Bauchklang haben ein österreichisches Problem: Sie liefern ein hohes musikalisches und technisches Niveau, veröffentlichen regelmäßig Alben und sind international auf Tour. Dennoch gibt es in Österreich keine entsprechenden Label- und Medienstrukturen, um ihre Musik einer breiteren Masse zugänglich zu machen. Und so stagnieren sie hierzulande seit gut zehn Jahren in der FM4-Ecke. Was die Stimmakrobaten davon halten und warum sie doch mit Mühe von der Musik leben können – in voller Besetzung im Message-Interview…
TM: In einer Selbstbeschreibung bezeichnet ihr euch als „unique mixture of human beatboxing, mouthpercussions and vocal sounds = Electro, Minimal, Dub & Hip Hop“. Welche Stilrichtungen und Elemente waren bei eurem soeben erschienenen „Akusmatik“-Album dominierend?
Fränzl: Das meiste ist eigentlich elektronisch. Electro, Techno. Also so 40%, vielleicht sogar mehr. Es gibt aber auch ein paar Nummern, die beatmäßig nicht wirklich zuordenbar sind.
Bina: „Another One“ ist der reinste 90er Garage.
Fränzl: „Letter to me“ geht eher in die Downbeat-Richtung. Auf jeden Fall ist das die bisher straighteste Platte von uns, die diesen Vorwärtszug am stärksten hat.
Sageder: Wir machen alles zwischen 120 und 132 bpm, wie auch immer du das nennen würdest. Gut, es sind auch ein paar unter 120 bpm dabei, weniger HipHop. War das jetzt eine schlechte Aussage? (lacht).
Fränzl: Die HipHop-Bezeichnung in unserer Selbstbeschreibung beruht natürlich auch vor allem auf unseren Live-Geschichten, wo wir viel HipHop Elemente drinnen gehabt haben. Jetzt auch noch vereinzelt. HipHop hat sich in den letzten Jahren aber auch weiterentwickelt und ist straighter und schneller geworden…tanziger.
Ist es für euch auch eine Motivation gewesen, die ZuhörerInnnen damit zu verwirren, dass etwas, was so dermaßen elektronisch klingt, in Wirklichkeit organisch ist?
Fränzl: Wir wollten nicht bewusst Verwirrung stiften. Das ist Musik, die uns einfach gekommen ist. Wir haben selber viel von dem Zeug gehört und hatten auch schon seit den Anfängen von Bauchklang, Tracks und Nummern dabei, die in diese Richtung gegangen sind. Das hat sich gehäuft und wurde in den letzten drei Jahren vermehrt zum Thema, weil wir auch live in diese Richtung gegangen sind. Das zu perfektionieren und auf ein höheres Level zu hieven, und das dann möglichst gut auf´s Blatt zu bringen, war unser Ziel. Es war dann auch eine bewusste Entscheidung, Patrick Pulsinger als Produzenten anzufragen, weil er aus dieser Richtung kommt und neben seinem Equipment auch viel Erfahrung und einen guten Geschmack hat. Letztendlich haben wir mit ihm einen Sound zusammenbekommen, den die Art von Musik auch braucht. Wobei wir auch schon seit Jahren tüfteln: wie bekommt man einen Stimmsound zusammen, der sich mit digitalen Sounds messen kann?
Ihr betont immer wieder, dass eure Musik rein auf euren Stimmen basiert. Inwiefern ist die Studioarbeit dann eine Gratwanderung, wo ja dann doch das Equipement eine Arbeit verrichtet?
Sageder: Obwohl es das elektronischste Bauchklang Album ist, ist es für uns das analogste. Wir haben es als unsere Aufgabe angesehen, nicht mehr als sieben Spuren zu verwenden. Manchmal sind es acht geworden, aber das ist auch gut. Wir sind zu fünft und wollen es möglichst so belassen, wie es live klingt.
Huber: Eigentlich war der herausragendste technische Schritt der, dass wir es geschafft haben, das Signal vom Mikro so direkt und unverändert wie möglich zum Mischpult zu übertragen.
Fränzl: Wir können es größtenteils wirklich 1:1 live umsetzen. Bei den früheren Alben war das unterschiedlich.
Wie viel müsst ihr stimmlich üben, um das technische Level zu halten beziehungsweise höher zu hieven?
Huber: Nachdem wir sehr unterschiedlich wohnen…
Bina: Loft, Haus, Gruft…
Huber: …haben wir ein Rezept gefunden, wie wir zusammenfinden können: Wir nehmen uns zwei Wochen im Jahr Zeit, wo wir gemeinsam an einem Ort leben und dort gemeinsam Musik machen. Diese geballte Form bringt dir natürlich irrsinnig viel, weil du einfach ständig am Ball bleibst und dich weiterentwickelst. Ansonsten bleibt das jedem selbst und seiner Verantwortung überlassen, wie viel er übt und einbringt.
Sageder: Wir haben uns auch schon Fußfesseln überlegt, falls jemand nicht mindestens eine Stunde pro Tag übt. Stromschläge wären dann das Nächste…
Bina: Gruft…
Sageder: Verlies…
Fränzl: Es gibt die Faulen, die im Loft wohnen, und die Fleißigen im Wohnwagen…
Ihr wohnt auch örtlich verschieden?
Bina: Wir leben nicht alle in einer Stadt.
Bauchklang ist also zwar in St.Pölten entstanden, ist aber keine St. Pöltner Band mehr?
Huber: Genau. Ursprünglich war es ein St.Pöltner Projekt. Jetzt leben nur noch zwei von uns dort. Zwei in Wien und einer in München und phasenweise in Wien.
Im Dezember hattet ihr sieben Auftritte in Indien, davor eine 16 Stopp Tour durch alle österreichischen Bundesländer, jetzt steht ihr wieder vor einer Europatour mit 20 Terminen…könnt ihr von eurer Musik leben?
Sageder: Nächste Frage bitte…
Fränzl: Prinzipiell können wir seit zehn Jahren von der Musik leben. Letztes Jahr hatten wir aber die Gründung unseres eigenen Labels. Das ist das erste mal in unserer Geschichte, dass wir wirklich auf eigenen Beinen stehen, was die ganze Organisation anbelangt. Und wir haben schon gemerkt: wenn dann zum Beispiel eine Förderung ausbleibt, dann ist das schon ein ganz schöner Batzen, der fehlt. Wir waren diesbezüglich auch ein bisschen blauäugig. Es ist schon härter als man glaubt. Wir haben sehr viel investiert und müssen jetzt wieder warten, bis das durch Plattenverkäufe und Livegeschichten wieder reingespielt wird.
Sageder: Letztes Jahr haben wir auch nicht so viel live gespielt, das muss man auch relativieren. Wie viele waren es? Vielleicht 40 bis 50 Gigs. Weil wir einfach viel Zeit in der Produktion verbracht haben. Was auch wieder schwierig ist, weil wir schon eher eine Liveband sind, die nicht primär von Plattenverkäufen lebt. Das ist unsere Stärke und auch das, was wir gut können. Das ist auch bisschen ein Rattenschwanz: wenn du mehr Zeit im Studio verbringst, hast du weniger Zeit um live zu spielen…
Bina: In der Zeit, wo du produzierst, musst du ja auch essen, trinken, Kühlschrank und so. Und du hast halt deine Kosten von der Produktion bis zur Plattenpressung, bis zur Promotion, alles mögliche. Das übernehmen wir gerade selber…ich will jetzt nicht sagen, dass das schlecht oder gut ist, aber es ist sehr interessant. Wir lernen gerade sehr viel. Und live wird es wieder mehr werden, ja klar. Da ist man weniger zu Hause und kann die Wohnung untervermieten oder zumindest die Heizung abschalten…wenn du viel spielst und auf Tour bist, ist es eine andere Rechnung.
Ihr habt schon bei den verschiedensten Labels releast, unter anderem auch bei klein records in Zusammenarbeit mit Universal Austria. Hat es da nicht Major-Deal Bestrebungen gegeben?
Fränzl: Das war unsere erste Major-Erfahrung. Man hat halt gemerkt, dass Universal Austria Universal Austria ist. Sie haben schon investiert, aber auch nicht in der Dimension, wie man es sich vielleicht vorstellen würde. Sprich, da musste man trotzdem bitten und betteln, dass einmal bisschen mehr Kohle für ein Video zum Beispiel da ist. Ein paar Sachen haben sich durch sie verbessert, aber letztendlich muss man realistisch sein: Universal Österreich kommt nicht über die Landesgrenzen hinaus. Uns war es aber schon seit unserer Anfangszeit, so ab 2001 wichtig, auch in Resteuropa wirklich präsent zu sein und auch noch weiter rauszugehen.
Heute tretet ihr beim FM4 Geburtstagsfest auf und seid bereits mit eurem ersten Album 2001 auf FM4 rauf und runter gelaufen. Ihr kommt aber aus diesem FM4 Kosmos, wie mir scheint, nicht raus. Was haltet ihr von der restlichen österreichischen Radiolandschaft und ihre Berichterstattung über euch und zeitgenössische Musik aus Österreich?
Fränzl: Interessant, dass die Frage jetzt auch von dir kommt. Sie häuft sich prinzipiell bei Interviews. Scheinbar ist das gerade ein großes Thema. Und das ist es auch! Durch eine Live Session bei La Boum Deluxe gab es den ersten Kontakt mit FM4. Klar, wir haben Musik gemacht, die zu FM4 tatsächlich gepasst hat. Aber insgesamt ist es tatsächlich schon ein Problem. FM4 ist auch eine gute Ausrede. Für den ORF, Ö3 und viele andere Sender, die sich denken: ja die decken den Indie-Bereich eh ab. Aber was ist denn überhaupt der Indie-Bereich? Das hat sich ja auch mittlerweile stark verändert. FM4 könnte wieder einen Schritt in eine experimentellere Richtung machen. Trotz des durchaus mutigen Tagesprogrammes könnten ein paar Acts von FM4 eigentlich wieder Richtung Ö3 gehen. Ö3 müsste auch den Mumm haben und sagen: ok, wir featuren jetzt wieder österreichische Musik und bleiben dabei nicht mehr so kommerzig. Man könnte locker einige FM4 Acts auch für 2 Millionen Österreicher am Morgen laufen lassen. Da gibt es schon eine super Verdichtung in den letzten Jahren: Clara Luzia, Ben Martin…auch Hip Hop Geschichten wie Texta zum Beispiel kann man durchaus auch dem Ö3 Publikum zumuten. Die haben doch auch Nummern, die gute rein gehen. (Singt): „Moch da kan Kupf, es kummt wie´s kummt, nix passiert ganz ohne Grund…“. [Anm.: Skero ft. Kayo]
Bina: Und dazwischen könnte ruhig wieder Phil Collins laufen. Das wäre schon ok. Aber so im Mix halt. (Singt): „One more night“.
Fränzl: Die Leute hätten dann mehr Hörer und auch Konzertbesucher und es könnten viel mehr österreichische Bands und Künstler davon leben. FM4 hat im Endeffekt landesweit nur drei Prozent Reichweite, das ist zu wenig. Ich meine, du hast dann schon diesen FM4-Fame halt, aber das ist zu wenig, um davon leben zu können, das ist ganz klar. Und was mit den Privatradios ist…es gibt Superfly, wo auch coole Sachen passieren, aber die sind auch trotzdem relativ klein. Es gibt österreichische Privatsender, die auch nicht wirklich etwas wagen in Sachen österreichischer Musik. Und es gibt dann noch das Fernsehen, wo endlich eine ordentliche Live-Show im ORF her muss.
Wo ihr dann auftretet?
Sageder: Nicht nur wir! Wo irgendjemand einmal den Mumm hätte, eine Show zu machen, wo man wirklich Musik her zeigt. Nicht so wie Musikantenstadl, was eh gut ist, dass es das gibt, aber es sollte auch bisschen Raum für andere Sachen geschaffen werden.
Bina: Wir selber haben zu wenig Energie dafür. Aber für junge Leute kann ich nur sagen: macht´s euren YouTube Channel und eure eigene Sendung! Sowas fände ich gut und da würden wir auch vielleicht früher oder später auftauchen um eine Jam im Keller zu spielen, oder so. Fangt´s an Medien selber zu gestalten! Es gibt Leute, die von ihren YouTube Channels leben. Die machen halt Comedy oder was auch immer. Aber das ist der erste Fuck Finger für die Medien. Die Privaten sind ja auch sehr stark von der Werbung gesteckt. Für mich als Münchner war es damals auch neu, als ich eine Zeit lang kein FM4 gehört habe und dann wieder rein geschalten habe..so: woah – da gibt es jetzt ja auch Werbung! FM4 hat jetzt leichte Ambitionen zum Hit Radio. Das ist nicht böse gemeint, aber so ist es halt, da eben doch eine Werbung drinnen ist. Das finanziert dann natürlich einiges.
Fränzl: Und bessere Slots für österreichische Musiker bei Festivals wie Frequency und so weiter wären angesagt…nicht um zwei Uhr Nachmittags!
Interview: reisenda
Foto: Matthias Hombauer
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