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Neue Wege mit der Klangkantine // Yasmo Interview

Neue Wege mit der Klangkantine // Yasmo Interview

120 Slammer*innen, 18 Veranstaltungen und ein Finale im Burgtheater – die deutschsprachigen Poetry-Slam-Meisterschaften gehen von 2. bis 6. November in die 26. Runde und finden dabei erstmals in Wien statt. Organisiert von FOMP, ist Yasmo Mitveranstalterin. Moment. Yasmo? War da nicht gerade was? Ja, ganz genau! In der Rolle als Rapperin hat sie am Anfang Oktober mit ihrer Band, der Klangkantine, das dritte gemeinsame Album „Laut und Lost“ veröffentlicht – und damit das Großbandprojekt in Teilen neu gedacht. Beats und Raps sind im Vergleich zum Vorgängeralbum stilistisch aufgefrischt worden.

Wenig überraschend hat Yasmo nach wie vor viel zu sagen – und möchte dabei, no na ned, laut sein. Das zeigen einige der neuen Tracks, die diversen gesellschaftlichen und strukturellen Problemfeldern und dem Umgang damit gewidmet sind. Neoliberalismus, Patriarchat, Zeitgeist-Oberflächlichkeiten und Co. Aber auch aus persönlicher Sicht teils mit Augenzwinkern, etwa vom Lost sein zwischen Ambitionen, finanzieller Selbstermächtigung und den Tücken der Arbeit im Kulturbereich. Im Interview spricht die Frontfrau der Klangkantine über die Neuausrichtung, warum sie der Trotz und eine Hassliebe durch ihre Rap-Laufbahn begleitet und mehr.

The Message: Für „Laut und Lost“ habt ihr mit Mirac und Luca Pivetz zwei externe Produzenten ins Boot geholt. Weil die Bandmitglieder Ralph Mothwurf und Tobias Vidovelli, die sonst den musikalischen Part leiten, mit anderen Projekten voll waren?
Yasmo: Auch, aber es war nicht der primäre Grund. Wir wollten einen neuen Sound finden, was eh dumm ist. Da hast du endlich mal eine Struktur gebaut, die funktioniert und dann haust du sie zusammen und machst alles neu. Wir waren schnell mit Mirac im Gespräch, mit ihm habe ich ja schon meine ersten beiden Soloalben gemacht. Luca haben wir für drei Tracks dazugenommen. Es war kein Entlasten à la wir geben es ab und sie sollen was zaubern, wir sind schon stundenlang in Studiosessions dabeigesessen und haben unseren Senf dazugegeben. Sie haben ganz andere Qualitäten und Perspektiven als wir. Ralph und Tobi, mit dem ich die Songs schreibe, haben eine breite Perspektive von Jazz über Neue Musik und kompositorische Fähigkeiten. Bei der Soundfindung ist Tobi eingenerdet, aber es war trotzdem cool, nochmal andere Ohren dazuzubekommen. Das Songwriting ist allerdings ausschließlich von Tobi, Ralph und mir gemacht worden.

Fotos: Philipp Detter

War das Ziel, es catchiger und HipHop-iger zu machen?
Auch. Wir haben mit der Klangkantine eine Vielzahl an Möglichkeiten, wie wir klingen können, weil wir die Bläser haben. Da wird es manchmal schwierig, es einzuschränken oder auf einen Fokus zu bringen. Es gab die Absicht, dass wir wieder mehr in den HipHop gehen, wo ich auch herkomme.

Es klingt bisschen wie ein Mittelding aus Solo- und Klangkantine-Album, weil der Bandsound eingebetteter ist.
Ich freue mich auf die Liveumsetzung, die wird nochmal alles sprengen, was wir sprengen können. Aber ich weiß was du meinst. Wir haben viel mehr mit Aufnahmen und eigenen Samples bei den Bläsersätzen gearbeitet. Zum Teil auch einzelne Lines ausprobiert, wo wir einen Riff ins Zentrum legen. Also so, dass wir das nicht als Teil eines Arrangements denken, sondern einzelne Sounds oder Geschichten einbauen.

In den Hooks ist der Mirac-Einfluss hörbar. Wie viel Überwindung war dabei?
Es war nicht so schwer, weil ich Mirac solange kenne. Da ist eine gemeinsame Ebene von Verständnis und Respekt füreinander da. Woran mich Mirac erinnert hat: Als wir „Kein Platz für Zweifel“ gemacht haben, habe ich gesagt: ‚Nein, ich mach keine Ahs!‘ Ich war damals Anfang 20 und dabei, das Rapgame zu revolutionieren – jo eh. Das war diesmal lustig, weil ich viel mehr Ahs und Adlibs machen wollte. Er hat mir das früher oft vorgeschlagen und ich war immer so: ‚Yasmo macht sowas nicht!‘ Naja, man wächst (lacht).

Hat sich dein Zugang ans Rappen bei den neuen Tracks verändert?
Ich hatte wieder mehr Bock auf Technik und aufs Stylen. Ich bin ein sehr trotziger Mensch und habe mich lange aus Trotz nicht um Technik geschert. Was nicht heißt, dass ich sie nicht habe. Vor allem früher und beim ersten Album mit der Klangkantine habe ich aus der HipHop-Community oft gehört: ‚Ja, das ist die Yasmo, die macht halt Poetry-Slam‘. Dann habe ich mir gedacht: ‚Ihr seids so deppat‘. Da wurde mein Trotz getriggert, dass ich gesagt habe: ‚Gut, dann bau ich noch mehr Metaphern in meine Texte und dann schauen wir, welche Platten verkauft werden‘. Da habe ich schon ein Ego. Bei der Platte hat es sicher auch damit zu tun, dass Mirac involviert war.

„Ich bin ein sehr trotziger Mensch und habe mich lange aus Trotz nicht um Technik geschert“

Haben dich die Beats dazu verleitet?
Es ist bisschen Hand in Hand gegangen. Bei manchen Songs hatten wir Demos, die technisch cool waren. Dann hat es glaube ich Mirac und Luca dazu inspiriert, die Beats bisschen anders zu bauen, damit das mehr hervorgehoben wird. Umgekehrt gab es musikalische Skizzen, wo klar war, dass ich den Part neu schreiben muss, weil es nicht fett genug ist.

In Vergangenheit ist Miss Lead technisch ganz anders als Yasmo aufgetreten, das war fast bisschen schade.
Das Feedback habe ich oft bekommen. Umgekehrt ist diese Hassliebe, die ich mit der HipHop-Community oder überhaupt mit HipHop habe lustig. So wie ich HipHop verstehe, geht es natürlich ums Stylen, Representen, Raum einnehmen und so. Aber halt nicht nur. Sondern auch um Austausch, eine sanftere Seite. Mit der Klangkantine war oft dieser Fokus aufs Lyrisch sein. Weil es etwas ist, das ich gerne mache und kann. Das hat sich immer bisschen mit der Technik gestritten. Jetzt versuchen wir das ganze zusammenzubringen.

Das hat früher vielleicht die Zeigefingerrap-Meldungen befeuert. Vielleicht wird es anders wahrgenommen, wenn die Leute sehen: Bei Yasmo geht es ja nicht nur um Inhalte, die kann ja auch gut rappen und flowen. 
Ja, das hat sich bei mir in den letzten Jahren breitgemacht. Ich habe bis vor fünf, sechs Jahren ur das Gefühl gehabt, dass ich mich beweisen muss. Miss Lead ist ja auch aus einer Trotzreaktion heraus entstanden, weil der Gedanke war: Ich kann eh die Technik, aber ich habe keinen Bock drauf. Dann kam 2013 „Move It Out“ und die erste EP. Dieses Gefühl habe ich jetzt gar nicht mehr. Es ist mehr ein ‚passt schon‘.

Also ein geschrumpftes Ego als Rapperin und gleichzeitig mehr Fokus auf Technik? Eine interessante Kombination.
Ich glaube weil mehr Freiheit da ist. Weil das Ego geschrumpft ist und ich das Gefühl habe, niemandem mehr was beweisen zu müssen. Ich weiß wer ich bin, wir haben die beste Fanbase und sind unglaublich froh darüber. Wir freuen uns natürlich, wenn Leute dazukommen, aber es geht auch so. Vielleicht ist es Altersmilde. Durch diese Freiheit, die sich mein Ego erspielt hat, war wieder viel mehr Spielerei und der Drang, dass ich einfach das mache, worauf ich Lust habe. Eben ohne dass ich mir trotzig etwas einrede.

Braucht es diesen Zugang, damit man nicht den Spaß an der Musik verliert?
Bestimmt. Ich habe den Spaß an Musik nie verloren, er hat sich nur weiterentwickelt oder so (lacht). Es wäre ja fürchterlich, wenn ich jetzt noch da wäre, wo ich vor zehn Jahren war.

Das Album ist in der Pandemie, aber noch vor dem aktuellen Krisencocktail entstanden. Das Feuer, strukturell was zu verbessern, die Menschen direkt und motivierend anzusprechen, zieht sich bei dir durch und prägt auch die neuen Tracks mit. Wäre das in der jetzigen Zeit noch so möglich?
Yasmo: Ich glaube es wäre sogar noch mehr so. Aber vielleicht noch bisschen aufgedrückter und gezwungener. Ich bin ganz froh, dass wir es davor gemacht haben. Wobei, das ist ja das Oage: Wir haben das Album in einer Zeit geschrieben, als die Welt mal kurz im Stillstand war, die Wahnsinnigen, Schwurbler und so weiter gekommen sind, wo Rechtsextreme plötzlich wieder erfolgreich angefangen haben, die Ängste der Menschen zu instrumentalisieren. Es war ja schon eine wahnsinnige Zeit. Es hat ja niemand damit rechnen können, dass es noch schlimmer wird. Insofern bin ich froh, dass wir das Album damals geschrieben haben und nicht jetzt. Die Welt läuft in großen Schritten vor die Hunde und es wird alles immer wahnsinniger. Aber resignieren ist nie eine Option.

Aber der Kraftaufwand, es nicht zu tun, wahrscheinlich ein anderer.
Der ist vorhanden. Es gibt Phasen, in denen man müde wird, aber man lernt auch, damit umzugehen. Vor vier, fünf Jahren hatte ich das erste Mal in meinem Leben eine Krise im Sinne von: Wofür schreie ich die ganzen feministischen Parolen und versuche strukturelle Arbeit zu machen, um was zu ändern, damit sich dann erst wieder nichts ändert? Da war ich irgendwann so: ‚Oida, was ist mit dieser scheiß Welt?‘ (lacht) Aber man muss kurz innehalten und weitermachen. Es gibt ja teilweise Entwicklungen, die man zehn Jahre später sieht – wo man etwas gemacht hat und damals nicht gecheckt hat, was für Auswirkungen es haben könnte.

Gab es Schlüsselmomente?
Es sind immer wieder kleine Momente. Ich mache ja viel hinter den Kulissen und versuche in der österreichischen Kulturpolitik strukturell was zu verändern. Ich bin jetzt im Vorstand des österreichischen Musikrats, beim Musikfonds, war beim Musikbeirat der Stadt Wien und habe den Kultursommer kuratiert. Es sind ja nicht nur leere Parolen bei mir.

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Gibt es einen Moment, den du skizzieren könntest?
Es ist zum Beispiel oag, wie unterschiedlich die Gespräche mit jungen FLINTA-Personen und jungen Männern oft sind, wenn es um Förderungen geht. Ich motiviere immer alle und sage: ‚Es gibt diese Stellen. Bitte schaut euch das an, lest es euch durch, überlegt es euch!‘ Dann sehe ich, wie unterschiedlich diese jungen Menschen sozialisiert sind. Die Typen kommen oft mit einer Selbstverständlichkeit und einem Entitlement hin – dreist sein zahlt sich manchmal eh aus, passt schon. Aber dann siehst du junge FLINTA-Personen, von denen viele so sind: ‚Glaubst du kann ich da wirklich einreichen?‘ Es ist ja nichts verloren, wenn du einreichst – außer bisschen Zeit. Aber das ist die nächste Generation und in solchen Momenten denke ich mir oft: ‚Ach nein, es geht schon wieder von vorne los‘. Es ist halt die Welt, da kann in dem Sinne niemand was dafür. Wir können nur versuchen sie zu verändern, also mache ich das und rede den jungen FLINTA-Personen noch mehr ein, dass sie bitte unbedingt einreichen und sich ihre Bühnen erkämpfen sollen.

„Ich lebe nicht nur von der Kunst, sondern davon, dass ich Yasmo bin“

Damit langsame Entwicklungen beschleunigt werden?
Im besten Fall. Wobei das taugt mir gerade ur. Ich kriege die Frage, wie es als Frau in einer männerdominierten Szene ist nicht mehr. Ich kann diese Frage nicht mehr hören und habe sie auch zehn Jahre beantwortet. Ich habe auf meinem letzten Album einen Song darüber geschrieben, weil es mir gereicht hat. Es kommen jetzt manchmal Frage wie: Hast du das Gefühl, dass es jetzt mehr Rapperinnen gibt? Das ist schon viel positiver formuliert. Und dann kann ich mit einem breiten Grinsen sagen: ‚Ja – und es ist saugeil!‘ Da sieht man wieder eine Entwicklung, die 10, 15 Jahre gedauert hat, aber jetzt langsam ankommt. Dann denkt man sich wieder: ‚Aja, dafür mache ich das‘.

Du hast mal zur Verteilung im Musikbereich gesagt, dass sich der Anteil für die Artists erhöhen wird. Eine begründete Hoffnung oder eher Zweckoptimismus?
Das muss unbedingt sein bei der Inflation, also es geht gar nicht anders (lacht). Die Hoffnung ist da, der Optimismus sagt: ‚Da müssen wir jetzt laut werden – und das für längere Zeit.‘ Wir haben ja im ganzen Kulturbetrieb Probleme durch Corona, dass viel weniger Karten gekauft werden. Der Staat fängt aber die ganzen Häuser nicht mehr auf. Es kann das B72 sein, aber auch das Burgtheater und alles dazwischen. Da entsteht gerade etwas, wo wir laut schreien müssen: ‚Hallo, wir sind Kultur, man braucht uns!‘ Natürlich hoffe ich, dass mehr Künstler*innen nur von der Kunst leben können. Bei mir ist es ja auch bisschen eine Lüge. Ich lebe nicht nur von der Kunst, sondern davon, dass ich Yasmo bin. Das klingt super arrogant. Ich meine es in dem Sinne, dass ich von Vorträgen, Slams, Schreiben und der Band lebe. Es sind verschiedene Einnahmequellen, die das ergeben.

Wie viel Prozent nimmt die Musik ein?
Ein Drittel vielleicht?

Eigentlich wenig.
Ja. Aber da muss man sagen, ich bin selber schuld. Die Band ist natürlich das dümmste wirtschaftliche Modell. Ich könnte mich auch alleine mit einem DJ auf eine Bühne stellen und würde viel mehr Geld verdienen. Aber ich habe Musiker*innen, die natürlich auch ausbezahlt werden wollen – und ich will es auch nicht anders machen. Es ist ein Luxus, den ich mir auch gönne. Natürlich wäre es möglich, es in kleiner Besetzung mit drei Instrumentalist*innen oder so zu machen, dann bleibt mehr Geld für mich. Aber da denke ich mir, ich will es schon so machen wie ich es mache. Das ist, finde ich, auch künstlerisch interessanter und eine Riesenfreude ist es dazu auch noch.

Am 1. und 2. Dezember präsentieren Yasmo & die Klangkantine das neue Album live im Wiener Porgy & Bess.