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Bekömmliches Experiment: Cypress Hill mit „Elephants on Acid“ // Review

Bekömmliches Experiment: Cypress Hill mit „Elephants on Acid“ // Review

(BMG/VÖ: 28.09.2018)

Im Zoo von Oklahoma ereignete sich 1962 ein besonders fragwürdiger Tierversuch. Aus nicht eruierbaren Gründen befand es der Arzt Dr. Louis Jolyon West als lohnenswert, einem Elefanten LSD zu spritzen. Jedoch nicht die Menge, die der Körper eines drei Tonnen schweren Elefanten vertragen würde, sondern die 30fache Dosis. Der asiatische Elefantenbulle Tusko musste dieses bizarre Experiment über sich ergehen lassen und bezahlte es mit seinem Leben; wobei nicht geklärt werden konnte, ob das LSD dafür verantwortlich war, oder die Thorazine und die Tranquilizer, die West dem vollkommen neben sich stehenden Tier verabreichte.

Mehr als 50 Jahre später bekommt dieses Experiment popkulturelle Bedeutung. Wenig überraschend durch die Mannen von Cypress Hill, die prädestiniert für die Verarbeitung dieses Stoffes erscheinen. Der Elefantenversuch findest schließlich auf prominente Weise Eingang in das neunte Studioalbum der Kalifornier. Dessen Titel lautet vielsagend „Elephants on Acid“, der Opener bekam gar den Namen „Tusko“ verpasst. Das Geräusch vom Tröten eines Elefanten darf auf dem Album auch nicht fehlen.

Für Cypress Hill kommt das Album über die berauschten Elefanten einem Comeback gleich. Geht es für DJ Muggs, B-RealSen Dog und den gerne vergessenen Percussionisten Eric Bobo darum, die Schmach des furchtbar unentschlossenen „Rise Up“ (2010) auszumerzen. Das traut man Cypress Hill zu. Ein Blick auf die Karriere der Kalifornier ist dafür das beste Argument, war nach den ersten drei formidablen Alben die Laufbahn von Cypress Hill von wiederkehrenden Perioden des Auf und Abs geprägt.

Positiv kommt hinzu, dass sich diesmal DJ Muggs alleine den Beats annahm. Also kein Frickelwerk mit  Instrumentals von Gitarrenschmeichlern der Marke Tom Morello (Rage Against the Machine) und Daron Malakian (System of a Down) wie auf „Rise Up“, sondern alles aus der Hand eines Produzenten, der in den Monaten zuvor eindrucksvoll beweisen konnte, dass seine Loops nichts an Raffinesse und seine Drums nichts an Power eingebüßt haben.

Damit nicht genug, fügen die Inspirationsquellen von DJ Muggs für „Elephants on Acid“ weitere Facetten der Spannung hinzu. Ausgedehnte Reisen, unter anderem nach Ägypten und Jordanien, liegen dem Album zugrunde. Diese mannigfaltigen Einflüsse sind hörbar, fließen aber in ein kohärentes Soundbild zusammen, da „Elephants on Acid“ durchwegs im Feld psychedelischer Tonkunst unterwegs ist. Das spiegelt sich in der Samplewahl wider. So bediente sich Muggs auf dem mit Sadat und Alaa Fifty in Ägypten entstandenen „Band of Gypsies“ bei der japanischen Psych-Rock-Gruppe Flower Travellin‘ Band oder für „Reefer Man“ bei der ebenfalls aus Japan stammenden Jazz-Fusion-Band Hiroshima.

Der Klangteppich auf „Elephants on Acid“ ist dicht und vielschichtig und umfasst Raritäten wie eine Sitar (von Cypress Hill allerdings bereits bekannt aus dem „III – Tempels of Boom“-Track „Red Light Visions“), die persische Kurzhalslaute Oud oder das Membranophon Kazoo, die sich in die große Bandbreite an Instrumenten, die Muggs sonst in seinem Repertoire hat, einfügen. Die Drums sind gewohnt staubig, die Basslines, nicht erst seit dem Dubstep-Ausflug „Bass for Your Face“ (2013) eine der schärfsten Waffen von Muggs, unnachgiebig. Das zeigt sich besonders auf dem Track „Falling Down“, wo jene fast schon eine erdrückende Präsenz einnimmt.

Vereint werden diese Ingredienzien in einem Mix, der mit betont verwaschen klingendem Sound das Gefühl eines Halluzinogens über das Projekt stülpt. Selbst poppigere Spielereien wie „Crazy“ oder „Oh Na Na“ (mit Background-Vocals von Muggs-Tochter Frankie) brechen aus diesem Schleier nicht aus. Das ist für den Flow des Albums eine gute Sache. Die Möglichkeit, ein neues „Insane in the Brain“ zu schaffen, wird damit aber auf ein Minimum reduziert. Keine Hits, sondern ein möglichst stimmiges Album, dieses Credo steckt hinter „Elephants on Acid“. Vom Sound funktioniert das ebenso wie von den Thematiken.

Inhaltlich erfinden sich Cypress Hill auf „Elephants on Acid“ nicht neu. Marihuana ist für B-Real und Sen Dog immer noch das Lieblingsthema, das hat sich in den 3o Jahren Bandgeschichte kein bisschen geändert. Bei dem Albumtitel wäre eine Abkehr sowieso unlogisch. B-Real verweist in „Jesus Was a Stoner“ daher folgerichtig auf seine Bezeichnung als „Weed Messiah“ („I’m called the weed messiah, grab your lighter“) sowie in „Reefer“ auf jene als „Reefer Man“ („I’m the reefer King of California called the Reefer Man“) und lobpreist in „Oh Na Na“ seinen Stoff („Wanna try my shit? Only connoisseurs can hang when I split“). Kennt man, wenngleich nach der Legalisierungswelle in den USA und der generell gestiegenen gesellschaftlichen Akzeptanz von Marihuana der verrufene Charakter solcher Zeilen komplett verpufft ist.

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Wenn bei Cypress Hill nicht gekifft wird, schweifen die Gedanken in den Weed-geschwängerten Gehirnen in Richtung blutiger Szenarien, wie in „Blood on My Hands Again“, „Put Em in the Ground“ „Pass the Knife“ oder der Latin-Lingo-Nummer mit Sick Jacken, „Locos“. Ob der Track funktioniert, hängt dann in erster Linie vom Instrumental ab. Muggs erfüllt selbst Momente voller banalem Wiederkäuens mit Leben; nur bei dem gähnend langweiligen „Pass the Knife“ gelingt nicht einmal das. Dafür ist das mit Marschtrommeln im Beat ausgestattete und mit religiösen Anleihen in den Lyrics gespickte „Warlord“ („I was born with thunder up in my hands to silence all of the lambs/I’ve conquered so many lands, put up with whatever man“) eine unterhaltsame Veranstaltung.

Zwei weitere maßgebliche Unterschiede zum Vorgänger fallen auf: Einerseits ist die Featureliste auf „Elephants on Acid“ weitaus weniger prominent, dafür viel stimmiger besetzt. Ein Gonjasufi, den Muggs in Joshua Tree aufsuchte und der zwei Parts ablieferte, passt perfekt zum Vibe. Andererseits verblüfft Sen Dog. Auf „Rise Up“ ein Totalausfall allererster Güte und eigentlich nur immer dann vermisst, wenn er nicht mehr im Line-up der Band war, kann auf dem Album durchgehend mit den Leistungen von B-Real mithalten. Sonst bestätigt „Elephants on Acid“ wieder ein offenes Geheimnis. Nämlich, dass der wahre Star von Cypress Hill hinter den Reglern sitzt und DJ Muggs heißt.

Fazit: DJ Muggs hat für „Elephants on Acid“ viel Zeit und viele Mühen investiert, was sich definitiv im Ergebnis niederschlägt. Das Album ist soundästhetisch rund und läuft wie ein Film ab. Die Instrumentals rücken sich in den Vordergrund, sodass es einem eigentlich ganz gleichgültig ist, was B-Real und Sen Dog für Storys auftischen; gewohnt geht es meistens um den Konsum bestimmter pflanzlicher Produkte. Und vielleicht borgte die Platte nicht nur ihren Titel von einem Experiment, sondern ist sogar selbst eines. 21 Tracks von Cypress Hill in psychedelischer Form ist sicher mehr, als der durchschnittliche menschliche Körper vertragen kann. Nur die Wirkung von „Elephants on Acid“, die ist weitaus harmloser als jene, die der arme Tusko bei seinem Versuch erfahren musste.

3,5 von 5 Ananasse