Als er 1997 THE MESSAGE gründete, hatte er gar keine…
Nach dem Beat-Tape-Jazz-Fokus seines Debütalbums FACING hat der Hamburger Schlagzeuger Silvan Strauss ein intensives soul-searching betrieben, um sich von der Last der Overdubs und Überproduktionen zu befreien. Er hat sich wieder auf die Rhythmen und Wurzeln des akustischen Jazz konzentriert, während er auf seinem zweiten Album, mit dem er Anfang 2025 auf Tournee gehen wird, verschiedene Gäste einlädt, die britischen Hip-Hop, Electronica, Neo-Soul und marokkanische Gnawa mit allen Arten von selbstgespieltem Jazz verbinden.
Silvan ist ein äußerst erfindungsreicher und ausdrucksstarker Schlagzeuger, der seine Vision auf FLUKIN‘ mit einer Reihe hochkarätiger Mitstreiter verwirklicht. Mit dabei sind Joe-Armon Jones, der Keyboarder von Ezra Collective, Alex Eckert, ein Bandkollege von TOYTOY, SALOMEA, ein langjährige Wegbegleiterin und Sängerin, der britische Rapper Oscar#Worldpeace, der Gnawa-Musiker Mehdi Qamoum, der deutsche Gitarrist Bertram Burkert und Farhot, der Gründer und Beatmaker von Kabul Fire Records.
Silvan gewann 2021 den Hamburger Jazzpreis und trat im darauffolgenden Jahr auf dem legendären Montreux Jazz Festival auf. Virale Clips seiner innovativen Beats brachten ihm Ruhm auf TikTok und Instagram ein, wo Pete Rock und Queen Latifah seinen einzigartigen Bounce lobten. Eines seiner Videos, „Barista Vol4“, hat allein auf TikTok über 2,2 Millionen Aufrufe erreicht. Strauss hatte Spaß daran, mit Gimmicks wie Milchkannen, Tischtennisbällen, Turntables, Schneebesen, Fächern, Linealen, Schrauben und seinen Händen ungewöhnliche perkussive Sounds zu erzeugen. Er ist seinem Schlagzeuglehrer dankbar dafür, dass er seinen Eltern geraten hat, ihm als Kind kein elektrisches Schlagzeug zu kaufen, weil er mit dem akustischen Drumkit so viele Sounds erzeugen konnte, dass es eine Verschwendung gewesen wäre.
„Die Sache mit den viralen Videos macht super süchtig, aber es fühlt sich auch gefährlich an, weil man anfängt, viel mehr auf sein Handy zu schauen und denkt, dass man etwas anderes machen muss. Es ist seltsam, denn wenn man anfängt, Musik nur noch für diesen Hype zu produzieren, dann geht man Kompromisse bei der Musikalität ein.“
Diese Haltung führte dazu, dass Strauss zwei Jahre lang nach einem neuen Konzept suchte, wobei er sich oft mit Labelchef Farhot austauschte, um den den richtigen Sound zu finden und sich von den Loops von FACING zu lösen. Schließlich kehrte er zum akustischen Jazz-Setup zurück, das Strauss in seinen jüngeren Jahren als Sessionmusiker in Hamburg so sehr genossen hatte.
Weit davon entfernt, wie akustischer Jazz zu klingen, vereint FLUKIN‘ Soul, Dub, Funk und elektronische Effekte zu einer leichten und unkomplizierten Musik, aufgenommen in den Hamburger Clouds Hill Studios. Strauss hat auf dem neuen Album eine ausgewogenere Balance in seiner Musik gefunden, indem er mehr auf die Beiträge anderer Musiker vertraut, um sich auf das Schlagzeugspielen zu konzentrieren und nicht alles selbst zu machen. Das hängt mit dem Konzept von FLUKIN‘ zusammen, etwas, das Strauss bei Basketball-Kommentatoren hört, wenn etwas Überraschendes oder Glückliches passiert – ein fluke – und das Delegieren seines musikalischen Ansatzes war für ihn das Beste, um zu erkennen, wann die besten flukes in Jams passieren.
„Es ist bei FLUKIN’ nicht so, dass ich hauptsächlich am Laptop produziert habe, es ist mehr Zusammenspiel, mehr Improvisation. Mein Schlagzeugspiel fühlte sich freier an. Ich suche nach diesen Momenten der Interaktion, nicht immer die wirklich auffälligen Momente, aber die, in denen die glücklichen Zufälle wirklich deutlich und überzeugend sind.“
Als wichtige Einflüsse für das Album nennt Strauss die Drummer Questlove, Tony Allen, Mel Lewis und Billy Higgins, deren Sound eher sparsam ausfällt. Aber er weiß auch zu schätzen, wie gut Dub zu diesem Stil passt, und die Zusammenarbeit mit Joe Armon-Jones hat dies bei dem Stück SKY noch deutlicher zum Vorschein gebracht, das mit einer fließenden, verhallten Melodie und einem gefühlvollen, federnden Rhythmus aufwartet: .
„Mit ihm (Joe) zusammenzuarbeiten war irre, weil wir im Studio kaum ein Wort gesprochen haben. Wir haben einfach zwei Stunden lang gespielt und dann geredet. In Deutschland ist es oft genau umgekehrt: Man trinkt Kaffee, redet und spielt dann. Es war wirklich lehrreich, einfach die Musik sprechen zu lassen“
Nach einem Instagram-Austausch mit Oscar#Worldpeace arbeiteten die beiden an dem düsteren Hip-Hop von OFF KEY und dem Lo-Fi-Soul von ROSE, der den poetischen, aber direkten Flow der Rapper durchscheinen lässt. Auf dem letztgenannten Stück spielt Bertram Burkert, ein langjähriger Freund, eine von Herzschmerz inspirierte, emotional getriebene Gitarre, die SALOMEAs traurige Lyrik unterstützt, bevor Oscar#Worldpeace seine ehrlichen und wertschätzenden Zeilen vorträgt.
Silvan Strauss kündigt mit der Single Rose feat SALOMEA x Oscar#Worldpeace sein neues Album FLUKIN‘ an, das am 31.01.2025 via Kabul Fire Records erscheinen wird.
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Als er 1997 THE MESSAGE gründete, hatte er gar keine Ahnung, was da alles auf ihn zukommen würde. Als Fotograf überlässt er lieber Berufeneren das Schreiben. Dafür fragt er gerne nach. Nur in seltenen Fällen haut er selbst in die Tasten. Aber da muss schon viel passieren. Einfach lieber am Auslöser