Radio-Afficionado. Von Deutschrap über französischen & britischen Rap und natürlich…
Wenn im Vorfeld eines Konzerts Karten billiger als zum Einkaufspreis verkauft werden, ist das selten ein gutes Zeichen. Im Falle des gestrigen Auftritts von Bryson Tiller im Gasometer hatte dies aber weniger mit dem Main-Act zu tun als mit dem Voract. Der geplante Support-Slot von SZA platzte nämlich aufgrund von Terminkollisionen, IAMDDB musste einspringen. Das bewog einige Fans dazu, auf das Konzert zu verzichten und ihre Karten zu verscherbeln. Man könnte fast meinen, dass SZA in Wien beliebter sei als der Main-Act. Nicht abwegig, Trends sind nun mal nicht überall gleich, bekanntlich ist Wien ja „anders“ . Somit war zu befürchten, dass der eigentliche Hauptact (und in den USA durchaus Superstar-Status vorweisende) Bryson Tiller vor einer eher dürftigen Crowd auftreten würde. Und das auch noch in einer großen Location wie dem Gasometer. Ein Glück, dass dieser den Gegebenheiten anpassbar ist (man kann ihn zumindest etwas kleiner wirken lassen) und somit auch Iamddb vor einer passablen Kulisse spielen durfte. Wenn man bedenkt, dass die Britin vor weniger als zwei Wochen noch im Camera Club eine Solo-Show spielte, muss das für sie zumindest ein cooles Gefühl gewesen sein, nun auf einer deutlich größeren Bühne zu stehen. Vielen der jetzt schon kreischenden Mädels schien sie außerdem keine Unbekannte zu sein, wodurch sie schnell eine gute Verbindung zur Crowd aufbauen konnte. Wie auch bei ihrer deutlich intimeren Solo-Show, ließ sie sich trotz der größeren Location nicht abschrecken, viel mit dem Publikum zu kommunizieren und rumzublödeln. Fast schon zu viel. Dafür sitzt ihre musikalische Performance perfekt, viel kann sie bei ihrem Repertoire auch nicht falsch machen. Zu den Klängen von „Bodak Yellow“ hinterlässt sie ein einigermaßen „auf’gwärmtes“ Publikum, das auch in der Umbaupause seinen Spaß mit der Musik hat. Da kann auch mal die leere Bühne gefilmt werden, wenn der Lieblingstrack über die Riesenanlage gespielt wird. Kann man dann seinen Enkeln zeigen.
Ein paar Minuten später schnellen die Handys und die Stimmbänder wieder hoch, Bryson ist da! Kreisch! Der Sänger/Rapper performt vor einer länglichen Video-Wall, begleitet von Live-Drums, Keys und einem DJ/Back-up. Während Live-Drums – die im Studio produzierte Beats nachspielen sollen – bei HipHop-Shows (meiner Meinung nach) oft deplatziert wirken, ist ihr Einsatz bei Tiller’s Show nicht störend. Die Keys begleiten die kurz gehaltenen Anmoderationen des Rappers, in denen er sich dankbar und anerkennend zeigt. Er spielt einen Mix aus seinem Erfolgsalbum „Trapsoul“, das ihn in die Liga katapultierte, in der er heute ist und natürlich dem Nachfolgealbum „True to self“. Der Funke will aber nicht ganz überspringen, man sieht den Rapper sogar vor lauter fehlenden Handybildschirmen vorm Gesicht. Das ändert sich ab „Exchange“, bei dem das Publikum weitaus textsicherer agiert. Handy-Index stimmt auch wieder. Um die Crowd auf diesem Enthusiasmus-Level zu halten, hat Bryson genug Hits im Gepäck (sein Part auf „Wild Thoughts“ darf da sowieso nicht fehlen). Den Größten hebt er sich bis zum Ende ab: Für „Don’t“ beweist das Wiener Publikum, wie es das ganze Konzert hätte sein können. Oder sein müssen. Leider ein bisschen zu spät. Nach 50 Minuten Show hat Bryson Tiller genug. Wir sollen ihm noch versprechen, dass wir uns selbst treu bleiben. Die Antwort will er nicht hören, er ist schon weg, Lichter sind auch schon an. Ach, die Amis…
Fazit: Ein eher mittelmäßiger Konzertabend, was sich durch die Absage von SZA leider schon im Vorfeld abgezeichnet hat. Dass sich die Motivation bei einem Künstler, der es gewöhnt ist, in Riesenhallen vor einem Publikum zu spielen, das jedes einzelne Wort mitkreischt, in Grenzen hält, ist verständlich. Dass sein Set in anderen Städten jedoch genau so kurz war, wage ich zu bezweifeln. Es kann aber auch niemand was dafür, dass Bryson Tiller nun einmal einer dieser Acts ist, die in ihrer Heimat (und auch diversen anderen europäischen Städten) überproportional mehr Fans haben als bei uns. Somit ist es schwierig, eine Location zu finden, die den Ansprüchen des Künstlers gerecht wird und gleichzeitig die ideale Größe bietet (und dessen Kapazität auch noch die Kosten decken kann). Trotzdem ist es schon etwas Positives, dass viele der Touren, die früher an Österreich vorbeigegangen sind, nun auch hier einen Stopp machen. Außerdem hat’s auf Snapchat sicher eh fett ausgeschaut.
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Radio-Afficionado. Von Deutschrap über französischen & britischen Rap und natürlich Österrap. Außerdem Battle-Rap-Fanatiker und beherrscht die Beistrichregeln, nicht, besonders, gut.