Als er 1997 THE MESSAGE gründete, hatte er gar keine…
Vorerst bis 13. April sollen die Schutzmaßnahmen in Österreich gelten, um die Ausbreitung des Coronavirus einzudämmen. Dass in wenigen Wochen ein Ende der Ausgangsbeschränkung erfolgt und bald wieder Verhältnisse wie noch vor ein paar Monaten einkehren, erscheint jedoch utopisch. Die Pandemie wird unsere Geduld wohl für viele Monate in Anspruch nehmen, die weitgehende Isolation kann an keinem gesellschaftlichen Bereich spurlos vorübergehen. Schon gar nicht am Kunstbereich, in dem prekäre Lebenslagen ohnehin keine Seltenheit sind. Musiker und Musikerinnen, Clubs, Agenturen und Labels sind längst nicht mehr „nur“ mit ein paar abgesagten Live-Shows konfrontiert. Klar ist, dass viele Existenzen bedroht sind, auch wenn sich die tatsächlichen Auswirkungen der Krise noch kaum abschätzen lassen.
Wir haben bei einigen österreichischen Musikern und Bookern nachgefragt, wie sie betroffen sind und wie sie mit der derzeitigen Situation umgehen. Zum Start einer kleinen Artikelreihe gibt Brenk Sinatra einen Einblick über vorerst auf Eis gelegte Projekte, seinen Umgang mit finanzieller Unsicherheit, um wen er sich besonders sorgt, welche Unterstützungsmaßnahmen er sich erhofft und wie er sich ablenkt.
The Message: Wie und seit wann bist du von der Corona-Krise betroffen?
Brenk Sinatra: Ich habe meine Tour Ende Februar beendet, als der ganze Wahnsinn begonnen hat und habe die zwei letzten Tour-Gigs in der Schweiz leider absagen müssen. Damals zwar, weil ich selbst verkühlt und kaputt war, aber da ging es auch schon mit Quarantänemaßnahmen los, also war das im Nachhinein denke ich sehr schlau. In der Schweiz gab es schon Versammlungsverbote. Ich war sozusagen am Heimweg und habe nach zwei Tagen gecheckt, dass die Scheiße richtig am Dampfen ist. Ich glaube, den Einfluss abschätzen kann noch niemand, weil keiner weiß, wie lange das Ganze dauern wird und die Leute vergessen, dass ein riesiger Rattenschwanz an Prozessen dranhängt. Es brechen nicht nur die eigenen Live-Shows weg – wenn ich einen Beat für jemanden mache und der auf Tour geht, kriege ich ja genauso Tantiemen, die fallen auch weg. Zusätzlich gibt es Leute, mit denen man vorhatte, Business zu machen, die jetzt auch verunsichert sind und im Moment nur ungern oder gar kein Geld in die Hand nehmen. Sachen, die man Wochen oder Monate geplant und genau geschedult hat, sind vorerst auf Eis gelegt. Alle haben Schiss, keiner weiß, wie flüssig er bleibt. Kleinere Clubs sind extrem gefährdet – noch mehr als die größeren. Ich habe schon mit ein paar meiner Booking-Kollegen gesprochen, die meinten, dass es gut sein kann, dass die Betreiber dieser Clubs, wenn‘s wieder bergauf geht, eine gute Zeit lang nur mehr „Sure Shots“ machen, die ihnen safe die Hütte füllen werden. Kleinere Acts, die vielleicht coolere Mucke machen, werden kaum mehr einen Zugang zu Gigs haben. Weil die Clubs nicht mehr riskieren können, dass sie ein kleines Minus machen oder an einem Abend nichts verdienen. Ich hoffe natürlich nicht, dass es sich so abspielen wird, aber es ist einfach überhaupt nicht einzuschätzen, wie das alles weitergeht – vor allem weil man nicht weiß, wie lang das so bleibt.
„Bis auf Platten-Releases ist alles auf Eis gelegt“
Wirft es deine Jahresplanung durcheinander?
Bei uns wird nach Quartalen geplant. Grob gesagt wird im ersten die Musik produziert, im zweiten werden die Tonträger hergestellt, im dritten kommt die Platte und im vierten folgt die Tour. Bis auf Platten-Releases ist alles auf Eis gelegt. Ich nehme nicht an, dass man ein geplantes Release im dritten Quartal verschieben muss, weil die Presswerke funktionieren werden, die Leute Platten kaufen und sowieso gestreamt wird. Da sehe ich nicht so das große Problem, aber auch das wird Zeit brauchen. Wenn sich die Lage wieder beruhigt, glaube ich nicht, dass die Leute weniger Merch oder Platten kaufen werden. Aber wenn es eine komplette Wirtschaftskrise geben wird, sich die Wirtschaft gar nimma dafangt und die Leute massenweise gekündigt werden, brauchen wir nicht über Merch oder so zu reden. Dann geht’s ums Überleben. Aber das ist gerade alles schwierig abzuschätzen.
Wie geht ihr mit dieser Situation um?
Es klingt vielleicht blöd und ich möchte die jetzige Situation keinesfalls runterspielen, aber generell hatte ich persönlich nie eine finanzielle Sicherheit. Ich bin kein Dienstleister, der irgendwas macht, das jetzt total trendy ist. Ich war auch sehr oft mit dem Rücken zur Wand. Deswegen glaube ich, dass ich mit finanzieller Unsicherheit etwas besser als der durchschnittliche Angestellte umgehen kann. Ich habe auch als Selbstständiger kein fixes Gehalt, da lebt man von der Hand in den Mund. Manchmal hat man mehr, manchmal weniger. Ich sage immer, dass bei mir nur alles funktioniert, wenn ich mein Income auf mehrere Bahnen lenke. Wenn eine Bahn blockiert ist, kann es schwierig werden. Aber ich habe immer versucht, mich ein bisschen breiter aufzustellen. Damit, wie in so einem Fall, die anderen Sachen noch funktionieren. Aber Sicherheit gibt es da keine. Es ist genauso, wie alle anderen jetzt day by day schauen, wie es weitergeht. Das Einzige ist, dass ich jetzt noch mehr Musik mache. Ich bin vorher schon nicht viel rausgegangen, jetzt so gut wie gar nicht. Ich versuche natürlich, mich regelmäßig zu bewegen, aber vom Tagesablauf her hat sich für mich nicht viel verändert. Ich war nicht viel auf Partys unterwegs und wenn ich nicht mal selbst live gespielt habe, war ich so gut wie nie draußen. Außer hier bei der Donau spazieren und das kann ich jetzt auch noch.
Also von dieser Routine her ändert sich für dich eigentlich wenig.
Sehr wenig. Das Einzige ist, dass man jetzt beim Rausgehen schon ziemlich paranoid ist: Türen mit dem Ellbogen aufmachen und ja versuchen, nichts anzugreifen, die Hände 15-mal desinfizieren und einen Bogen um Leute machen, wenn du sie aus fünf Metern siehst. Aber vielleicht bin auch nur ich so paranoid, keine Ahnung. Die Situation gerade ist jedenfalls nicht ohne.
Es ist echt so – Karate-Move bei jeder Tür.
Absolut. Und dann versuchst du, mit eher wechselndem Erfolg einzukaufen, weil die ganzen Wahnsinnigen sechs Kilo Heislpapier in der Stunde und auch sonst alles was geht hamstern. Wenn einem das Desinfektionsmittel ausgeht, bekommt man ein Problem, weil es mittlerweile permanent ausverkauft ist. Vollkommen irre.
Darüber könnten wir stundenlang reden. Ich glaube, die Leute denken nicht drüber nach und hören nicht zu. Es heißt ja immer: „Die Geschäfte werden nicht geschlossen. Hamsterkäufe sind nicht nötig. Entspannt euch!“
Ganz ehrlich – vielleicht ist es bisschen so, weil wir Ostblockler sind, auch den Kommunismus selbst miterlebt haben, dass Verwandte oft mit sehr wenig auskommen mussten. Auch in Nicht-Krisenzeiten ist es gut, wenn du etwas „on stash“ hast. Also Grundnahrungsmittel und Sachen, die du schnell machen und mit allem kombinieren kannst – Bulgur, Couscous, Kartoffeln und so Zeug. Ich denke, dass das prinzipiell nicht schlecht ist, schon alleine damit man nicht ständig in den Supermarkt rennen muss. Aber dieses Leerkaufen zurzeit ist wirklich crazy.
Ich glaube, wir sind in einer ähnlichen Situation aufgewachsen, wo es nicht immer alles gegeben hat. Durch dieses harte Arbeiten für das, was man erreicht hat, was auch immer das sein möge, könnte uns dieser Verzicht vielleicht sogar ein bisschen entgegenkommen. Deshalb ist das sicher nicht so ein Riesen-Einschnitt wie für einen Porschefahrer.
Ja. Charlamagne vom „Breakfast Club“ hat gesagt, dass, „Ghetto People“, wie er sie genannt hat, am besten mit so einer Krise umgehen können, weil sie immer gezwungenermaßen aus dem Nichts etwas machen mussten. Da ist was Wahres dran, obwohl ich mich natürlich nicht direkt damit vergleiche. Aber wenn man es prinzipiell schon manchmal erlebt hat, dass es Sachen nicht gibt oder Engpässe da sind, kann man damit möglicherweise besser umgehen. Aber klar, als Mitteleuropäer bist du daran gewöhnt, dass alle Regale immer voll sind. Dass das nun zum ersten Mal nicht so ist, erzeugt bei vielen schon Panik. Ich kann mich an slowakische Geschichten von früher erinnern. Ich war dort zwar nur zu Gast bei der Family, aber da hat man die Knappheit an Lebensmitteln und anderen Dingen schon als kleines Kind mitbekommen – und dass man für längere Zeit ohne bestimmte Dinge auskommen musste.
Man sagt ja, dass Not erfinderisch macht. Glaubst du, dass das nicht auch was „Positives“ haben kann, woraus wir dann vielleicht gestärkt rausgehen können?
Das Einzige, was ich grade sehe ist, dass sich die Leute vielleicht durchs Zuhausebleiben und Entschleunigen etwas mehr auf sich selbst und das, was sie eigentlich machen wollen, fokussieren. Dieser Hamsterrad-Wahnsinn, Tag ein Tag aus. Das Einzige, was mir aktuell durch den Kopf geht ist, dass viele draufkommen werden, dass viele Dinge, die sie vor zwei Wochen noch jeden Tag gebraucht haben und die sie nicht mehr haben, gar nicht so wichtig sind. Ich weiß es nicht. Natürlich ist der Anlass scheiße, aber prinzipiell kann man auch aus solchen Situationen etwas lernen.
„Viele Kollegen verlieren um die 80 Prozent ihrer Einnahmen“
Welche Auswirkungen wird das deiner Einschätzung nach für die österreichische Musikszene haben?
Ich habe, wie vorhin erwähnt, mit mehreren Booker-Homies geredet und sie um ihre Einschätzung gefragt. Sie meinten, dass es keine mittlere, sondern eine richtige Katastrophe ist. Sie haben das auch bewusst so gesagt, obwohl Katastrophe ein starkes, schweres Wort ist. Und dass jetzt schon kleinere Clubs Konkurs angemeldet haben. Das Schlimmste wäre natürlich, wenn nur jene Acts überleben, die in großen Hallen spielen. Die Vielfalt würde verloren gehen und es wäre so, als wenn es nur mehr Ö3 geben würde. Da mache ich mir auf jeden Fall Sorgen – nicht nur um mich. Ich habe viele Kollegen um den ganzen Globus verteilt, die zum Teil auch schon Kinder haben und die hauptsächlich vom Live-Spielen leben – ihnen gehen jetzt um die 80 Prozent ihrer Einnahmen verloren. Und wie ich vorhin gesagt habe, hängen im Musikbusiness immer viele Prozesse aneinander. Es ist ja nicht nur die Gage fürs Live-Spielen weg. Gerade als Producer bist du auf viele andere Faktoren angewiesen. Es hängt überall ein Rattenschweif an Kohle dran, die jetzt allen fehlt. Und wir haben es als selbstständige Musiker milde ausgedrückt sowieso nicht einfach in Österreich. Ich hoffe sehr, dass auch die Kulturschaffenden von der Politik nicht vergessen werden, weil es ohne sie ein sehr tristes Land werden würde. Vor allem geht es um die, die nicht ganz oben schwimmen, aber die wichtigen Impulse und Trends setzen, die Kreativen, die ständig neue und geile Sachen fabrizieren. Ich will nicht, dass die verstummen.
Welche Maßnahmen oder Initiativen wünscht du dir?
Dass der Staat versucht, zumindest die durch den Coronavirus entstandenen Verluste zu kompensieren. Weil wie gesagt, wir zahlen auch alle Steuern und sind ein wichtiger Teil unserer Gesellschaft. Bisher habe ich schon von ein paar Hilfsmaßnahmen, die auch für uns gedacht sind, mitbekommen. Aber wer hier schlussendlich was bekommt, ist bis dato die große Frage – da habe ich auch wieder die Befürchtung, dass die Leute, die es am meisten brauchen, am Ende am wenigsten bekommen werden. Aber ich will jetzt auch nicht zu pessimistisch sein, warten wir mal ab. Generell fände ich fair, wenn die SVA den kommenden Beitrag, ebenso Hausverwaltungen die Miete einmal aussetzen würden. Dann hätten alle ein klein bisschen Zeit zum Verschnaufen.
Aber es ist ein wichtiges Anliegen und eine berechtigte Sorge, das anzusprechen.
Voll, hundertprozentig. Gerade im Bereich, in dem wir uns bewegen, geht’s oft um jeden Cent. Da gibt es natürlich Künstler, die wesentlich weniger als ich verdienen. Und dann gibt es auch klar eine Menge, die wesentlich mehr verdient. Ich hoffe, dass es so aufgeteilt wird, dass die Künstler was bekommen, die mehr von der Hand in den Mund leben und dass nicht wieder die zwanzig Leute abgrasen, die es eh gar nicht so benötigen, aber am besten vernetzt sind. Ich hoffe immer noch auf die Vernunft, und dass es am Ende ein halbwegs gerechtes Paket geben wird.
Es ist so crazy, wenn man sich vorstellt, dass das etwas ist, das du nicht sehen und begreifen kannst. Das ist wie in einem schlechten B-Horror-Film, so einem Splatter-Scheiß.
Ja – und ich habe sehr viele Horrorfilme gesehen, das heißt meine Fantasie dreht sowieso durch. Wenn das ein Film wäre, hätte ich jetzt schon 18 Varianten, wie er enden könnte.
Und welches Ende willst du ihm geben?
Ich hoffe nicht so, wie solche Filme in der Regel enden würden. Das wäre nicht gut, mal abgesehen von irgendwelchen Zombies (lacht). Natürlich denkt man, was ist, wenn einfach Mayhem und Chaos ausbrechen? Es sind ganz menschliche Gedanken, so: Okay, jetzt läuft‘s zwar noch, aber was wäre, wenn das und jenes wegfällt? Was, wenn zum Beispiel die Strom- oder Wasserversorgung abbricht? Man hofft natürlich, dass es nicht so kommt und alles cool bleibt, aber man ist schon sehr nervös, wenn man an solche Szenarien denkt. Also ich zumindest.
„Ich versuche, noch mehr Waschbärvideos zu schauen“
Ich glaube, je mehr Gedanken man sich macht, desto ärger und realer können einen diese ganzen Auswirkungen beschäftigen.
Ja. Ich merke auch, dass ich mich nur ablenke, wenn ich Musik mache. Sobald ich aufhöre und den Fernseher einschalte, merke ich, wie man mit Neuigkeiten bombardiert wird. Man ist auf der einen Seite neugierig und will sich informieren, auf der anderen will man sich ablenken und auch positive Sachen mitbekommen – was gerade etwas schwierig ist. Deswegen versuche ich, jetzt noch mehr Waschbärvideos als sonst zu schauen.
Gibt es Projekte, an denen du als Überbrückung arbeitest, bis die Sachen, die auf Pause sind, wieder aufgenommen werden können?
Na, gar nicht. Auch ohne den ganzen Wahnsinn würde ich das machen, was ich jetzt mache. Jetzt arbeite ich noch mehr, weil ich noch weniger rausgehen kann oder will. Ein neues Instrumentalalbum mache ich auch gerade fertig. Das wollte ich eigentlich in zwei bis drei Monaten fertig haben, das geht jetzt wohl ein wenig schneller. Sonst sind es viele kleine Sachen, die ich jetzt fertig mache. Neue Beats für Rapper und solche Geschichten – einfach mal wieder meinen Beat-Stash aufbauen, damit ich mehr zu verballern habe.
Das klingt gut. Vielleicht hat es ja auch was Positives für dich, so gesehen.
Ja, aber wie gesagt, ist der größte Wunsch einmal, dass alle gesund bleiben, dass die Eltern, die Älteren und auch sonst alle safe sind. Und dass alle genug zu fressen haben, dann bin ich schon happy. Wichtig wäre mir auch, dass die Gesellschaft in solchen Zeiten ganz genau erkennt, welche Menschen unser Miteinander auf ihren Schultern tragen. Das sind bestimmt keine Aktienspekulanten oder Konzernbosse, sondern die Ärzt/innen, Pfleger/innen, Kassier/innen in den Supermärkten, Fahrer/innen der öffentlichen Verkehrsmittel und Mitarbeiter/innen der Strom- und Wasserversorgung. Das Applaudieren und Klatschen um 18 Uhr ist eine nette Geste, davon kann sich am Ende des Tages aber keiner etwas kaufen. Hier muss es zu einer drastischen Umverteilung der Gehälter kommen, damit diese Berufsgruppen für ihren Einsatz auch in Nicht-Krisenzeiten ordentlich entlohnt werden.
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Als er 1997 THE MESSAGE gründete, hatte er gar keine Ahnung, was da alles auf ihn zukommen würde. Als Fotograf überlässt er lieber Berufeneren das Schreiben. Dafür fragt er gerne nach. Nur in seltenen Fällen haut er selbst in die Tasten. Aber da muss schon viel passieren. Einfach lieber am Auslöser