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20 Jahre für die Ananas // Review

20 Jahre für die Ananas // Review

Während langsam die ersten Besucher eintrudeln, startet im Außenbereich der Grellen Forelle das dicht gestaffelte Programm der 20-Jahres-Feier von The Message. DJ Diggy – übrigens eines von vier Gründungsmitgliedern des Magazins – spielt zunächst ein Set voller funky Tunes. Weiter geht es mit einer Spezial-Ausgabe von Rapper lesen Rapper. Nach der gekonnt schenkelklopferlastig inszenierten Einleitung, in der die Moderatoren David Scheid und Fozhowi von ihrer verpassten Schlagerkarriere sprechen und den obligatorischen Packerlwein öffnen, lesen die beiden Tracks von Rappern, die später auf der Hauptbühne stehen werden. Foz trägt „Raver“ von Trettmann vor, anschließend sorgt David Scheid mit der Lesung von „Vienna Sausage„, dem Denglisch-Brett von Kreiml & Samurai, für einige Lacher. Der Stimmung hinderlich sind leider die schwachen Boxen. Aufgrund der mangelnden Lautstärke ist in den hinteren Reihen kaum etwas zu hören, wofür wir uns hiermit entschuldigen möchten! In weiterer Folge bitten die Moderatoren mit dem Mitgründer und Herausgeber Daniel Shaked und Julia Gschmeidler, zwei tragende Säulen von The Message, auf die kleine Bühne. Die kürzlich von uns interviewten Künstler drehen den Spieß um und quetschen die Bühnengäste zu ihren persönlichen HipHop-Anfängen aus. Daniel erzählt unter anderem über die Gründung des Magazins und wilde HipHop-Hardcore-Hybrid-Partys im Bach in Wien-Ottakring, in dem auch die erste Message-Party stattgefunden hat. Zeitgleich turnen seine beiden Kinder aufgeweckt im Bühnenbereich. Julia spricht über ihre Jugend im Waldviertel, ihre frühe Rap-Sozialisation mit Aggro Berlin und Ersguterjunge sowie ihre bis heute gebliebene Vorliebe für Deutschrap. Am Rednerpult bringt sie witzige und skurrile Anekdoten aus mit diversen Rappern geführten Interviews. Anschließend übersetzt der „gschüttelte Daniel“ (unumgänglicher Wortwitz) Rap-Classics aus den USA in authentisch-gscheades Wienerisch – wie die MCs nunmal ticken würden, hätten sie genügend Wiener Luft inhaliert. Auf pädagogisch wertvolle Aussagen à la „S’Leben besteht nur aus Hurn und Knedl“ von den Westcoast-Legenden „Eiswürfel“ und dem „Leichten E“ folgt in Form von Biggie & Nas Material von der Atlantikküste. Zum Abschluss folgen eine kurze Mundart-Version des namensgebenden Grandmaster-Flash-Tracks sowie „Wean, du bist a Taschenfeitl“, die inoffizielle Wien-Hymne von Heller und Qualtinger.

Auf die abgespeckte, aber wie immer sehr amüsante Ausgabe der Reihe folgt ein Freestyle-Battle in Kooperation mit Dreistil. Die zunächst überwiegend sitzende Meute schleppt sich langsam Richtung Bühne – man will ja schließlich ein bisschen etwas hören. Host JerMC leitet ein hochkarätig besetztes Battle mit Gästen aus ganz Österreich, bei dem Fate One sich im Finale gegen den bösen Wolf durchsetzen konnte und einen Gutschein vom Sneakerstore PAAR-Laden einheimst. Anschließend liefern sich Barbee und Flowbird, die normalerweise das Duo Barbee ’n Flow bilden, das wohl erste Compliments Battle in Österreich und wissen trotz einiger Hänger das Publikum zu unterhalten.

Mit etwas Verspätung starten Emzetka als erster Act im Innenbereich. Nachdem sie mit einigen Tracks das vorhandene Publikum vorgeheizt haben, holen sie den Böser Wolf auf sowie weiteres Publikum vor die Bühne. Mit gechillten Grooves und humorvollen Texten geht das Event fließend vom Afternoon-Jam in eine nächtliche Live-Show über. Nicht einmal die Rucksäcke werden abgelegt – es geht wirklich einfach weiter. Die vielen Crew-Mitglieder nutzen die etwas kurz geratene Stagetime so gut wie möglich und präsentieren ihre teils deepen, teils spaßigen Nummern, während es in der Halle stetig dunkler wird. Neben neuen Tunes aus der Platte „Intro“ schallt mit „WSDWG“ auch altbekanntes Material von WSDG, bestehend aus den Emzetka-Mitgliedern Caballero und Joshy, aus den Boxen. Das ist auch der letzte Track. Die Jungs müssen unter dem Veranstalter gewidmeten Buhrufen die Bühne verlassen, da es der Zeitplan von ihnen verlangt. Sorry an dieser Stelle, but the show must go on. Dafür freuen wir uns umso mehr auf ihr nächstes Konzert in voller Länge!

Nach einer kleinen Pause betritt nun T-Ser, unterstützt von Delinquent und Caesar die Stage. Mit „Lit“ geht es los, nach „Alles für die Show“ und ein paar Ansagen („Wer braucht Gwalla?“) ist die Stimmung aufgeheizt. T-Ser steht auch selber hinter den Decks und sorgt dort für den Beat – ein lustiges Bild, das perfekt in den einzigartigen Flair der Veranstaltung passt. Soundtechnisch ist diesmal alles einwandfrei, anders als kürzlich im 21-Pop-up-Club, wo die Anlage gestreikt hat. Während T-Ser weiter selbst Musik auflegt, versammelt sich die Message-Gang draußen zum Gruppenfoto. Leise ist noch ein A cappella zu vernehmen, mit dem er zum Schluss einheizt.

Dann kommt  Juicy Gay, der gleich zu Beginn mit seinem Future-Remix zu „Traurig ohne Grund“ eine Halle voller HipHop-Heads zum Upturnen bringt. Ebenfalls ein Remix ist sein zweiter Track: „Wo bist du mein Sonnenlicht?“. Dank einer hingebungsvollen Performance erntet er anschließend großen Applaus. Juicy Gay präsentiert Banger-lastiges Material, der ganz in Babyblau/Rosa unter Trap-Geschrei die Stage abreißen will. Der Übergang von Donaukanal-Session zu Club-Gig ist nun vollendet. Nach und nach verlagert sich die Meute nach innen und verfolgt die Show, draußen wird nur verschnauft – vor der Bühne ist es dann doch relativ heiß, besonders in den vorderen Reihen. Nach ein paar zur Abwechslung eher lieblichen Klängen („Sace, Sace“, „Paris„) ruft der Rapper zum ersten und einzigen Moshpit des Abends auf. Zum Glück geht alles gut.

Auf ihn folgen die Local Heroes Kreiml & Samurai. Das Publikum grölt fleißig mit, was bei feuchtfröhlichen Tracks wie „Gegensprechanlog“ oder „Wandertag“ ohnehin fast eine „gmahde Wiesn“ ist. Erwartungsgemäß zieht auch „Lignano“ (hicks) bestens beim Wiener Publikum. Da tut es wenig zur Sache, dass Johnny Aitsch seinen Part komplett verhunzt. Samurai hilft ihm engagiert beim Drübermogeln. Insgesamt liefern Hund und Schweinderl eine energiegeladene Show, wobei sie aufgrund der großartigen Stimmung zwischen den Tracks wenig sagen müssen. Regelmäßig am Ottakringer sippen und einfach den nächsten Track rauspfeffern reicht völlig aus. An dieser Stelle erneut s/o an die geilen Boxen! Für „Helga ist tot“, „Not OP“ und „D.B.M.W.“ erscheinen mit DRK & FOZ, 5 Finga beziehungsweise „Bratko“ Monobrother weitere gern gesehene Featuregäste auf der Bühne. Anschließend spielen Kreiml & Samurai „Lächerlich“, wobei der Zweitgenannte den Track mit einer kurzen, Kroko-Jack-esken Gesangseinlage adaptiert. Zum Abschluss performen die beiden im Zusammenspiel mit Digga Mindz „Das alte Liedchen“ – toll, dass diesmal sämtliche Featuregäste erschienen sind – sowie „Vienna Sausage“. Weiter geht’s mit Def Ill, der gemeinsam mit seinem Back-up Highznberg in gewohnt energischer Koffeinjunkie-Manier (keine Übertreibung!) Classics aus seiner umfangreichen Diskografie spielt, bevor es als Kontrastprogramm ein kurzes Trap-Intermezzo gibt. Der Linzer MC spricht auf einem seiner seltenen Wien-Auftritte den althergebrachten Disput zwischen Boombap- und Trap-Schiene an – in diesem Kontext folgen auch positive Worte für T-Ser, zu dem er oft gefragt werde: „I mach lieber Trap mit ihm, als ihn zu disrespecten – er ist ein Homie!“ Anschließend spielt er Material aus seinem aktuellen Album „R.A.F.“ – klare Worte zur Flüchtlingsthematik. Nach Grüßen an Struggle Gold von Weisssgold, der momentan in der Justizanstalt Josefstadt verweilt, spielt Def Ill unter viel Applaus mit einigen Featuregästen „Zeltstädte Pt. 2“. In abrissartiger Art und Weise performt er daraufhin Teile seiner „One Take Show“ sowie eine adaptierte Version von „Reefa Blues“ (auf dem Instrumental zu „Last Resort“ von Papa Roach). Für die ausgedehnte Version der Ill-Mindz-Nummer „Killashit“ holt er sich neben Crew-Partner Digga Mindz auch die Homies Selbstlaut, Fate One, T-Ser und Delinquent auf die Bühne, die allesamt überzeugen. Der Abriss ist perfekt. Zum Abschluss seines Sets folgt als Geburtstagsgeschenk eine „Gaudi-Nummer“ übers Message. Wir bedanken uns – Def Ill kann seine Qualität als Live-MC ein weiteres Mal eindrucksvoll unter Beweis stellen.

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Nach dem lieben Geburtstagsstanzl folgt Trettmann, Deutschlands Dancehall-Urgestein mit derzeitigem Karriere-Höheflug, wie die Platinauszeichnung für seine Beteiligung auf „Palmen aus Plastik“ von Bonez MC und RAF Camora beweist. Gemeinsam mit DJ AsadJohn bringt der Leipziger eine ordentliche Prise Jamaika-Feeling in die Grelle Forelle. Bei den stürmischeren Nummern seines Sets animiert Trettmann sein Publikum zu Moshpits und sogar zu einer „Wall of Death“ – Einladungen, die dankend angenommen werden. Doch der Leipziger fordert stellenweise auch zum melancholischen Dahinschwelgen auf, bei einer Ballade wie „Dolce Vita“ darf auch das Hochhalten von Feuerzeugen (oder Smartphone-Displays) nicht fehlen. Durch die  vermehrt ruhigen Töne nimmt Trettmann während seines Sets, in dem die Kollabos mit unter anderem Bonez/RAF, Ufo361 oder Kraftklub nicht fehlen dürfen, immer wieder das Tempo raus und bietet Verschnaufspausen an. Eine Mischung, die gefällt – wenngleich die Moshpit-Action doch besser funktionierte als die Balladen.

Von Balladen ist auch die folgende Haiyti aka Robbery nicht abgeneigt, aber die kommen bei ihr a) immer in einem Gangsta-Gewand und sind b) in ihrem heutigen Set sowieso deutlich in der Minderheit. Denn der Headliner demonstriert schon mit einem Sprung auf die Bühne, dass sie den Esprit ihres „Rock-am-Ring“-Gigs mit nach Wien genommen hat. Stürmische Vibes brechen also los, wenn Haiyti lautstark „City Tarif“ intoniert – oder „Runter von der Straße“, das heute wohl eher „Runter von der Bühne“ heißen sollte. Beeindruckend, wie Haiyti das Publikum steuert. Und zwar ganz ohne Back-up, nur unterstützt von DJ AsadJohn. Natürlich kommt ihr zu Gute, dass sich sowohl ihre markante Stimme als auch ihre Songs  – wie „Sergio Tacchini“, „Runter von der Straße“, „Italiano“ oder „Fiorucci“ – einfach vorzüglich für Live-Auftritte eignen. Aber diese positiven Ausgangsfaktoren muss man erst einmal so gekonnt auf die Bühne bringen. Starker Auftritt, der zu Recht mit tosendem Applaus goutiert wird und das Publikum in eine noch lange Nacht entlässt, in der unter anderem Flip, Zuzee, B.Visible und Restless Leg Syndrome zeigen, was die heimische Szene an zu bieten hat.

Wir möchten uns hiermit noch einmal bei allen Künstlern und Künstlerinnen sowie dem zahrleich erschienenem Publikum bedanken, die den Abend erst zu diesem unvergesslichen Ereignis gemacht haben. Big up auch an Beat the Fish, ohne die wir unseren Geburtstag wohl in einem Beisl am Stadtrand feiern hätten müssen. Watch out for the Aftershowmovie und wer sich kein T-Shirt unserer neuen „Message x Kroko Jack“-Auflage gesichert hat, kann dies über [email protected] nachholen. 1 Ananasliebe.
Die Redaktion.

Alle Fotos des Abends findet ihr auf unserer Facebook-Seite

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