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Gekommen, um zu bleiben: badmómzjay mit „Survival Mode“ // Review

Gekommen, um zu bleiben: badmómzjay mit „Survival Mode“ // Review

Eine ordentliche Portion Dramatik hat badmómzjay (21) in den Titel ihres zweiten Studio-Albums gepackt: „Survival Mode“ heißt der Nachfolger ihres 2021-Debüts „badmómz.“. Kein unpassender Titel, wenn man auf badmómzjays Karriereweg blickt. Sie musste sich durchbeissen, durchkämpfen und lernen, mit Rückschlägen umzugehen. Ein Shitstorm wegen ihres Songs „Snowbunny“ konnte ihren Aufstieg aber ebenso wenig bremsen wie die regelmäßigen Attacken der Kollegschaft, die wohl ein Stück weit auf Neid beruhen.

Badmómzjay hat mit 21 Lebensjahren schließlich sehr viel erreicht: Sie hat einen platin-prämierten Nummer-eins-Hit in ihrer Diskografie (als Feature auf der Kasimir1441-Nummer „Ohne dich“), gewann schon zwei MTV-Europe-Music-Awards als „Best German Act“, war auf und nicht nur in der Vogue (auf diese Unterscheidung legt sie wert, wie sie im Intro von „Survival Mode“ klarstellt) und spielt eindrucksvolle, weil buchstäbliche Live-Konzerte, auf denen sich zeigt: badmómzjay ist nicht für wenige ein Role Model. Das kam aber alles nicht von selbst, sondern ist das Ergebnis harter Arbeit. Das ist das Narrativ von „Survival Mode“, auf dem sie wieder zu großen Teilen auf die Beats von JUMPA vertraut.

badmómzjay zwischen Selbstzweifeln und Flexen

„Survival Mode“ ist auch dann am stärksten, wenn sich badmómzjay mit ihrem Struggle auseinandersetzt: Auf dem Intro „Survival Mode“ mit gleich drei Beat-Switches spittet sie sich die Seele aus dem Leib und rechnet mit Kritiker*innen und Hatern ab. Nicht nur dank der denkwürdigen Line „Für alles, was ich bin, gibt es in andern Ländern die Todesstrafe“ ein überragender Einstieg. Selbstzweifel thematisiert sie hingegen im mitreißenden Monolog „Warum bin ich so“, während sie auf dem Outro „How to Survive“ gedanklich zwischen der Verbundenheit zu den alten Homies und den Herausforderungen im Musikgeschäft changiert.

Aber sie hat auch andere Facetten, wie weitere Bretter auf „Survival Mode“ zeigen: Auf „Nie weil ich muss“ wird wild geflext und die Konkurrenz nicht mit harten Ansagen verschont. Der Song bleibt ebenso positiv im Gedächtnis wie „Yeah Hoe“ mit dem titelgebenden, altbekannten Three-6-Mafia-Sample aus „Mafia Ni**az“ und der unmissverständlichen Botschaft „LGBTQ ist keine Promo, das ‘ne Haltung“. Auch der freche Sex-Song „Hallelujah“ oder die durch und durch stabile Juju-Kollabo „Mh Mh“ wissen zu gefallen. Das emotionale Kontrastprogramm kommt in Form des musikalischen Treuegelübdes „4 Life“ mit Vito und Takt32 – ein Track mit ordentlich Pop-Appeal und Schmalz, aber noch im Graubereich zwischen Highlights und Skip-Kandidaten anzusiedeln.

Knallhart Kalkuliertes

Im Bereich der Skip-Kandidaten fallen jene Songs, die als knallhart kalkuliert erscheinen – ja, auch solche Nummern bietet „Survival Mode“. Der Party-Track „Auf die Party“ mit Domiziana schwimmt auf der Hyperpop-Welle und beschreibt Feiern als Tortur. Inhaltlich eine ziemlich belanglose Veranstaltung, bei der mit Ausnahme der Hook nichts hängen bleibt. Für einen Hit auf TikTok reicht es – und die Hook hat das Zeug zum „Guilty Pleasure“. Aber das ist auch alles.

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„Airplanes“ mit Kool Savas, eine Neu-Interpretation des 2010er-B.o.B.-Tracks, ist dann doch eindeutig zu viel des Guten. Einerseits gibt es die volle Ladung zusammenhangloser Lines aus der Rubrik Sozialkritik meets Real-Rap, die aus der KI-Schmiede hätten kommen können; andererseits funktioniert badmómzjays Cover der Hayley-Williams-Hook überhaupt nicht. Der Amapiano-Song „Komm mit“, für dessen Beat JUMPA mit dem französischen MHD-Produzenten BGRZ kollaborierte, wirkt im Vergleich dazu in Ordnung, hätte es aber nicht auf „Survival Mode“ gebraucht. So bleibt ein Album, das zeigt: Wenn badmómzjay liefert, dann richtig. Leider lässt sich das auch für den gegenteiligen Fall behaupten – was glücklicherweise jedoch weitaus seltener vorkommt.

Fazit

badmómzjay macht auf ihrem zweiten Album vieles richtig, Songs wie „Yeah Hoe“ oder „How to Survive“ taugen als künftige Visitenkarten ihrer Fähigkeiten; manch kritische Stimme wird nach diesen Nummern verstummen. Ein paar Ausreisser nach unten gibt es allerdings auch, „Airplanes“ sticht hier hervor. Nichtsdestotrotz zeigt „Survival Mode“: badmómzjay ist gekommen, um zu bleiben. Im Intro bezeichnet sie dieses Album als Fundament zu ihrem Thron. So falsch liegt sie damit nicht.

3,5 von 5 Ananasse