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„Herbert, bitte verklog mi ned!“ // Katharsis Interview

„Herbert, bitte verklog mi ned!“ // Katharsis Interview

Katharsis

DRK & Digga Mindz haben sich kürzlich zum Duo Katharsis formiert, am 29. März ist ihre gleichnamige LP erschienen. Während Digga Mindz für Produktionen mit Trademark-Charakter sorgt, widmen sich die beiden auf Rap-Ebene größtenteils  angriffslustigen Lines. Im Interview erläutern die beiden Wahlwiener aus dem Honigdachs-Camp, warum „Katharsis“ trotz all der Punchlinedichte eines ihrer persönlichsten Alben ist. Weiters sprechen sie über ihre musikalische Entwicklung, Rap-Idole, emotionale Instabilität und Machthaber mit chauvinistischen Minderwertigkeitskomplexen.

Katharsis
DRK & Digga Mindz aka Katharsis im Café Weidinger. Fotos: Niko Havranek

The Message: Wie und wann kam es zu den ersten Gedanken, ein gemeinsames Album zu machen?
Digga Mindz: Ich glaube bei der Honigdachs-Tour.
DRK: Ja voll, Anfang 2015 war die Idee geboren. Die ersten Tracks haben wir circa ein Jahr später recordet.

Wie seid ihr auf das „Katharsis“-Grundthema gekommen? Hattet ihr einen hohen Bedarf, eure Seelen reinzuwaschen?
DRK: Wir hatten ein paar Ansätze bezüglich Namensgebung. Ich weiß nicht mehr, von wem das dann gekommen ist. Es fügt sich auf jeden Fall, weil wir zu einem Teil des Entstehungsprozesses in einem ähnlichen emotionalen Zustand waren und eigentlich bis heute sind, Katharsis beschreibt das ganz gut. Wie kompensierst du gewisse Sachen, die du emotional verarbeitest oder halt schluckst? Manche schlagen in den Sandsack. Wir fanden es schön, ein kompetitives Auftreten in einer Katharsis-Metaphorik zu verpacken. Digga sagt am Ende ja viel mehr aus als ich in meiner stumpfen Battle-Ästhetik.

Ihr geht es aber beide nicht gerade zimperlich an. Richtig persönliche Tracks wie „Alltagsgschichten“ oder „Tagträumer“ sind eher am Ende platziert, sonst nimmt die Battle-Ästhetik – wie traditionell bei euch – eine sehr große Rolle ein. Ein geeigneter Weg, um seelische Probleme zu verarbeiten?
Digga Mindz: Du musst das metaphorischer sehen. Wir sind ja keine alten Griechen, die Katharsis durchziehen. Wir holen das Prinzip von Katharsis ins Rap-Ding und es ist eh alles irgendwo emotional, was ich schreibe. In welcher Form auch immer, positiv oder negativ. Das mit der Anordnung ist zufällig und richtet sich eher nach den Instrumentals.
DRK: Die Ästhetik ist gar nicht so auf ein Battle-Prinzip bezogen, es ist definitiv eines meiner persönlichsten Alben. Ich habe gemerkt, dass ich viel mehr auf mein real bezogenes Umfeld schreibe, als nach aberwitzigen, surrealen Lines zu suchen, die nicht wirklich was mit meinem Leben zu tun haben. Außer dass sie widerspiegeln, dass ich mit etwas hoch unzufrieden bin. Am Ende sind „Alltagsgschichten“ und „Tagträumer“ neben „DMT“ für mich die ganz wichtigen Tracks auf Albums. Sie spiegeln die Katharsis sicher besser wider als die surreale, stumpfe Battle-Ebene.

Wie viel Überwindung kostet es, auf Tracks eine verletzliche Seite zu zeigen?
DRK:
Es hat schon eine gewisse Zeit gebraucht. Schlussendlich sehe ich es als zusätzliche Mystifizierung, sich zu entmystifizieren, wenn ich auf „Tagträumer“ einen Part schreibe, wie sich ein Gespräch zwischen mir und meinem verstorbenen Vater anhören könnte, der sich sowohl im Kontext meines Privatlebens als auch meines künstlerischen Schaffens abspielt. Das klingt vielleicht etwas pathetisch, aber ich erkenne darin mehr eine Stärke als eine verletzliche Seite. Dahingehend war die Überwindung nicht so groß, mir meine eigenen unzähligen Unzulänglichkeiten selbst einzugestehen.

„Die wirklich oagen Sachen von DRK muss man immer mit Humor nehmen“

KatharsisMit Ansa könnt ihr euch auf ein gemeinsames Rap-Feindbild einigen. Digga Mindz und Def Ill hatten vor ein paar Jahren bereits Beef mit ihm. DRK hat sich vor allem in jüngerer Vergangenheit über mögliche rechte Tendenzen bei Ansa und seinen Fans geäußert. Auf „90 Prozent“ folgen mit Primaten-Lines weitere Seitenhiebe …
Digga Mindz: In meiner Strophe nicht.
DRK: Ich habe es witzig gefunden, wenn ich eine surreale Auszählung mit einem genetischen Experiment mache. „Vom Ansa die Fans“ hat super als Reimwort draufgepasst und ich habe gelacht, weil ich versucht habe, die Aussage zu einem sinnvollen Ende zu bringen. Das würde ich fast göttliche Intervention nennen. Insgesamt ist mein Part aber nicht auf die Person bezogen. Es war ein netter, lustiger Seitenhieb, der sich ergeben hat. Wie empirische Wissenschaft funktioniert, müssen Hypothesen ja reproduzierbar sein – das hat er durch genug seiner Aussagen getan, damit hat er mir den empirischen Beweis für diese surreale Hypothese geliefert. (lacht)
Digga Mindz: Die wirklich oagen Sachen von ihm muss man immer mit Humor nehmen, so ist es ja gemeint. Wenn wir uns solche Lines vorrappen, bei denen wir schon auf Lacher aus sind.
DRK: Das beschreibt es schön. Unser gegenseitiges Amüsement beruht teilweise auf zwei Reimworten, die wir ausstreiten, bis wir nicht mehr lachen können.

Euch verbinden Rap-Vorbilder der klassischen Prägung – bei DRK dringt immer wieder Ghostface Killah durch, Digga hat in einem früheren Interview mal A.G. von D.I.T.C. als absoluten Lieblings-MC bezeichnet. Hat sich daran in den vergangenen Jahren etwas geändert?
DRK: Mein Problem ist, dass ich wenig Rap höre und nicht so up to date bin. Westside Gunn, Conway und Bennie The Butcher finde ich in den Staaten zum Beispiel sehr geil. Ist halt integrer Drugdealer-Rap.
Digga Mindz: Rap ist voll das zeitabhängige Ding, jede Generation hat ihren eigenen, etwas anderen Sound. Ich kann mit dem neuen Shit nicht so viel anfangen – zumindest nicht in einem Ausmaß, in dem es erwähnenswert wäre. Aber es gibt auf jeden Fall nach wie vor coole Sachen.

Könnt ihr beschreiben, was damals die große Faszination bei euch ausgelöst hat?
Digga Mindz: Vieles, aber natürlich besonders die Lyrics. D.I.T.C. hat mir soundmäßig neben Premo, Pete Rock usw. am meisten getaugt. A.G. war inhaltlich von dem ganzen Haufen am vernünftigsten.
DRK: Er klingt auch immer voll erhaben. Keiner hat diesen Rapstil fetter gebracht, fast zu reden und es trotzdem so dynamisch klingen zu lassen, das steht schon sehr in der Wechselbeziehung. Wir sind uns eigentlich bei fast allen Acts einig, außer bei Smif N Wessun, die ich sehr feiere.
Digga Mindz: Die find ich fad. Aber ich habe nichts gegen sie – persönlich. (beide lachen) Wir haben generell viele Rap-Referenzen am Album. Das erste Video zu „Kulturgeschehen“ ist ja ein Cover von „Boom Bye Yeah“ von Sean Price, dann zum Beispiel dieser Kung-Fu-Film. Es ist sehr rappig.

„Wenn bei uns Drogen-Bezüge sind, soll sich jeder selbst ein Bild davon machen“

Bei euch dringt auch oft eine psychedelische Komponente durch, die Lines haben teilweise einen selbstreferenziellen Charakter. Ein Pendel zwischen Verherrlichung und Abgesang?
DRK: Wir treten in einer gewissen Vorbildfunktion auf. Gerade bei „DMT“, wo sehr mit Innerem gekleckst wird. Oder „Weissa Sond“, den die meisten Kids heutzutage feiern und der eine der meistgeklickten Deutschrap-Nummern charakterisiert. Aber wenn bei uns Drogen-Bezüge sind, soll sich jeder selbst ein Bild davon machen.
Digga Mindz: Es sind schon einige Lines oben, aber die sind nicht unbedingt glorifizierend. Auch nicht verharmlosend, aber dass der Mensch Sachen macht, von denen er weiß, dass sie nicht gut für ihn sind, ist nicht unbedingt was Neues.
DRK: Es ist halt beinharte Selbstreflexion, gerade bei „DMT“. Aber das Einzige, was ich verherrliche, ist Gewalt. (lacht) Aber auch Liebe. Das ist völlig ambivalent, ihr müsst mir das glauben! Es ist wahrscheinlich die Ghostface-Referenz, die am besten passt. Weil ich emotional auf eine Art genauso instabil bin.

Digga, wie würdest du deine Entwicklung als Produzent Revue passieren lassen?
Digga Mindz: Ich bin wahrscheinlich mit der Zeit ein bisschen vielseitiger geworden, aber im Großen und Ganzen – Bumm Tschak. Wobei ich immer schon überall nach Samples gesucht habe. Ich spiele jetzt ein bisschen mehr Basslines dazu, aber das ist nicht der Rede wert. Es sind mittlerweile einfach bessere Produktionen.
DRK: Digga ist eine Maschine!
Digga Mindz: Ich digge einfach gerne Sachen, dafür spiele ich nicht Playstation. (lacht) Ich spiele Beats – und generell Musik –, es ist ja im Grunde die gleiche Beschäftigung.

Nach „Wundaschen“ und der „Space Monkey“-Instrumental-LP gab es für einige Zeit kaum etwas von dir zu hören. Hat dir zwischenzeitlich die Motivation gefehlt?
Digga Mindz: Na, ich habe immer etwas gemacht. Ich hatte nur kein besonders großes Bedürfnis, etwas zu releasen. Beats und Remixes habe ich weiterhin gemacht, richtig geschrieben dann erst wieder für die Katharsis-LP.

Seit ein paar Jahren bist du auch als Sänger und Gitarrist in der Psychedelic-Rock-Band Treibsand aktiv. Wie hat sich das ergeben?
Digga Mindz: Ich habe immer schon viele Psychedelic-Sachen gesampelt. Es hat sich irgendwie mit der Zeit ergeben, ich kann es gar nicht genau festmachen. Es sind alles Freunde, mit denen ich das mache. Säbjul ist zum Beispiel auch dabei. Ich mache verschiedenste Sachen, generell gerne Musik und wenn ich eine Sache zu arg ausreize, komme ich irgendwann an den Punkt, an dem es mich abturnt und keinen Spaß mehr macht.

Unter dem Rapper-Alias Sprochfehla möchtest du dich weirderen Sachen widmen?
Digga Mindz: Den kenn i ned, keine Ahnung! Klingt wie ein Idiot. (lacht) Das ist so ein Ding, das vor paar Jahren entstanden ist. Da haben sich jetzt einige Tracks angesammelt, die ich in irgendeiner Form archivieren wollte – abseits von meiner Festplatte, die sicher irgendwann sterben wird, wie das eben alle so machen. Die lassen mich immer im Stich.

Katharsis

DRK, bei dir fällt auf, dass du immer im Doppelpack aktiv bist. Zu Beginn mit Big Sime, auf „Voodoozoo“ und „Himalaya versus Leichenberg“ mit Fozhowi und nun mit Digga Mindz. Hat das einen speziellen Grund?
DRK:
Stimmt. Aber ich habe im Hintergrund angefangen, an einem Solo-Ding zu schreiben, für das ich die besten Beats auswählen kann. Bei Katharsis hat mich diese Symbiose so angespannt, dass der Spaß am Rappen zurückgekommen ist. Mit Fozhowi war es auch schon so, dass man sich gegenseitig beim Schreiben inspiriert hat. Da entsteht viel schneller etwas, als wenn du allein an die Sache rangehst. Ich hatte seit Langem wieder den Flash, sofort auf Beats zu schreiben. Das hat alles sehr angetrieben. Auf der Hälfte der Tracks hat mich eher der Digga zum Schreiben inspiriert, beim Rest ist es mehr von meiner Skizze ausgegangen.

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„Das sind wahnwitzige Leute mit chauvinistischen Minderwertigkeitskomplexen“

Du hast angedeutet, zwischenzeitlich den Spaß am Rappen verloren zu haben. Was hat es damit auf sich?
DRK: Nicht unbedingt verloren. Es ist im Zuge des letzten Releases eher der Antrieb gewesen. Es hat sich bisschen geändert, wie wir die Themen angehen.

Generell fällt bei deinen Parts ein hoher Anteil an Fach- und Fremdwörtern auf. Achtest du bewusst darauf oder „passiert“ das eher beim Schreiben?
DRK: Das ist ein Minderwertigkeitskomplex, weil ich aus einer Gegend komme, in der sich die Leute allgemein schlecht ausdrücken können. (lacht) Vielleicht ist es auch einfach die Terminologie, die ich mir für mein Studium aneignen musste und für die ich sicher auch ein gewisses Faible habe. Und als Rapper ist der Wortschatz ja sowieso das Um und Auf.

Apropos: Auf „Im Namen der Kunst“ gibt es ja diese Zyankali-Line – eine besondere Message an Herbert Kickl?
DRK: Die Hauptmessage ist, dass man ja gesehen hat, dass bei uns definitiv Leute für doppeldeutige Aussagen belangt werden, wenn sie nicht ausdrücklich im Namen der Kunst stattfinden. Aber wir sind No-Names, für uns interessiert sich kein Schwein. Man hat schon gemerkt, speziell beim Konsortium rund um Hofer, Gudenus und den ganzen Gestalten, dass sie, wenn etwas medial auftaucht, sehr wohl bereit sind, diejenigen dafür zu verklagen. Zum Beispiel die Leute, die beim Radrennen ein Plakat mit der Schrift „Kickl ride to Höll“ dabei hatten, was ja nicht einmal wirklich diffamierend ist. Aber wenn etwas juristisch belangbar ist, wird es genutzt. Ich weiß gar nicht, ob ich juristisch abgesichert bin, wenn ich im Namen der Kunst sage, dass Herbert Blausäure in Waggons schluckt.
Digga Mindz: Das ist egal, du würdest auch für die anderen Sachen im Arbeitslager enden. (lacht)
DRK: Stimmt, DRK würde schon für andere Dinge ins Gulag kommen. Ich habe alles gesagt, was ich in einer echauffierenden, diffamierenden Weise sagen kann. Was sollte man in einem sauberen, kraftausdrucksfreien Kontext erläutern, wenn eh jeder weiß, dass das wahnwitzige Leute mit chauvinistischen Minderwertigkeitskomplexen sind.
Digga Mindz: In einer Zeit, wo Reality-TV Standard ist, kannst du kaum noch mit sachlichen Aufschlüsselungen Aufmerksamkeit erregen. Du musst laut sein, kontrovers sein und das Warum kannst du bei Bedarf am Ende nachschießen.

„Der Herr Karl ist die politische Mitte!“

Hat man ja auch bei „So viel Polizei“ von Kroko Jack & Kid Pex gesehen, die versucht haben, es auf möglichst vielen Ebenen auf die Spitze zu treiben …
DRK: Unabhängig von Rap solidarisiere ich mich mit jedem, der antifaschistisch ist und gegen dieses System steht. Ich habe es auch nicht gerade dope gefunden. Aber egal, wie es aufbereitet worden ist, die Aussagen kann ich nicht kritisieren und dazu stehe ich auch. Wir erfüllen da genauso eine Rolle und ergreifen Partei, du kannst politisch nicht bedürfnislos sein. Und wenn ich was von politischer Mitte höre – red mal mit Neonazis. Ich komme aus einer Ortschaft, in der ein KZ steht, und war es gewöhnt, mich mit Nazis zu schlagen. In jungen Jahren und in einem Alter, in dem ich reden wollte. Das ist für mich immer eine leichte Traumtänzerei von politischer Räson, dass du in der Mitte bist. Wie ein Zen-Prinzip, empathielos zu sein und weder positiv noch negativ affektiert zu sein. Keiner braucht mir erzählen, dass er das kann.
Digga Mindz: Schau dir „Der Herr Karl“ an, der ist die politische Mitte!
DRK: Stimmt. Aber es ist für mich ein feiges Argument, das zu sagen, wenn du dich in ihrem Wertesystem linksradikal äußerst. Das ist Bullshit. Zurück zur Blausäure-Line: Die dient nur als Metaphorik darauf, dass sie immer wieder mit politischen Ressentiments spielen, sich nicht davon abgrenzen und damit kokettieren – dann vertragt es auch, wenn ich euch mit etwas in Verbindung bringe, von dem ihr euch nicht klar und deutlich distanzieren wollt!

Der Track von Kid Pex und Kroko Jack hat ja letztlich nur wegen einer Line (und einer Fingerpistole im Video) so hohe Wellen geschlagen. Ich wollte sagen, dass deine Metaphern teilweise nochmal um einiges ärger sind. Hast du Angst, dass sie auch mal bei den „falschen“ Leuten Gehör finden könnten?
DRK: Guter Punkt. Die Bilder, die ich erzeuge, sind teilweise sicher um einiges ärger. Eh witzig: Ich habe auf dem vielleicht partymäßigsten Digga-Mindz-Beat meine politischsten Lines geschrieben. Die Erwartungshaltung schön gebrochen. Aber es ist auch mein Anspruch, solche Beats, bei denen ich weiß, dass sie live funktionieren, mal für so etwas zu nutzen. Und ja: Herbert, bitte verklog mi ned, wenn du des hörst! I hoss di trotzdem! Und an den Verfassungsschutz: Wir sind eh ganz liebe, grimmige Stüfibuam!

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