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Keine bescheuerten Type Beats // B.Visible Interview

Keine bescheuerten Type Beats // B.Visible Interview

B.Visible

Sozialisiert mit viel Boombap, entfernte sich B.Visible als Produzent und DJ schnell vom klassischen HipHop-Sound. Bei seinen Releases setzt er auf experimentelle elektronische Klänge. Auf einige EPs – zuletzt die 2016 erschienene „Second Hand“ – folgte am 1. November mit „Pleasant Clutter“ sein Debütalbum.

Im Interview lässt der Wahlwiener seine musikalische Entwicklung Revue passieren. Weiters spricht er über den Reiz, mit stilistischen Normen und Erwartungen zu brechen, wie er Emotionen in seine Beats einfließen lässt und was das Produzieren mit dem Arbeiten im visuellen Bereich verbindet.

B.Visible
Alles Handarbeit. Fotos: Daniel Shaked

The Message: Du hast in deiner Jugend in Villach als DJ angefangen und legst bis heute regelmäßig auf. Ins Produzieren bist du erst mit der Zeit hineingewachsen. In welcher Rolle siehst du dich zum heutigen Stand mehr?
B.Visible:
Mittlerweile sehe ich mich mehr als Produzent. Ich habe viel mehr an meinen Studioskills gearbeitet als an meinen DJ-Skills. Der Fokus liegt am Produzieren. Das erfreut mich am meisten.

Obwohl du ja gefühlt alle zwei Wochen wo auflegst.
Das Auflegen macht nach wie vor Spaß, da ich mich dabei nicht einschränken lasse. Wenn ich Lust habe und es passt, spiele ich ein HipHop-Set, wenn nicht spiel ich etwas Elektronisches, ein Disco-Set oder alles zusammen. So bleibt es spannend. Mittlerweile kommen die Leute nicht mehr wegen meinen alten Sets, die sehr HipHop-lastig waren. Das hat sich schon aufgehört, dieses Publikum ist dann irgendwann gar nicht mehr gekommen (lacht). Es passt so wie es ist.

Du hast schon angesprochen, dass es bei dir stilistisch abwechslungsreich zugeht. Seit jeher möchtest du dem Genredenken möglichst entfliehen. Wie hat sich diese Motivation ergeben?
Mich langweilen Genres recht schnell. Es wird oft viel von Trends abgekupfert, sodass in einem Genre am Ende schnell alles gleich klingt und wenige Leute davon ausbrechen. Für mich war es immer interessant, andere Einflüsse zu hören und in die Produktionen zu transportieren. Früher hatte ich ja das Turntable-Projekt Decktales mit DJ Stylestab. Wenn ich mich daran zurückerinnere, war das Intro vom Mixtape eine Platte von Robag Wruhme, die wir auf 33 statt auf 45 Umdrehungen abgespielt haben. Wir haben immer versucht, im Tempo, in dem wir unterwegs waren, so viele Genres wie möglich zu vermischen, damit wir etwas Individuelles kreieren. Mit der Zeit ist dann auch die Tempogrenze weggefallen. Jetzt fühle ich mich ziemlich frei, das ist sehr wichtig für mich.

In welchen BPM-Sphären bewegst du dich derzeit?
Ganz stimmungsabhängig. Also das reicht wirklich zwischen 60 und 180 BPM. Es kommt auch darauf an, zu welcher Stunde ich anfange aufzulegen. Es war für mich immer schon interessant, möglichst viel zu kombinieren und zu schauen, was sich ausgeht. Das war auch am Album so. Da ist alles dabei – vom klassischen 4-to-the-floor über verspieltere Drumloops und Tracks, die ganz ohne Drums auskommen.

Inwieweit langweilen dich Produktionen, wenn sie nach einem festgelegten Schema ablaufen und quasi berechenbar sind?
Ein Loop der bei mir eine gewisse Stimmung auslöst kann mir schon auch viel geben, aber an sich bin ich bei instrumentaler Musik ein Freund davon, dass viel Variation dabei ist. Ein gutes Arrangement ist mir extrem wichtig, nur so kann ich eine Geschichte erzählen.

Gibt es dennoch eine gewisse Grundformel, nach der du deine Tracks produzierst?
Ich finde das rumspielen und ausprobieren beim Produzieren extrem wichtig, so erhalte ich mir auch den Spaß. Interessante Ergebnisse erziele ich oft, wenn ich mich mit einem Tool noch nicht zu hundert Prozent auskenne und sie für Prozesse anwende, für die sie nicht geschaffen sind. Sonst fange ich meistens mit Akkorden an um in den Workflow zu kommen. Oder es gibt eine Handy-/Recorder-Aufnahme, zu der mir etwas einfällt. Meine Produktionen sind am Ende sehr zerhackt, ich fange aber immer sehr flächig an.

Wie hat sich der Anspruch an die eigenen Produktionen mit der Zeit entwickelt?
Früher habe ich einen Track an einem Tag gemacht und mir gedacht: ‚Passt, der steht jetzt‘.  Mittlerweile versuche ich alles, was ich über die Jahre gelernt und mitgenommen habe, einfließen zu lassen. Man hört ja auch viel Musik. Ich bin ein ziemlicher Junkie, der jeden Tag mindestens zehn neue Releases hören muss. Natürlich auch ältere Sachen, die ich noch nicht kenne. Ich habe in der Früh das Ritual, Kaffee zu trinken, bisschen Nachrichten zu lesen und dann schaue ich nach, was alles rausgekommen ist und höre mich durch. Da nimmt man viel mit und lernt immer was dazu. Mit diesen Erfahrungen versuche ich natürlich das Maximum für die eigenen Produktionen rauszuholen. Der Anspruch wächst stetig mit jedem Release. Ich will mich ja nicht wiederholen.

B.Visible

Bisher hast du einige EPs mit je vier, fünf Tracks veröffentlicht, nun den ersten Longplayer. Was war generell bei der Herangehensweise anders?
Du kannst einfach mehr Diversität reinpacken und es somit spannender aufbauen. Es sind viele Tracks drauf, die ich nie auf eine EP hauen würde, weil sie für mich nur auf dem Albumformat Sinn ergeben. Ich glaube, ich habe damit eine Stimmung verpacken können, die bei mir über einen Zeitraum von eineinhalb Jahren dominiert hat.

Wie würdest du diese Stimmung beschreiben?
Bisschen süßsauer, zwischen fröhlich und nicht fröhlich. Ich bin zwischen beiden Extremen hin- und hergeschwommen und ich glaube, das hört man auch. Es ist trotzdem nie dieses total Melancholische. Ich war nie wirklich depressiv, der Zustand würde sich in meiner Musik wohl anders widerspiegeln. Es war keine richtig leichte, aber auch keine richtig schwierige Zeit, dennoch mit einigen Peaks nach ganz oben und ganz unten.

Wie viel ist bei dir noch samplebasiert?
Angefangen hat es natürlich mit einer MPC, wo du einen Loop hattest und du Drums unterlegt hast. Damit habe ich mich lange gespielt. Mittlerweile baue ich eine Produktion auf und schaue erst dann, was ich sampletechnisch noch drüberstreuen kann.

Suchst du aktiv danach oder läuft das mehr über Erinnerung?
Ab und zu erinnere ich mich, wo ich hinwill und weiß, wo etwas dabei ist. Aber ich habe mir über die Jahre eine große Sample Library angesammelt. Ich habe die Tracks von diversen Blogs runtergeladen, oder von Platten gerippt und alles total bescheuert benannt. Aber ich kenne mich aus (lacht). Es sind vor allem freistehende Instrumente. Wenn ich etwas wirklich Organisches will, greife ich darauf zurück. Aber ich zerhacke es dann meistens in die Anschläge. Ich nehme nie den ganzen Loop. Es geht mehr um die Klangästhetik des Samples. In letzter Zeit habe ich auch viele Tapes aus den 80er-Jahren und den frühen 90ern gesampelt. Da habe ich die schönsten Sachen gefunden.

Kommt es manchmal vor, dass du in ein Genre oder eine Ästhetik reinkippst und dann eine Zeit lang selbst bisschen in die jeweilige Richtung produzierst?
Das passiert durchaus. Es gibt einige Labels, die ich sehr mag. Zum Beispiel Music from Memory. Die bringen viele alte Sachen neu raus, haben aber auch unter aktuellen Releases eine ziemliche Vintage-Ästhetik. Ich höre da zum großen Teil unterbewusst eine Drum Machine raus. Die steht dann irgendwo im Studio und ich denke mir: ‚Fuck, die hab ich schon lang nicht mehr verwendet‘. Insofern hat es schon ein bisschen einen Einfluss. Aber nicht so, dass ich am Ende vom Track finde, dass es genauso klingt. Das ist mir zum Glück schon lange nicht mehr passiert. Während ich das Album produziert habe, habe ich viel Krautrock gehört. Das hat auf diverse Elemente Einfluss genommen, zum Beispiel wie ich teilweise mit Verzerrungen gearbeitet habe. Ich habe es gehört und dann vielleicht ein wenig anders umgesetzt.

Was hat dich in diesen rund zwei Jahren, an denen du am Album gearbeitet hast, noch besonders beeinflusst?
Jazz ist bei mir eine Konstante. Sonst auch viel frühes elektronisches Zeug basierend auf diesen klassischen Roland-Kasterln. Und lustigerweise auch viel Punkrock. Das hört man wahrscheinlich eher nicht raus.

Eher neuen oder älteren Punk?
Beides. Da fehlt mir halt leider oft die Zeit, nach neuen Sachen zu suchen, weil ich schon so viel in anderen Kisten stöbere. Aber ich wäre da natürlich gern mehr up to date.

B.Visible

Wie intensiv verfolgst du die internationale Beatszene?
Am meisten noch die experimentelle Elektronik-Szene, also in den vergangenen Jahren vor allem Labels wie Warp, Brainfeeder, Planet Mu, Black Acre oder Astro Nautico. Das ganze klassische Beat-Ding ist mir zu langweilig geworden und findet seinen Höhepunkt mit diesen bescheuerten Type Beats.

Du hast ja slowenische Wurzeln. Kürzlich habe ich auf Bandcamp einen Artikel über eine florierende Beat- und Elektronik-Szene in Ljubljana gelesen. Wie nimmst du diese war und bist du dort vernetzt?
In Ljubljana gibt es tatsächlich viel spannendes Zeug, zum Beispiel das Label rx:tx. Es gibt ein paar junge Leute wie .čunfa, der extrem interessante Sachen macht. Ich bin mit den Leuten in Ljubljana gut befreundet, auch weil es mein Zweitwohnsitz ist und ich viel dort bin.

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In Österreich bist du gut bei Duzz Down San und Honigdachs vernetzt, die meisten deiner EPs sind aber über das französischen Label Cosmonostro erschienen. Wie bist du dort gelandet?
Mich hat Guillaume von Cosmonostro über SoundCloud gefragt, ob ich ihm ein paar Tracks schicken kann. Die haben ihm dann gefallen. Ich bin später draufgekommen, dass er gemeinsam mit Joe Kay Soulection gegründet hat. Das hat von der Reichweite her schon was gebracht.

Du produzierst neben einem 20-Stunden-Job im Grafik-Bereich. Beide Sparten funktionieren denke ich sehr intuitiv. Arbeitest du in beiden am besten, wenn du dir keinen großen Kopf machst?
Im kreativen Prozess finde ich es super, in verschiedenen Bereichen herumzuleiern und sich von denen auch weiterbringen zu lassen. Oft kommt mir beim Gestalten meiner Bilder die Idee, wie ein Track weitergehen muss. Dann setze ich mich zur Klaviatur und macheda weiter.Deshalb habe ich auch Zuhause immer noch haufenweise Equipment rumstehen. Sogar am Arbeitsplatz liegt ein kleines Midi-Keyboard, wenn mal keiner herschaut.

Hast du für Videos schon Konzepte ausgearbeitet oder sogar mal selbst alles gemacht?
Bei früheren Projekten schon. Das aktuelle Video („Like TLC“, Anm.) war allerdings nur durch Teamwork realisierbar. Ich hatte im März eine Idee, die wir dann bis August gemeinsam ausgearbeitet haben. Das Grundkonzept war, ein total bescheuertes Produkt zu haben, nach dem sich die Menschen sehnen. Dann die Transformation vom Produkt zum Menschen, die in der Tanzszene passiert und der totale Missbrauch des eh schon sinnlosen Produkts. Jeder hat enorm viel Herzblut reingesteckt.

Wie viele Leute waren eingespannt?
Im Grundteam waren wir zu viert. In der Formation hatten wir die ersten Meetings, bei denen jeder Input beigesteuert hat. In dieser Besetzung haben wir auch das Video fertig geschnitten. Da würde ich gerne namentlich Isabella Strehlau, Vincent Leclaire und Franziska Seifner erwähnen, die einen Wahnsinns-Job gemacht haben und ohne die dieses Video nie möglich gewesen wäre. Danke auch an Klaus Track, der die Kamera gemacht hat und uns sein Studio zur Verfügung gestellt hat sowie an alle anderen Beteiligten. Bevor ich hier jemanden vergesse, würde ich lieber auf die Credits im Video verweisen.

Sind schon weitere Videos geplant?
Ja, why not? Aber jetzt mache ich mir keinen großen Kopf darüber. Ich will mich kreativ in vielen Bereichen ausleben. Visuell mache ich viel abstraktes Grafikzeugs, aber auch Videos sind eine Komponente, die ich in Zukunft wesentlich öfters aufgreifen werde, um mich auszudrücken.

Auf Instagram hast du einige deiner Grafiken gepostet. Wie würdest du sie beschreiben?
Kollagen von Fotos und Zeichnungen versehen mit digitalen Glitches. Bisschen das Gegenbild zu meinem Sound. Ich habe viele große Prints gemacht, vielleicht passiert damit in Zukunft etwas. Ich habe auch Videoinstallationen ausgearbeitet und versuche, das alles unter einen Hut zu bringen. Die visuelle Ebene ist zum Sound für mich sehr wichtig und ein schöner Ausgleich. Wenn es musikalisch bisschen stockt, kann ich mich da kreativ austoben und das löst auch wieder Knoten auf der Musik-Ebene. Das ist auch ganz wichtig für meinen Schaffensprozess.

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