Es ist Freitag, das Wochenende steht vor der Tür und Wien erhält passenderweise Einblick in die deutsche Trinkkultur – schließlich schaut Luciano infolge seiner „Späti“-Tour vorbei. Nachdem der Berliner 2017 mit seinen beiden Mixtapes „Banditorinho“ und „12812“ zu einem der meistgehyptesten deutschsprachigen Rapartists wurde, zieht es ihn nach dem Release seines Debütalbums „Eiskalt“ in das winterliche Österreich. Zu zweit säuft es sich jedoch deutlich besser, weshalb er mit dem Stuttgarter Dardan tatkräftige Unterstützung mitbringt.
Knapp eine Stunde nach dem ursprünglich angesetzten Zeitplan geht es los. Gemeinsam mit Back-Up-Rapper betritt Mister Dardy die Bühne und startet mit dem gleichnamigen Song die Show. Die Crowd empfängt ihn enthusiastisch und ist bereits warmgelaufen, hat der DJ in der vorangegangen Viertelstunde schon gut eingeheizt. Der Stuttgarter mit albanischen Wurzeln spielt die gängigen „Fuck The Police“- und „ACAB“-Spielchen und legt die Messlatte des Niveaus für das Konzert fest. Spoiler: Ganz überraschend ist sie nicht hoch.
Nach Moneytalk auf „Mula“ geht es nerdig weiter und Dardan präsentiert seine technikaffine Seite. Es folgen die Songs „10 Euro Samsung“ und „Telefon“, letzteres ohne die Anwesenheit von Nimo, was jedoch der Stimmung keinen Abbruch beschert. Mit einem kurzen Verweis auf das anstehende Album und dem Song „Wer macht Para“ verabschiedet er sich von der Bühne. Die Frage, wer nun das Para macht, bleibt aber unbeantwortet.
Es ist mittlerweile kurz nach 21 Uhr und die Umbauarbeiten auf der Bühne sind im vollen Gange. Ja, Umbauarbeiten. Schließlich ist Luciano mittlerweile ein Majorartist (Universal reguliert) und tourt mit eigenem Bühnenbild durch Deutschland, Österreich und die Schweiz. Thematisch passend ahmt dieses mit Leuchtreklamen und Kühlschränken das Interieur eines Berliner Spätis nach. Gänzlich ohne Back-Up und nur mit vereinzelten Playback-Phasen und Adlibs startet Luciano mit „Gauner in Lacoste“ die Show – eine Welle voller Euphorie streift durch das Publikum. Es geht weiter mit „Psychose“, auf dem übrigens dasselbe Sample wie bei „Palm Trees“ von den Flatbush Zombies verwendet wird.
Zugegeben: Wirklichen Tiefgang konnte man ohnehin nicht bei den beiden Künstlern erwarten. Aber die Beats harmonieren mit dem Soundsystem der „Grellen Forelle“ derartig gut, dass man darüber schnell hinwegschauen kann. Es macht schlichtweg Spaß zuzuhören und seine Eingeweide (ja, Eingeweide) von den Bässen massieren zu lassen. Nach einem kurzen „Jäger“ stellt Luciano eine für ihn vermutlich elementare Lebensfrage: „Wer von euch kennt meine beiden Lieblingsfußballer?“ Die logische Antwort sind die beiden Songs „Riyad Mahrez“ und „Okocha“, die einen tiefen Einblick in das künstlerisch genutzte Wörterbuch von Luciano liefern.
Neben alten Tracks wie „Kapuze tief“ werden dem Publikum auch neue Stücke wie „Eiskalt“, „Jeden Tag“ und „Berlin Favela“ dargeboten, was live sowohl thematisch als auch musikalisch dann doch ein wenig repetitiv wirkt. Mit dem Tourkollaborateur Dardan wird jedoch schnell Abhilfe gefunden und der Toursong „Airmax gegen Kopf“ in den Gehörgang der Crowd katapultiert. Mit „Geh meinen Weg“ folgt ein „sehr persönlicher Song“, in dem Luciano über seinen bisherigen Werdegang und seinen familiären Background reflektiert und sich das erste Mal auch aus seiner musikalischen Komfortzone herausbewegt. Leider wirkt das Publikum an dieser Stelle von der emotionalen Schwere des Liedes überfordert und wird zunehmend ruhiger.
Nach dem Aufnehmen einer kurzen Videobotschaft an Veysel und „Yakuza“ neigt sich die Show dem Ende zu, nach dem Hit „Jagen die Mio“ verlässt Luciano die Bühne. Laute Zugaberufe ertönen in der „Grelle Forelle“, das Wiener Publikum ist hörbar noch nicht satt. Es folgen sowohl positive als auch paradiesische Klänge mit „Vorankommen“ und „Hawaii“ – für einen kurzen Moment ist die winterliche Kälte außerhalb der stickigen „Grellen Forelle“ passé. Das Konzert ist zu Ende und Luciano verweist auf die Chance eines gemeinsamen Treffen beim Merchandise-Stand, an dem dutzende Shirts mit dem originell designten „Locosquad“-Schriftzug hängen.
Insgesamt wurde das aus Basecap-Trägern und Instagram-Models (s/o Gzuz) bestehende Publikum von Dardan und Luciano gut unterhalten. Die beiden lieferten einen gelungenen Auftritt ab, der jedoch aufgrund mangelnder emotionaler Höhepunkte relativ schnell wieder in Vergessenheit geraten wird. Was soll’s, schließlich werden die beiden spätestens in einem Jahr, wenn das nächste Studioalbum draußen ist, wieder vor den Toren Wiens stehen, um an eure Geldbörse zu klopfen.
Weitere Fotos:
Text: Max Cornelius // Fotos: Lena Bischoffshausen
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