"The hardest thing to do is something that is close…
Schwer vorstellbar, dass die Macher von „Tracks“ im Oktober 2003 ahnten, welche Bedeutung die Protagonisten ihres damaligen dokumentarischen Beitrags in den nächsten Jahren für die deutsche Popindustrie einnehmen würden. Erste Anzeichen waren allerdings zuvor im September bemerkbar, als Bushidos brachialer Gangsta-Rap-Entwurf „Vom Bordstein bis zur Skyline“ – aus heutiger Sicht eine Deutschrap-Zäsur – sich auf Platz 88 der deutschen Albumcharts platzieren konnte. Ein früher Erfolg des Labels Aggro Berlin, dessen großer Durchbruch aber erst im darauffolgenden Jahr durch Sidos „Maske“ kam. Bushido war zu dieser Zeit bereits zu Universal gewechselt und folgerichtig kein Teil mehr von Aggro Berlin, welches er im Streit verlassen hatte.
Retrospektiv betrachtet, steht die große pophistorische Bedeutung Aggro Berlins in der Pionierleistung, harten Berliner Rap in den Mainstream verankert zu haben. Aus künstlerischer Sicht wiesen jedoch nur wenige der Veröffentlichungen eine lange Halbwertszeit auf: Neben dem genannten „Vom Bordstein bis zur Skyline“, ein Album, an dessen Niveau Bushido in der Folgezeit nie so richtig mehr herankam, und der berüchtigten Sonny–Black–Frank–White-Kollabo „Carlo Cokxxx Nutten“, die ein Jahr vor Bushidos Solo-Album veröffentlicht wurde, zählen noch Sidos „Ich“ und, mit Abstrichen, „Maske“ zur Reihe herausragender Deutschrap-Alben. Daneben sammelten sich bei Aggro Berlin auch allerhand belangloser Alben an, die völlig zurecht in Vergessenheit gerieten. 2009 schloss Aggro Berlin schließlich seine Pforten, das Label war fortan Geschichte.
Ein besonders interessantes Detail des Arte-Beitrags liegt in der Vorstellung Sidos, der völlig unmaskiert über „harte Nippel“ spricht. Das ab 2004 eintretende große Rätsel der Popindustrie, welche Person sich hinter der metallenen Totenkopf-Maske Sidos verberge, hätte damit schon sehr früh gelöst werden können. Ein Spiel, das eben nur im Prae-Internet-Zeitalter funktionierte. Abseits dessen sind auch die Worte des Labelchefs Specter beachtenswert, greift dieser viele zukünftige Entwicklungen des Deutschraps auf. „Die harten Rapper verkaufen„, meint Specter im Beitrag. Ein Blick auf die Charts der Gegenwart untermauert seine damalige These – wenngleich Aggro Berlin vergleichsweise wenig von dem Weg, den das Label geebnet hat, profitierte. Die Früchte ernteten schließlich andere.
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