Für Jamie Lidell sind Genregrenzen obsolet. Mit jedem neuen Album zeigt der 43-Jährige Experimentierfreudigkeit. Bekannt wurde er als One-Man-Band mit Loopstation, Beatboxelementen und unverwechselbarer Soulstimme. Auf seinen Projekten Subhead und Super_Collider komponierte er elektronische Musik, teils brutalen Techno, dann wieder House und Breakbeat. Unter seinem eigenen Namen veröffentlichte der Brite beim legendären Indielabel Warp Records stolze sechs Alben mit abwechslungsreichem Elektrosoul, Funk und Blues. Sein siebtes Studioalbum „Building a Beginning“ klingt hingegen nach fröhlichem Motown-Soul und Stevie Wonder. Mit dem neuen Album und der vierköpfigen Band The Royal Pharaohs im Gepäck spielte Lidell am Mittwoch im Wiener WUK.
Jamie Lidell & The Royal Pharaos brauchen dabei keine Minute, um die Stimmung im WUK an die tropischen Temperaturen anzupassen. Mit seinem bekanntesten Song „Multiply“ eröffnet Lidell den Abend und bringt die angenehm lichte Masse zum Tanzen. Als dritter Song folgt mit „Little Bit Of Feel Good“ ein kleiner Höhepunkt. Während das Streicherduo SomethingALaMode im Original auf die Kombination von klassischer und elektronischer Musik setzt, verwandelt Lidell den Song in eine Gute-Laune-Funk-Hymne. Die positive Stimmung zieht sich durch den ganzen Abend. Der wild gestikulierende Brite hat eine extrem sympathische Art, die sofort auf das Publikum überspringt. Mit Hemd und Jacke sieht er aus wie der Hipster-Papa – der er auch ist. Einen Song hat er seinem Sohn gewidmet, die meisten anderen handeln von Liebe. Die Kitsch-Momente verzeiht man ihm meist sehr schnell. Nur im Weltfriedenslobgesang „Me And You“ wird es dann doch etwas zu viel.
Zwei Mikrofone und ein Tisch voller Effektgeräte lassen Lidell manchmal metallisch schimmern und manchmal im Hall versinken, meistens jedoch überzeugt seine Stimme ganz unverzerrt mit viel Dynamik, Gefühl und Soul. Nicht umsonst wird Lidell von der Presse oft mit legendären Sängern wie Marvin Gaye, Prince und eben Stevie Wonder verglichen. Die Royal Pharaohs sorgen für eine stabile Unterlage, auf der die Stimme des Sängers perfekt zur Geltung kommt. Der Gitarrist spielt dabei erfrischend bluesig, lange nicht so optimistisch und ausgelassen wie Gesang, Keys oder Bass: Seine Solopassagen erinnern oft mehr an Metal als an Soul, was eine willkommene Abwechslung und einen Gegenpol zu Lidell schafft. Der Schlagzeuger bringt Ruhe in die Partie und legt auch ein Solo ein – so simpel und genial, dass einige im Publikum laut schmunzeln. Menschen nur mit einem Instrument zum Lachen zu bringen ist eine hohe Kunst. Hut ab. Nach weniger als eineinhalb Stunden ist das Konzert wieder vorbei, was bei Ticketpreisen von 30€ ohne Vorband etwas kurz scheint. Trotzdem belohnt das Publikum die Musiker mit euphorischem Applaus. Als die Band eine Stunde nach Ende des Konzerts das WUK verlässt, gibt es zum Abschied erneut Jubel von den Bierbänken. Jamie Lidell & The Royal Pharaohs wurden ihrem Ruf als grandiose Liveband absolut gerecht.
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