Kannst du dich noch an das sommerlich einladende Wetter am Wavesfestival 2012 erinnern? Das gemütliche Treiben am Donaukanal? Ja? Dann wurdest du dieses Wochenende vermutlich wie viele andere auch vom sibirischen Herbst in deiner Vorfreude gebremst. Der Wind bläst mir ins Gesicht, während ich von Location zu Location hetze. Hat so schon seinen Sinn, das Line-Up ist gewohnt dicht besiedelt. Aus Beobachtungen schließe ich, dass es den anderen Menschen um mich herum wohl ähnlich ergeht. Kaum jemand hält sich länger draußen auf, als nötig, was vor allem für den Red Bull Brandwagen von Nachteil ist. Ein Wort: Bitterkalt. Glücklicherweise gab es in den verschiedenen Locations genügend Acts, die dem Publikum einheizten. Wenn auch manche Bühnen um halb acht Uhr abends noch recht spärlich besucht waren und man sich die Garderobenabgabe hätte sparen können. Erste Gedanken zum ersten Act des Samstagabends „Sin Fang“: Wer singt denn da so penetrant falsch? Es kann sich nur um eine schlechte Vorband handeln. Denkfehler: Auf Festivals gibt es keine Vorbands. Dabei ist Sindri Már Sigfússon doch der Sänger von Seabear! Noch nie gehört? Wir auch nicht. Die Anlage im Flex war komplett übersteuert, da hilft dem Isländer auch das wilde Eindreschen auf das Macbook nicht mehr. Abgesehen davon, dass seine Stimme sich immer wieder überschlägt. Vielleicht hat er am Freitag einfach zu viel gefeiert oder Liveauftritte liegen ihm schlichtweg nicht? Wie auch immer. Wir machen uns also auf den Weg zu Werefox und bleiben dazwischen bei ,,Touristen Tempo“ hängen, die sich auf dem Brandwagen die Ärsche abfrieren. Geschätzte zwanzig Leute sind so gütig und widmen der jungen Band aus Wien – zumindest im Vorbeigehen – ihre Aufmerksamkeit. Nein, tauschen möchte man an dieser Stelle nicht. Touristen Tempo beweist trotzdem gekonnt, dass der „britische New-Wave und Post-Punk-Sound der 80er-Jahre noch lange nicht zum alten Eisen gehört“ und erinnert dabei an „The Smiths“ oder „Joy Division“(Quelle: wavesvienna.com). Danke für diese Kategorisierung, Wavesvienna. Hätten wir selbst nicht besser hinbekommen. Stimmung kommt zum bisherigen Zeitpunkt leider absolut keine auf. Das kann zum einen daran liegen, dass es bereits der dritte Tag ist, zum anderen am bereits inflationär bemängelten Wetter und des Weiteren an den bisherigen, schlecht besuchten Auftritten um eine für Nachtvögel unmenschliche Uhrzeit. Kurz denken wir darüber nach, zur langen Nacht der Museen überzugehen. Vielleicht hat man im Kunsthistorischen Museum mehr Spaß.
20 Uhr, Clubschiff. Werefox betreten die Bühne. Erster Gedanke: Juhu, eine Frontfrau! Wer bereits versucht hat, sich als Sängerin in einer Alternative Rockband zu beweisen und dabei kläglich gescheitert ist, würdigt dieser Tatsache vermutlich besondere Aufmerksamkeit. „I guess I like the boy in me when I kiss him through you. I like the boy in you. I guess you like the girl in you, when you kiss her through me. I like the girl in me.” So viel zum Text aus „The Boy in me, the Girl in you“, dem Sängerin Melée mit rhythmischen Schlagbewegungen auf ihre Oberschenkel Dramatik verleiht. Gitarrensolos ergänzen die leider etwas zu gewollt rockig wirken wollende Performance. Frontfrau Melée bittet das Publikum, weiter nach vorne zu kommen. Fotografen sind genügend da, Fans aus Slowenien hatten Werefox jedoch vergessen mitzubringen. Alles in allem waren sie wohl: Zur falschen Zeit (20 Uhr) am falschen Ort (Clubschiff).
Flex, Clubschiff und wieder Flex. Kreisky sind am Start. Zum ersten Mal an diesem Abend dringt die Begeisterung für die Musik von den KünstlerInnen zum Publikum durch. Spätestens beim Klassiker ,,Vandale“ zucken die Körper der viel zu jungen Mädchen neben meinem eigenen. Was mir an Kreisky besonders gut gefällt, ist ihre mit Authentizität gepaarte Professionalität. Da sitzt nicht nur jeder Ton, sondern auch jeder Riff. Man muss keine Angst haben, wenn Franz Wenzl vor lauter Elan plötzlich das Mikrofon aus der Hand fällt oder sich das Kabel um sein Bein schlingt. Seit mittlerweile acht Jahren meistern Kreisky kleine und größere Bühnenpannen mit Charme und sind dabei aus der österreichischen Musikszene (zum Glück) nicht mehr wegzudenken.
Weiter geht’s zu SOHN ins wunderschöne Odeon Theater. Erbaut in den 80er Jahren des 19. Jahrhunderts und ursprünglich als Saal einer Börse dienend, bietet es den perfekten Rahmen für die mal großflächigen, mal brüchigen Sounds des Wahl-Wieners. Über SOHN und seine beiden Mitmusiker ist nichts bekannt, auf der Bühne sieht man Moogs, Nord Electro Keyboards, ein Kaoss Pad, ein Notebook und eine Bassgitarre, alles verbunden mit einer Menge Effekten. Ohne große Worte beginnt das Konzert, die reduzierte Lichtshow lässt die Musik in den Vordergrund treten. Der Sound ist astrein: untenrum drücken die Bässe, darüber legt sich SOHNs Stimme und allerlei flirrende Sounds. Die Songs werden fehlerfrei dargeboten, der Gesang klingt wie vom Band, makellos. Trotzdem entfalten Perlen wie The Wheel, ergänzt um eine akustische Gitarre, ihre Stimmung. Zu Lessons fordert er uns noch auf zu tanzen – und schon ist das zu kurze Konzert vorbei.
Bereits mit einigen Vorschusslorbeeren sind Kate Boy ausgestattet. Laut Pitchfork ein Rising Artist, sind die Schweden 2014 für das niederländische Eurosonic Festival gebucht worden, wo Europas Bookerszene nach dem nächsten großen Ding Ausschau hält. Im Fluc angekommen, irritiert zunächst die helle Beleuchtung, was mit viel Nebel auf der Bühne etwas kompensiert wird. Der roughe Synthie-Sound, die mächtigen Trommeln und die starke Präsenz der Sängerin Kate Akhurst ergeben einen tanzbaren Sound, den die ersten Reihen euphorisch feiern. Zum Abschluss des Tages geht es in die Pratersauna, die von verschiedenen DJs bespielt wird. Hervorzuheben möchte ich Majestic Mood, der ein grandioses Set aus alten Classics (M.E.D. – Can’t hold on) und Trap (Hudson Mohawke – Thunder Bay) abfeuerte.
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SOHN Live
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Text: Bianca Mayer und Alexander Gotter
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