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Ein Konzertjahr ohne Show von Retrogott & Hulk Hodn? In Wien derzeit kaum vorstellbar, schließlich beehrte in der jüngeren Vergangenheit kaum ein Act die Bundeshauptstadt so regelmäßig wie das Duo aus Köln. Von einer gewissen Sattheit des Wiener Publikums kann nicht die Rede sein, denn auch diesmal ziehen Retrogott & Hulk Hodn die Massen an. Ihr Auftritt in der Fluc Wanne war bereits knapp zwei Monate im Vorhinein ausverkauft, ein hoher Kuschelfaktor ist in der kompakten Location also vorprogrammiert.
Während in den vergangenen Jahren unter anderem Dead Prez oder Sonne Ra begleitet haben, sorgen diesmal Lokalmatadoren aus dem Heiße-Luft-Camp für die passende Einstimmung. Den Beginn machen JerMc & Gigolo D, die einen Nachfolger der Platte „Eher Schirch, aber eh ganz lieb“ ankündigen. Neben altbewährten Tracks wie „Schlechte Muscheln“ spielen die „Blues Brothers“ auch Vorboten aus dem kommenden Projekt, auf denen sich JerMc gefühlt grantiger und battlefreudiger präsentiert. Weiter geht’s mit Huhnmensch & der Böse Wolf, die mit Auszügen aus ihrem mittlerweile ziemlich großen Song-Repertoire ihr gewohntes Programm abspulen und mit abgebrühter Bühnenpräsenz für eine gute Atmosphäre in der stetig voller werdenden Location sorgen. Da 19hundertSchnee-Frontmann Pi Papo als Special Guest unterstützt, dürfen auch „Alt Wiener Zinshaus“ und der gemeinsame „Owezahra Blues“ nicht fehlen. Leider ist dabei akustisch nicht alles einwandfrei verständlich, doch glücklicherweise erscheint der Sound in weiterer Folge bei Retrogott um einiges klarer.
Gegen 00:30 Uhr betreten dann die Hauptakteuere die Bühne, wobei besonders dem Produzenten Hulk Hodn überraschend hohe Vorfreude zuteil wird. Die Überraschung über die Sprechchöre und die hohe Motivation des Publikums steht den beiden ins Gesicht geschrieben. Die Show beginnt, ähnlich wie vorherige, mit einer Abwandlung der deutschen Nationalhymne. Retrogott, der zu Beginn seiner Karriere eher durch stumpfe Battletracks Bekanntheit erlangte, schafft es so immer wieder, durch mehr oder weniger explizit politische Aussagen Statements zu setzen und sich sukzessive von seinem alten Image zu befreien – etwa durchs Neuinterpretieren oder komplette Umschreiben alter Textpassagen.
So wird das etwa zweistündige Set kaum mit alten „Evergreens“ bestückt, der Fokus liegt auf den neueren Platten „Sezession“ und „Kontemporärkontamination“ und Abwandlungen von Klassikern, die teils in Mashup-Manier aneinandergereiht werden. Tracks wie „Pornofilmkäse“, die vom Publikum lautstark gefordert werden, spielen die beiden offensichtlich aus Prinzip nicht. Aus Fanperspektive sicherlich schade, aus Künstlerperspektive ein Symbol der Weiterentwicklung und Reflexion des eigenen Schaffens. Retrogott tritt kurzzeitig auch als DJ auf, um Hulk Hodn eine Raucherpause zu gönnen. Ein Highlight des Abends ist die üppige Zugabe, in der sich der Rapper neben einer Neuinterpreation von „Pappmensch“, das den Tod seines Vaters thematisiert, eine bislang unveröffentlichte Fortsetzung dessen widmet und dem langen Konzertabend ein emotionales Ende verleiht.
Fazit: Weder Wien noch Retrogott & Hulk Hodn scheinen das jährliche Stelldichein langweilig zu finden. Trotz der zahlreichen Shows schaffen es die Kölner, genug Abwechslung reinzubringen, die die Regelmäßigkeit ihrer Auftritte rechtfertigt. Die abermals ausverkaufte Fluc spricht für sich. Trotz der spät angesetzten Stagetime war die Location bis zum Ende rappelvoll. So erscheint es äußerst wahrscheinlich, dass die von Fear le Funk organisierte Show nicht der letzte Wien-Besuch des Duos war.
Text: Simon Nowak & Simon Huber
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