Deschek vom Message. Gebts ma an grünen Avatar heast!
Das Gespräch mit Fellowsoph & Edi Flaneur geht mit einer kleinen Grätzltour durch Wien-Brigittenau einher. Zwischen dem Wallensteinplatz, dem Café Frame und dem Wohnungsstudio des Produzenten Edi Flaneur sind es nur wenige Schritte. Auch Rapper Fellowsoph wohnt in der Nähe. Mit dem Duo sprechen wir über ihre kürzlich über Honigdachs erschienene EP „Die Zyniker“, die Pole Widerständigkeit und Resignation, Nischenaktivismus und musikalische Finessen.
The Message: Was ist der Anspruch der “Die Zyniker”-EP?
Edi Flaneur: Ich habe den Gedanken des Tapes interessant gefunden, weil es das einzige Medium ist, bei dem du nicht skippen kannst, sondern alles durchhören musst. Ich wollte einen möglichst nahtlosen Übergang von Track zu Track schaffen. Mir war auch wichtig, das viele gesammelte Material zu sortieren. Es hat sich rauskristallisiert, dass wir eher zynische, traurige Sachen haben – und genauso viel Fellow-und-Edi-Clubmucke.
Fellowsoph: Clubmucke? Echt? (lacht)
Edi Flaneur: Naja schon Musik, die eher zum Tanzen animiert. „Die Zyniker“ ist vielleicht eher Musik, die zum Denken animiert. Ich will „Die Zyniker“ nicht als Teaser-EP runtermachen, aber es ist noch einiges mehr geplant. Es waren eher die jazzy Beats und zynischen Texte – auf dem kommenden Album ist es der Funk.
Fellowsoph: „Die Zyniker“ ist definitiv politischer als das, was danach kommt. Es ist mehr Sitzkonzert- und Zuhör-Mucke, das andere wird hiphopiger. Da gibt es auch viele Gesellschaftskommentare, aber die sind weniger weinerlich.
„Mein Aktivismus ist auch, mich vielem zu entsagen“
Ihr habt nach dem Release von „Fahrräder und Drumracks“ in einem Interview politischere Musik angedeutet. Ist das von euch ausgegangen oder eher eine Erwartung anderer?
Fellowsoph: Ich habe damals gesagt, dass ich mir vorstellen kann, mehr politische Mucke zu machen. Aber auch, dass es mir primär um die Qualität geht. Ich bin nach wie vor davon überzeugt, dass ich was von mir erzählen will. Wenn es politischer ist, muss es eine gewisse Tiefe und Mehrschichtigkeit haben. Ich habe keinen Bock darauf und sehe es nicht als meine Aufgabe, die Fahne zu schwenken. Ich erreiche kein Publikum, dem ich erklären muss, was es denken soll. Ich bin auch, glaube ich, zu resigniert und zu zynisch.
Also der Resignation näher als der Widerständigkeit? Im Covertext habt ihr ja die beiden Pole ins Blickfeld gerückt.
Fellowsoph: Es ist immer die Frage , wie weit man den Aktivismusbegriff fasst. Mein Aktivismus ist auch, mich vielem zu entsagen. Nicht dem 40-Stunden-Job hinterherlaufen oder sich von Kohle oder irgendwelchen Versprechen locken lassen. Ich finde es fast einen revolutionären Akt, auf die 30 zuzugehen und zu sagen: ‚Ich schau darauf, dass ich genug Zeit hab, Mucke zu machen, egal wie prekär es ist.‘ Ich mache Mucke ohne Kompromisse, auch wenn die Wahrscheinlichkeit, dass es finanziell ertragreich wird, gering ist. Die Resignation resultiert vielleicht auch aus der Frustration, nicht abgeholt zu werden. Ich wünsche mir manchmal, dass ich anders wäre. Ich sehe die Leute, die sagen: ‚Ich mach mein Studium fertig, hackl 15 Jahre ordentlich rein und dann bin ich irgendwer.‘ Das überzeugt mich nicht.
Also die Antithese zum Karrieremenschen?
Fellowsoph: Ich glaube, ich bin noch absolut zwischen den Polen. Ich glaube, allein wenn man auf Bühnen steht und gern ein Publikum hat, hat man irgendwo ein Ego und einen Antrieb. Karriere ist vielleicht der falsche Begriff, weil mich das, was Karriere in der Gesellschaft bedeutet, wenig juckt. Ich finde, dass die Leute, die das machen, eher ausgebrannt und traurig wirken. Ich will ja trotzdem aus dem, was mir gegeben ist, und dem, was ich mir leisten kann, etwas machen.
Gibt es auch den Weg in die andere Richtung, oder ist das eine Einbahnstraße?
Fellowsoph: Ich glaube, es muss beide Pole geben, sonst wird man unausstehlich. Rein als Gesellschaftstier. Wenn ich total resigniert bin, bin ich ein Arschloch und habe keine Freude mehr. Dann bin ich wie Prezident. Ihn feiere ich musikalisch und philosophisch, aber es macht nicht glücklich, seine Mucke zu hören. In die andere Richtung bin ich auch ein Arschloch, weil ich einen Gutmenschen-Duktus haben muss. Egal wie viel ich wirklich leiste, bin ich nicht hilfreich, weil ich alle nur noch moralisch danach bewerte, wie viel sie in die Waagschale werfen, um die Welt zu verbessern. Es ist irgendwo zwischen nicht verkennen, dass man einen Handlungsspielraum hat und checken, dass er sehr begrenzt ist. Das ist wahrscheinlich weder eine befriedigende Antwort auf die Frage, noch auf die großen Fragen des Lebens. Aber ich glaube, es ist die Wahrheit. Mir geht es in den vergangenen Monaten aus verschiedenen Gründen nicht wahnsinnig gut. Das war vor einem halben Jahr anders. Ich habe meinen Aktivismus oder meine politischen Outlets, die zu mir passen, gefunden. Ich lebe sie mal enthusiastischer, mal weniger enthusiastisch.
Welche sind das?
Fellowsoph: Wir haben einen Kulturverein gegründet (Mikrokultur, Anm.). Wir veranstalten Jamsessions im öffentlichen Raum, die inklusiv und offen sind. Wir kämpfen um konsumfreien öffentlichen Raum und das Recht auf Musik und Kultur. Das ist eh expliziter politisch, als es auf den ersten Blick scheint. Ich glaube, viele Leute merken es an ihrem Engagement oder an den Dingen, die ihnen wichtig sind, dass man mäandert zwischen: ‚Geil, es geht was weiter, ist wertvoll und die Leute schätzen es‘ und, dass es ein absolutes Strohfeuer ist und man gar nichts bewegt. Ich wünsche mir manchmal, dass ich mehr glauben könnte, dass es das Ding ist. Dieses Spannungsverhältnis wird bleiben.
Ist es auch eine Entscheidung für den eigenen Seelenfrieden, sich auf Nischen zu beschränken, weil es da noch am ehesten Handlungsspielraum gibt?
Fellowsoph: Zu hundert Prozent. Es ist notwendig zu erkennen, wo man wirksam sein kann, um dort wirksam zu sein. Wenn ich sehr institutionalisiert bin, kann ich nur begrenzt verändern. Wenn ich sehr am Rand bin, habe ich mehr Macht darüber, was ich bewirke, aber mit einem kleineren Scope. Ich habe jahrelang überlegt, wo ich politisch aktiv sein will, aber ich kann solche Projekte viel überzeugter machen, als ich das in einer Partei, in einem Bündnis oder in einer NGO könnte. Es ist näher an meiner Realität. Ich glaube, so platt das ist, dass es auf Grassroots und kleinteiliges lokales Handeln hinausläuft, wenn man was Gescheites machen will.
Bewirkt es etwas gegen Weltschmerz?
Fellowsoph: Zumindest für mich. Ein kleinerer Wirkungsgrad, aber dafür ein direktes Handeln und Interagieren. Ich sage auf der EP: ‚Gesunder Selbstbetrug heißt die Tätigkeit zum Selbstzweck machen.‘ Davon bin ich überzeugt. Im Endeffekt ist es wichtig, dass man irgendetwas bewegt. Aber wie wenig man bewegt, ist wurscht, solange man das, was man macht, gern macht. Mit Leuten, mit denen man eine gemeinsame Sache verfolgt. Ich habe im Studium etwas von präfigurativem Handeln gehört, das in der 68er-Bewegung in Paris ein großes Thema war und aus der radikalen Demokratietheorie kommt. Dem bin ich näher als dem Marxismus. Das Handeln für die Sache muss die Werte der angestrebten Sache eingeschrieben haben. Du kannst nicht zuerst alle unterjochen und dann die sozialistische Revolution ausrufen. Das funktioniert nicht, wie wir gesehen haben. Du musst im Aufbau einer Organisation oder eines politischen Projekts die Werte leben, die du mit dem Projekt verwirklichen willst. Das macht Sinn für mich.
Eine Line auf „Die Zyniker“ ist: „Alles schon gesagt, aber immer noch Rapper.“ Warum noch?
Fellowsoph: (lacht) Ich finde, man muss für jedes Thema einen schlauen Angle finden, den es noch nicht gegeben hat. Sonst schert es mich nicht, darüber einen Track zu machen. Oder ich ziehe es so auf, dass es einen persönlichen Touch hat und meine Wahrnehmung, mein Mikrokosmos vordergründig sind. Andere haben schon vieles auf den Punkt gebracht. Früher habe ich mir oft gedacht, über dieses oder jenes Thema schreibe ich einen Track. Dann hat Edgar Wasser das schon vor mir gemacht. Heute gibt es zu vielen Dingen, die mich quälen, einen Prezident-Track – und ich denke mir, dass ich es nicht besser hinkriegen würde. Wenn man nicht von Musik leben muss und es nicht auf Erfolg anlegt, ist der Luxus und Struggle, dass man einen anderen Anspruch hat. Für mich besonders textlich.
Zurück zum Sound: Edi, war es schwer, der EP deinen Stempel aufzudrücken? Oder hat sich in den Sessions alles organisch ergeben?
Edi Flaneur: Der Sound hat sich so ergeben. Ich habe aber viel mit den Vocals und Effekten gespielt.
Wo wolltest du mit dem Sound und der Aufmachung, auch dem Cover, konkret hin?
Edi Flaneur: Die Schwierigkeit war, es so hinzukriegen, wie man es im Kopf hat. Ich höre viel Jazz und bin geprägt vom Label Blue Note Records. Das Cover ist eine Hommage an Reid Miles & Francis Wolff. Ich finde cool, was die alle gemacht haben. Auch Rudy van Gelder, der für mich einer der größten Sound Engineers ist. Viele berühmte Alben, die man zu Hause stehen hat, sind bei ihm im Wohnzimmer aufgenommen worden. Er hat einen Sound geschaffen, den ich versucht habe, einzubringen. Zum Beispiel beim zweiten Track, „seelsorge“. Es ist ein typischer Jazztrick, die trockene Stimme vom Saxofon auf die linke Seite und den Hall auf die rechte zu legen. Dadurch schaffst du eine Art Unschärfe und du kriegst gleichzeitig eine Natürlichkeit rein, weil es am Ende zentriert wirkt.
„Das Cover ist eine Hommage an Reid Miles & Francis Wolff“
Samplest du von Platten?
Edi Flaneur: Ja, aber ich bin nicht dogmatisch. Ich weiß mittlerweile auch, wie ich den Sound, den ich will, digital produziere. Ich mag den Workflow mit Platten, aber es ist weniger aufwendig und finanziell einfacher, nicht von Platten zu samplen. Ich finde, es macht einen Unterschied. Kein künstliches Crackeln ist so gut wie das einer Platte – aber man kommt nah ran.
Fellowsoph: Ich finde es witzig, weil ich ab und zu woanders im Studio bin und mitkriege, wie andere Leute arbeiten, die Platten sampeln. Der Workflow ist oft geradlinig und fast baukastenmäßig, weil sie herausgefunden haben, was funktioniert. Beim Edi ist die Bandbreite tendenziell größer. Es ist vielleicht chaotischer, aber auch offener, was dabei rauskommt.
Edi, du bist Plattensammler. Fellow, wie ist das bei dir?
Fellowsoph: Ich habe nur circa 40 Platten zu Hause. Ein paar neue Sachen, sonst bediene ich mich immer wieder bei meinem Dad. Es sind überwiegend Jazz- und Funk-Platten, und welche von Kollegen. Ich habe einen Plattenspieler und eine gescheite Stereoanlage daheim, aber ich höre recht wenig Vinyl. Mir fehlt ein bisschen die Ästhetik beim Hören. Ich habe die ganze Zeit meine In-Ears drinnen.
Was hört dein Vater?
Fellowsoph: Bei ihm ist es viel Jazz, Funk, Progressive Rock, Swing, Blues. Alles was man in den 1970ern so gehört hat. Aber es lohnt sich, bei ihm die Platten durchzuschauen und was mitzunehmen. Auch Qualtinger und Co.
Hast du viel aus dieser Ecke konsumiert?
Fellowsoph: Auf jeden Fall. Ich habe schon länger die Idee, Qualtinger als Aufhänger zu nehmen, so wie MDK die Alltagsgeschichten genommen hat.
Edi Flaneur: Wieder so ein Projekt, das wir nicht umsetzen.
Fellowsoph: Es müssen immer fünf Projekte laufen, damit eines fertig werden kann. Ich würde es weniger samplemäßig nehmen, aber als Inspiration. Ich bin großer Qualtinger- und Kabarettfan. Je älter ich werde, desto austrofixierter werde ich, was Film und Fernsehen angeht. Mich holt nichts so ab wie österreichischer Film und der spezifische Humor. Mich interessiert internationales Zeug, vor allem auch aus Deutschland, selten.
Was sind deine Lieblingsfilme?
Fellowsoph: Indien auf jeden Fall. „Contact High“ ist auch großartig.
Edi Flaneur: „Cappuccino Melange“ mit Hader und Dorfer ist auch super.
Habt’s noch ein zynisches Abschlussstatement?
Fellowsoph: Schaut’s ZIB, dann wisst’s Bescheid (lacht). Oder schaut mal in eine Zeitung, hört dann die Platte an und leidet mit uns. Das ist glaube ich die beste Werbung für unsere Platte.
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