommt denn als nächstes von dir?
Wenn ich wieder zuhause bin geh ich ins Studio.

In welche Richtung wird denn das nächste Album gehen?
Das verrate ich nicht. Aber es wird natürlich soulful!

Interview: Alexander Gotter //  Photos: Jackie Hardt