Als er 1997 THE MESSAGE gründete, hatte er gar keine…
Mehr als 40 Jahre nach der Gründung der Band Grupo Vissungo aus Rio de Janeiro, Brasilien, erscheint ihre erste LP – in Wien! Die verworrene Geschichte eines Acts, der nie wirklich da, aber auch nie wirklich weg war.
„Kilomboloko“ erzählt die Geschichte von einem Vater und seinem Sohn, zwischen Wien und Rio de Janeiro, zwischen Jahrzehnten und zwischen Generationen. Und es ist – wie so oft – die Geschichte, die dieses Release zusätzlich spannend macht. Aber vor allem auch die Qualität.
Der Begriff „Vissungo“ selbst beschreibt eine Art „call & response“-Gesang. Er geht auf die aus Afrika verschleppten Menschen zurück, die in den Mienen rund um Diamantina im Bundesstaat Minas Gerais bei unmenschlichen Bedingungen leben und arbeiten mussten. Ganz in dieser Tradition steht der Sound und Hintergrund der Grupo Vissungo, aber auch eingewoben sind in die DNA der brasilianischen Musik. Das Klangbild lässt sich irgendwo zwischen Samba, MPB, westafrikanischen Grooves und instrumentalen brasilianischen Trommeln ansiedeln. Wobei das nicht genaue verorten Können den Charme dieses Albums ausmacht. Was auf den ersten Blick inkohärent wirken mag, ist die wahre Stärke der Platte.
Grupo Vissungo sind der Multi-Instrumentalist & Sänger/Songwriter Spirito Santo, Sänger & Gitarrist Lula Espirito und Sänger/Songwriter & Percussionist Samuka Coro. Die drei Herren haben sich um das Jahr 1975 herum zusammengefunden, um der Tradition ihrer afrikanischen Vorfahren ein musikalisches Denkmal zu setzten, ohne dabei die zeitgenössische Musik außer acht zu lassen – wie etwa im Titeltrack. Während sich in Rio de Janeiro eine stark vom Soul der USA beeinflusste Szene rund um Leute wie Tim Maia, Dom Mita oder Banda Black Rio etablierte und einen eigenen Sound und eine Blackness zelebrierten, suchten Grupo Vissungo nach dem „wahren Ursprung“ und begaben sich einen Kontinent weiter – und somit wohl ihrer Zeit voraus.
Lokaler Ruhm war Grupo Vissungo sicher, aber bis auf drei Beiträge auf dem Soundtrack „Chico Rei“ unter anderem mit Großmeister Milton Nascimento (1985) und der „Canto Do Povo“-Compilation war es das dann auch. Abgesehen von diesen Beteiligungen an Alben in den 80ern und einem kleinen Afrobeat-Hype in Europa im selben Jahrzehnt passierte aber nichts Konkretes, sodass sich die Geschicke der Band etwas verliefen.
Es wurde immer stiller um die drei Protagonisten. Das Leben spielt seine Stückeln, andere Sachen erlangen höhere Prioritäten – wohl auch weil sie das Überleben sichern. Man blieb nach eigenen Angaben aber weiterhin brüderlich verbunden. Nicht verloren ging auch die unendliche Liebe zur Musik. Und das über die Generationen hinweg. Dass Fans immer wieder nach der Gruppe fragten, mündete 2009 in einem kleinen Revival .
Jahrzehnte später zieht es den Sohn Espirito Santos, Thiago Rosa, nach Wien und als Teil des Kollektivs Sounds Of Blackness hinter die Plattenteller.
Partys, Events, Kontakte und schließlich die Idee, dem musikalischen Erbe seines Vaters in Form der ersten eigenen Langspielplatte ein Denkmal zu setzten, nehmen Form an. Er trifft auf DJ Preddy, seines Zeichens Labelchef von Personal Rec. und Teil der „Rare And Well done„-Radioshow auf Superfly. Die Bausteine fügen sich zusammen und gemeinsam arbeiten sie an dem Projekt. Man macht sich an die Arbeit, die alten Aufnahmen ein wenig zu überarbeiten oder auch neu einspielen zu lassen, remastert viele der Stücke und stellt eine LP in bester Tradition der MPB zusammen: Samba Soul mit einer gehörigen Portion Afro Funk. Alles sehr zeitlos und erstaunlich frisch. 2021, Jahrzehnte nach der Gründung und nach langer Pause, erscheint somit das erste Album der Grupo Vissungo mit dem Titel „Kilomboloko“ via Personal Rec. In Wien – was für ein Geschenk des Sohns an den Vater.
Erstehen kann man die Platte entweder direkt bei DJ Preddy oder über Discogs.
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Als er 1997 THE MESSAGE gründete, hatte er gar keine Ahnung, was da alles auf ihn zukommen würde. Als Fotograf überlässt er lieber Berufeneren das Schreiben. Dafür fragt er gerne nach. Nur in seltenen Fällen haut er selbst in die Tasten. Aber da muss schon viel passieren. Einfach lieber am Auslöser