Mit „dyna:mics“ veröffentlichte Miss BunPun (f.k.a Misses U) kürzlich ihr zweites Soloalbum nach „I am Me“. Wie gewohnt überrascht uns das in Wien lebende Multitalent. Nicht nur mit einem neuen Künstlernamen, sondern mit Tracks die vor Energie strotzen, mehr Rap und Texten, die gewohnt frech und direkt sind. Die Sängerin, Rapperin und Tänzerin, die auf dem Label Beatzarilla vertreten ist und sich unter anderem durch den Beat Poetry Club einen Namen gemacht hat, beweist auf den zehn neuen Tracks ihr musikalisches Talent nun auch als Produzentin. Im Interview erzählt sie uns von der Arbeit als Produzentin, warum sie Auto-Tune nicht mag und über ihren musikalischen Werdegang.
Interview: Raphaela Salhofer & Simon Nowak
Fotos: Daniel Shaked
The Message: Singen, rappen, produzieren, tanzen – was kannst du eigentlich nicht?
Miss BunPun: (lacht) Ich muss mich irgendwie kreativ ausleben, vielleicht ist das meine Therapie. Ich mache all diese Sachen sehr gerne. Vor allem auch das Tanzen, weil es noch ein Hobby bleibt. Alles was mit Musik machen zu tun hat, ist mittlerweile auch mein Job. Tanzen hat auch mit Musik zu tun, sie läuft ja im Hintergrund. Aber es ist eher Spaß haben. Ich habe nicht das Gefühl, dass ich unbedingt „abliefern“ muss, sondern kann es einfach genießen.
Womit hast du damals angefangen?
Als Musikerin. Ich bin in einer sehr musikalischen Familie aufgewachsen. Meine Eltern sind Musiker, all meine Geschwister spielen Instrumente und haben Musik studiert. Das war immer ein Teil der Familie. Auch die größere Verwandtschaft ist sehr musikalisch.
„Klassische Musik hat mir nie das gegeben, was mir Popularmusik gegeben hat“
Ein klassischer Fall von mit drei zum Klavierunterricht, mit fünf zum Geigenunterricht und mit sieben angefangen zu singen?
Ich hab mit sechs angefangen, Geige zu spielen. Danach habe ich zur Bratsche gewechselt. Mir hat sie vom Klang her besser gefallen. Querflöte habe ich mit elf angefangen und bis ich ca. 18 oder 19 war an der Musikschule gespielt. Klassische Musik hat mir aber nie das gegeben, was mir Popularmusik gibt. Deswegen bin ich auch in Popmusik und HipHop verankert.
Du bist in Wilhering, etwas außerhalb von Linz aufgewachsen. Linz war ja früher so was Ähnliches wie die österreichische HipHop-Hauptstadt. Inwieweit hat dich das beeinflusst?
Ich glaube zu HipHop hat mich das Tanzen gebracht. Zur HipHop Szene in Linz bin ich erst später gestoßen. Ich habe zuerst K.S. Kopfsache kennengelernt, über ihn Def Ill. Die „HipHop-Stadt Linz“ hat mich nicht expliziert inspiriert, selbst Musik zu machen. Eher das Tanzen, weil mir da die Musik sehr gut gefallen hat. Ich konnte dadurch meine Einflüsse und Inspirationen finden. Ich fand und finde es noch immer cool, dass in Linz viel passiert. Auch dass mit Texta Mundart-Rap dort seine Anfänge gefunden hat.
K.S. Kopfsache dreht nach wie vor deine Videos, Def Ill ist oft beim Mixing/Mastering involviert. Verortest du dich ein bisschen als Linzerin, rein musikalisch gesehen?
Ich lege kein Hauptaugenmerk drauf, dass ich nur mit Linzern zusammenarbeite. Aber man schätzt die Bubble, die man hat, sehr. Die Leute um mich herum sind wahnsinnig talentiert. Ich schätze sie als Menschen und auch als Künstlerinnen und Künstler. Deswegen komme ich gerne zurück. Es ist oft gegenseitiges Pushen und Connecten, sich immer wieder gegenseitig helfen.
Studierst du noch Jazz-/Populargesang an der MDW in Wien?
Ich bin mittlerweile im Master, der Plan ist im Herbst abzuschließen. Ich bin schon fast wieder aus dem Studium draußen. 2014 habe ich mit dem Bachelor begonnen und jetzt werde ich fertig. Das ist auf der MDW, da studiere ich Instrumental- bzw. Gesangspädagogik für das Fach Populargesang.
Gibt es Projekte von dir, die durch die MDW entstanden sind? Hat nicht der Beat Poetry Club seine Ursprünge dort?
Eine Sängerin vom Beat Poetry Club war meine Gesangslehrerin. Sie hat meine Stimme und mich als Künstlerin sehr geschätzt. Es hat einen Bandwechsel gegeben und sie hat mich gefragt, ob ich Lust habe mitzumachen. Da habe ich zugesagt. Es ist cool, weil es an unserem Institut sehr klein ist, man alle kennt und mit verdammt guten Musiker*innen spielen kann. Durch Projekte oder Gigs entstehen viele Bands, mit denen man in verschiedenen Locations spielen kann. Das ist bereichernd. Man ist in einem kleinen Kreis, der high-level ist. Es verliert sich nicht in zu vielen Menschen.
Hast du in der akademischen Musikwelt Pläne für die Zukunft?
Es wäre extrem cool, auf der Uni unterrichten zu können. Es wird in Österreich immer notwendig sein, neben dem Musik schaffen das zweite Standbein des Unterrichtens zu haben. Ich unterrichte einen Nachmittag pro Woche in einer Musikschule in Oberösterreich – auch weil das Musikschulwerk super vernetzt ist.
Du hast kürzlich deinen Namen zu Miss BunPun geändert, wir haben dich bisher als Misses U kennen lernen dürfen. Was war der Auslöser? (Anm. d. R.: Die Interviewerin hat Misses U falsch ausgesprochen)
(lacht) Hauptsächlich die Probleme bei der Aussprache. Es ist sehr oft Misses U, mit englischem U [u:] gesagt worden, was nachvollziehbar ist. Wegen dem englischen Titel „Misses“ macht es Sinn. Meine Intention war aber, zwei Spitznamen zusammenzubringen. Mein Papa nennt mich seit ich klein bin Misses. Und U (Anm.d.R. Deutsches U [ʔuː] ) war mein Spitzname in der Schule, den sogar Lehrer übernommen haben. Ich weiß nicht mehr wie das entstanden ist. Diese zwei Namen habe ich verbunden und wollte eigentlich, dass man Misses U mit deutschem U sagt.
Ich hab das oft erklären oder richtig stellen müssen. Vor allem hat Misses U oft nach „she misses you“ geklungen. Das klingt zerbrechlich, fragil und eben zu emotional für meine „Da bin I, geht’s ma ned am Oasch“-Attitüde. Deswegen dachte ich, ich muss den Namen jetzt ändern oder gar nicht mehr. Ich habe mich viel damit auseinandergesetzt. Es ist nicht so leicht einen schönen, klingenden Künstlernamen zu finden, den man sich gut merkt – und den es noch nicht gibt. Ich glaube es klingt relativ rund und ist gut zu merken. Und hoffentlich auch leicht auszusprechen.
Nur damit ich auf der sicheren Seite bin – Miss BAN-PAN?
(lacht) Genau!
Du hattest dir vorgenommen, dein zweites Album im Alleingang zu produzieren. War das am Ende auch so?
Ja genau. Bis aufs Mixing und Mastering. Da hat mit mein Engineer geholfen und noch viel herausgeholt. Aber ich habe es produziert, die Beats gebaut und die Kompositionen, Melodie und Texte gemacht.
Wann hast du generell mit dem Produzieren angefangen?
Ich glaube 2018. Für mein erstes Album habe ich für zwei oder drei Songs Loop-Ideen produziert und dem Felix (Def Ill, Anm.) geschickt, damit er sie ausbaut und ausproduziert. Das waren die Anfänge. Danach habe ich mich weiter damit auseinandergesetzt. Ich weiß, dass noch sehr viel Luft nach oben ist, aber ich wollte es so durchziehen.
Hast du davor schon Kompositionserfahrungen gesammelt?
Mein allererstes Release war eine EP, bei der ich mit Band im Studio war. Da habe ich vier Songs komponiert, die ich gemeinsam mit der Band arrangiert und spielbar gemacht habe. Angefangen zu komponieren habe ich ungefähr mit 20, das waren die ersten Songs wo ich mich drüber getraut hab. Man hat die Angst vor dem leeren Blatt Papier, weil vielleicht nichts oder „a Schas“ herauskommt. Aber man muss sich hinsetzen und probieren.
Ich habe wo gelesen, dass du recht lange gebraucht hast, bis du dich getraut hast, mit deinen Songs nach außen zu gehen. Wie lange hat dich das beschäftigt?
Mit circa 16 waren die Zeiten, wo jeder Songs gecovert und sie auf YouTube oder Soundcloud gestellt hat. Das waren die Anfänge. Mit 18 oder 19 hab ich mir das erste Mal gedacht, dass ich gerne mal was schreiben würde. Aber wie fängt man an? Wie bringe ich den ersten Strich auf das Blatt Papier? Da hat mir die Uni viel gebracht, die ersten Schritte zu wagen und einfach darauflos zu komponieren.
Wenn ich das richtig verstehe war das Arbeiten an einem fixen Track schwieriger als damit an die Öffentlichkeit zu gehen?
Ja schon. Die Ideen kommen jetzt relativ schnell, ich arbeite ja viel aus dem Bauch heraus. Das Meiste, das Intuitiv kommt ist cool und ich kann was damit anfangen. Die größte Challenge ist es, einen Track dann Fertigmachen.
War das bei diesem Album auch ein Thema?
Ja, schon. Ich hab mich dann durchgezwungen und gesagt „Ich muss da jetzt durch.“ Es wird glaub ich immer wieder ein Thema sein, Arbeiten einfach fertig zu bringen.
Du machst mittlerweile ja extrem viele Sachen selbst. Inwieweit ist es dein Anspruch, möglichst alles selbst zu machen?
Es ist anstrengend, hat aber auch Vorteile. Ich finde es cool, so viel wie möglich vom Beat und der Musik beisteuern zu können und nicht nur Texte oder Melodien. Weil noch viel mehr von meiner Person in der Musik drinnen ist. Die eigenen Vibes, Einflüsse und Inspirationen. Es war ein großes Ziel, das Album selbst zu produzieren, damit das Album als Ganzes ich bin. Es gibt oft den HipHop-Producer und den rappenden oder singenden Artist. Das sind zwei paar Schuhe, die ich fusioniere, um Persönlichkeit reinzubringen. Das war mir wichtig. Aber es gehört so viel zum Artist-Dasein dazu, auch Management, Booking und die Repräsentation. Es ist schon heavy, alles selbst zu machen. Ich würde mich freuen, das eines Tages abgeben zu können – vielleicht funktioniert’s. (lacht)
„Ich finde es auf Hochdeutsch sehr schwierig, nicht kitschig oder bochn zu klingen“
Dein neues Album ist gewohnt soulig mit vielen HipHop-Einflüssen. Du rappst auch mehr. Was bedeutet für dich Rap und was bedeutet R’n‘B?
Rap ist für mich dieses „gerade heraus“ Sein und R’n’B ist vielleicht abstrakter, wo ich auch textlich nicht so direkt bin. Dieses Prahlen, auch mit Augenzwinkern, würde ich im R’n’B nicht singen. Da texte ich anders.
Du hast in der Albumbeschreibung die Eingängigkeit und Tanzbarkeit betont. Hast du gezielt darauf hingearbeitet?
Es war der Plan, es so tanzbar wie möglich zu machen und auch auf Konzerte hinzuarbeiten, damit mit den Tracks Stimmung aufkommen kann. Es sind aber trotzdem relativ viele ruhigere Nummern dabei. Es startet mit „Da bin ich“ und „Energy“, dann geht’s aber in die ruhigere Richtung. Es ist auch eine Ballade dabei. Ich hätte mir noch viel mehr Power-Tracks gewünscht, aber ich finde es auch gut, wie es sich ergeben hat. Es fällt mir gar nicht so leicht, Tracks zu schreiben, die Leute zum Tanzen bringen.
Warum? Hast du Angst, dass es zu „cheesy“ wird?
Nein, es braucht einfach einen coolen Beat und Groove dahinter. Meine Homebase beim Komponieren ist oder war aber das eher Ruhigere, Chilligere. Eben Neo-Soul, R’n’B, oder Lo-Fi. Wirklich tanzbare Musik zu machen ist gar nicht so leicht.
Mir ist ein Kommentar zum YouTube-Video „100%“ aufgefallen, der dein österreichisch klingendes Englisch bekrittelt. Wie gehst du damit um, wenn du so etwas liest?
Ich hab den noch gar nicht gelesen! Ich muss mal schauen. Es ist nachvollziehbar, ich hab damit auch gerechnet. Ich bin kein native english speaker. Ich versuche aber, es ständig zu improven, damit es mehr nach gutem Englisch klingt. Ich bin mir bewusst, dass es manchmal nicht nach native english klingt, sondern halt bisschen österreichisch.
Du warst vereinzelt auch auf Deutsch zu hören – auf der Female-Rap-Kollabo „Mehr“ und auf „Grau“ mit Ms Def in der Hook. Könntest du dir vorstellen, ein größeres Projekt auf Deutsch oder Mundart zu machen, oder bleibt Englisch der Fokus?
Ich glaub Englisch bleibt der Main-Fokus. Ich finde es auf Hochdeutsch sehr schwierig, nicht kitschig oder „bochn“ zu klingen. Damit muss man sich viel beschäftigen, auch mit dem Klang der deutschen Sprache. Eli Preiss macht das ziemlich cool, auch Hunney Pimp.
Bei Hunney Pimp ist es aber mehr Mundart.
Ja, genau. Es klingt nicht nach dieser harten Sprache. Es fügt sich super in die Musik ein. Hut ab vor denen, die haben einen guten Weg gefunden.
Du traust dir das im Umkehrschluss nicht zu?
Ich müsste mich mehr damit beschäftigen. Mit der englischen Sprache kann ich mich einfach anders ausdrücken.
Studien besagen, dass bilinguale Menschen zwei Persönlichkeiten haben, je nachdem welche Sprache sie gerade sprechen. Das würde auch in der Kunst viel Sinn machen.
Auf jeden Fall. Ich habe auch das Gefühl, dass ich es auf Englisch besser von mir als Person abspalten kann, damit es mir nicht zu nahe geht und ich trotzdem Künstlerin oder Kunstfigur bleibe, die authentisch ist. Aber es geht nicht zu arg ins Persönliche – im Gegensatz dazu, etwas in meiner Muttersprache auszudrücken.
„Ich finde meine Stimme zu schade, um sie mit Auto-Tune zu hinterlegen oder zu effektieren“
Anderes Thema: Du hast mal gesagt, wer nicht singen kann sollte nicht Auto-Tune benutzen. Stehst du noch dahinter?
Es ist mittlerweile ein Stilmittel. Ich verwende es nicht – beziehungsweise sehr, sehr ungern. Es hat vor kurzem eine Kollabo gegeben, wo es Thema war, meine Stimme mit Auto-Tune zu hinterlegen oder zu effektieren. Ich habe partout gesagt: Nein, mit mir nicht! (lacht) Es ist momentan trendy im Rap und HipHop, aber mir gefällt es nicht. Ich finde meine Stimme zu schade dafür.
Gibt es Acts, bei denen dir Auto-Tune als Stilmittel gefällt?
Ich glaube ich hör gar keine Acts, die Auto-Tune benutzen. Aber wenn mir ein Track gefällt, hängt es nicht so sehr davon ab, ob es jemand benützt oder nicht. Das ist sehr subjektiv und abhängig vom Song. Für mich als Künstlerin bin ich aber bis heute der Überzeugung, dass es mir nicht gefällt und mir meine Stimme so auch nicht gefällt.
Zuletzt hat sich ja im Musik-Bereich allgemein viel geändert. Was wünscht du dir für die Zukunft?
Wünschen würde ich mir natürlich, dass es bald wieder möglich ist, live zu spielen, so wie wir es „von vorher“ gewohnt waren. Die Vibes, die man vom Publikum zurückbekommt, sind einzigartig. Ich finde schon cool, was momentan alles zum Thema Streaming entsteht, aber es ist nicht dasselbe. Und oft funktioniert einfach was bei der Technik nicht. Deswegen hab ich mich noch nicht getraut, etwas in diese Richtung zu machen. Jetzt stehe ich vor der Entscheidung, wie ich zum Release vorgehe. Es war eigentlich am 20. März in Wien eine Show geplant. Das geht jetzt natürlich nicht so. Jetzt ist die Frage, wie man es sonst macht.
Wenn du sofort etwas ändern könntest an der Musik Szene, was wäre es?
Ja, wieder spielen! Und dass Kunst- und Kultur-Schaffen mehr geschätzt wird, auch als richtiger Beruf anerkannt wird. Nicht, dass man immer wieder gefragt wird „Aber was machst du wirklich? Mit was verdienst du dein Geld?“ (lacht) Es ist natürlich schwierig, nur von Kunst zu leben in Österreich. Aber es wird auch nicht ganz als selbstständiger Beruf anerkannt oder geschätzt.
„dyna:mics“ ist via Bandcamp als Limited Vinyl und Digitalalbum erhältlich.
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