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„Die AfD ist Meister der Provokation“ // MC Bomber Interview

„Die AfD ist Meister der Provokation“ // MC Bomber Interview

Fotos: Alex Gotter

Gerade vom lokalen Schnitzelrestaurant zurück, empfängt uns MC Bomber im Backstage. Zwecks Entspannung gönnt sich der Berliner Rapper mit den explizit-provokanten Texten erstmal einen Weisswein, Imagepflege muss schließlich sein. Während des Interviews verlagern sich seine Blicke immer wieder auf das Display seines Handys, da Voract Mista Meta scheinbar vom Erdboden verschwunden zu sein scheint. Einen Einfluss auf seine Äußerungen im Interview hat dieser unvorhergesehene Stress nicht, geht Bomber ausführlich auf unsere Fragen über Kriegsliterat Ernst Jünger, Booking bei einem AStA-Festival, AfD und seine Darstellung im ZDF ein.

The Message: Du bist ja in Berlin im Graffiti-Umfeld zu verorten. Bekommt man auch über die Grenzen Österreichs etwas von der Wiener Szene mit?
MC Bomber: Ich bekomme zurzeit nicht sonderlich viel von Graffiti mit. Mir fehlt auch derzeit das Interesse, da ich mit vielen anderen Sachen beschäftigt bin. Ich habe in Wien auch noch nie gemalt, obwohl ich hier schon sehr oft war. Obwohl – doch! Einmal habe ich ein Backjump gemalt. Das war allerdings nur auf Durchreise während einer Balkantour. Mit Local-Sprayern habe ich leider keine Kontakte.

Wie kann man sich die Labelarbeit mit Frauenarzt bei Proletik vorstellen? Kooperiert ihr mit einem Major?
Es ist alles independent. Für „Predigt“ hatten wir einen Vertriebsdeal mit Urban. Das neue Album läuft über Believe. An sich bedeutet das heutzutage ja gar nichts mehr. Andere Indie-Labels wie Live from Earth haben eine Finanzkraft, mit der sie durchaus mit Majors mithalten können.

In deiner Diskografie lassen sich mittlerweile zwei Tracks mit dem Titel  „Waldgang“  auffinden, ein Titel, der auf den gleichnamigen Essay von Ernst Jünger hindeutet. Wie stehst du zu ihm als Autor?
Als Fan würde ich mich keinesfalls bezeichnen. Ich habe viel von ihm gelesen und mag es, wie er schreibt. Auch nicht alles, allerdings gefallen mir viele seiner Gedanken.

In dem Essay „Der Waldgang“ beschreibt er den Waldgänger als Widerständler, der sich in einer kritischen gesellschaftlichen oder politischen Lage verabschiedet und in den Wald zieht.
Das ist der Unterschied zwischen dem Anarchist und dem Anarch. Der Anarch bringt sich eben selbst nicht um und wirft keine Schrabnelle irgendwo rein, sondern befindet sich im Inneren, im Widerstand.

Kannst du dich mit dem Figurenkomplex identifizieren?
Sich mit der Figur in heutigen Zeiten zu identifizieren wäre vielleicht ein wenig pathetisch. Sich selber als Waldgänger zu glorifizieren, wäre dann doch ein wenig lächerlich. Dafür geht es uns dann doch noch etwas zu gut. Es könnte allerdings tatsächlich, wenn man sich die europäischen Entwicklungen anschaut, Zeiten geben, in denen man sich doch entscheiden muss, ob man da mitmachen will oder zum Waldgänger wird.

Inwieweit könnte man Techno als Form des modernen Waldganges sehen?
Gute Frage. Ein Stück weit kann man das durchaus so sehen. Es ist ja schon eine Nische, trifft sich mit seinen Freunden und macht Sachen, die nicht gesellschaftskonform sind. Man macht es in einem kleinen Kreise und manchmal durchaus auch im Wald.

„Ob Humor die richtige Taktik ist, bezweifle ich“

Du hast es eben schon erwähnt, dass es in Europa durchaus politische Tendenzen gibt, die gefährlich werden könnten. Steuern wir in eine derartige Richtung? Stichwort Bayern und das neue Polizeiaufgabengesetz.
Ja, genau darin liegt die Gefahr. Derzeit interessieren sich nur ein paar Datenschützer für dieses Gesetz, aber was ist, wenn der Ton mal rauer wird? Was ist, wenn die AfD Deutschland regiert? Ich find’s schon schlimm genug, dass Bayern von der CSU regiert wird (lacht). Wenn man sich dann jedoch vorstellt, dass Bayern von der AfD regiert wird, ist dieses Gesetz durchaus eine Waffe, die in den falschen Händen gelangen kann. Gerade wenn man den Blick nach Osteuropa wagt, weht der Wind doch schon relativ stark von rechts. Man sollte sich dann doch als kleiner, wuchtiger, linksliberaler, städtischer Europäer durchaus auf etwas gefasst machen. Alle sitzen in ihrer Käseglocke und machen sich über Trump oder die AfD lustig. Ob Humor die richtige Taktik ist, bezweifle ich. Am Ende wundern wir uns und wachen in einem Albtraum auf.

Die AfD stand auch neulich aufgrund des Beefs zwischen Farid Bang und Alice Weidel in den Schlagzeilen. Sie hat ihn als „asozialen Marrokaner“ tituliert und sich für eine Abschiebung ausgesprochen. Wie stehst du dazu?
Fairerweise muss man erstmal sagen, dass sie ihn da erstmal nur zitiert hat. Als „asozialen Marrokaner“ hat er sich primär selbst betitelt. Die lassen sich auch immer die rhetorische Hintertür offen. Die AfD ist Meister der Provokation, die können das deutlich besser als wir Rapper. Das mit der Abschiebung ist absoluter Blödsinn und eine utopische Forderung. Der Typ ist deutscher Staatsbürger und fertig. Was ich von Farid Bang halte, steht auf einem anderen Blatt.

„Ich finde den Volksverhetzungsparagrafen falsch“

Gibt es für dich dabei eine Grenze der Meinungsfreiheit?
Finde ich nicht. Ich bin ein absoluter Verfechter des Ganzen. Ich finde auch den Volksverhetzungsparagrafen falsch. Man kann Menschen nicht daran hindern, dumme Gedanken zu haben und diese zu äußern. Wenn man das ändern will, muss man die gesellschaftlichen Umstände bekämpfen und nicht die Wörter verbieten. Sprechverbote bringen leider nie etwas. Die Tabuisierung wirkt da doch eher als Anreiz, bestimmte Sachen erst recht zu äußern.

Roman Polanskis neuer Film „Nach einer wahren Geschichte“ ist seit Freitag in den deutschen Kinos zu sehen. Polanski war wegen Vergewaltigung einer 13-Jährigen angeklagt. Wie sollte man das künstlerische Werk von einem solchen Menschen betrachten?
Na, das gehört ja in Hollywood mittlerweile zum guten Ton, dass man als Kind in den Arsch gefickt wurde. Leider muss man dennoch das Kunstwerk immer losgelöst von der künstlerischen Person dahinter betrachten. Ich feiere zum Beispiel Mel Gibson sehr und halte ihn für einen erstklassigen Regisseur. Doch grade er ist ein Paradebeispiel dafür, wie man ein tolles Oevre einfach vom Menschen trennen muss.

Kürzlich wurde der Auftritt der 187 Strassenbande auf dem AStA-Festival in Paderborn aufgrund von Drucks der Universität abgesagt. Sie starteten eine Petition  mit dem Kampfsatz „Sexismus ist keine Kunstform“ und erhöhten so den Druck auf die Künstler. Du wurdest ebenfalls für das Festival gebucht, wie stehst du dazu?
Die haben auch meinen Auftritt abgesagt. Ich wurde auch Opfer dieser Androhungen von irgendwelchen politisierenden Blödmännern, die der Meinung sind, dass man asoziale Texte mit asozialem Verhalten verhindern kann. Diese Schreihälse haben recht bekommen. Vielen Dank dafür.

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„Fernsehen als Medium ist sowieso obsolet“

Eine andere Farce war ein Stück weit auch dein ZDF-Interview.
Ja, das war furchtbar. Ich hab jetzt auch eine Anfrage durch das „Heute-Journal“ bekommen, weil die irgendetwas über Rapper machen wollen. Das habe ich allerdings direkt abgesagt, weil ich keine Lust darauf habe, mich verarschen zu lassen. Fernsehen als Medium ist sowieso obsolet.

Wie hat dieses Erlebnis deine Wahrnehmung der Medienbranche geändert?
Hat es tatsächlich. Ich habe ein einstündiges Gespräch mit den zwei Damen geführt und am Ende haben die zwei Minuten so zusammengeschnippelt, in denen ich wie ein Volltrottel gewirkt habe. Die Herangehensweise der „GEZ-Lügenpresse“, um das bescheuerte Wort einmal zu gebrauchen, ist leider so, dass man mit einem Ressentiment an eine Thematik herangeht und lediglich dieses bestätigt haben will. Das ist leider das Gegenteil von investigativem Journalismus und einer differenzierten Debatte. Man brauchte das blöde Rappertoastbrot und das musste dann auch so serviert werden. Eine Suggestivfrage, dann lassen sie dich zwei mal was Kritisches sagen. Im Endeffekt kannst du dir das dann auch sparen. Die sollen bitte ihre Zeit verschwenden, aber bitte nicht meine.

Heute hast du deinen Atzen Mista Meta als Support dabei, was können sich die Upstruct-Fans in Zukunft erwarten?
Es wird von allen viel kommen. Die haben alle auch noch Nebentätigkeiten und müssen das unter einen Hut bekommen. Shacke hat jetzt sein Studium abgebrochen und konzentriert sich jetzt wie ich komplett auf die Mucke. Die anderen machen das nur auf Teilzeit. Ich will da jetzt auch nicht für die sprechen, allerdings wird da sicherlich noch viel kommen.

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