Die Schlange vor dem ausverkauften Flex ist lang und sogar um kurz vor 20 Uhr suchen verzweifelte Menschen noch nach abzugebenden Tickets. Das Publikum ist wie erwartet großteils unter zwanzig, jedoch warten alle gleichermaßen gespannt, was gleich passiert. Ein Fruchtmax-Banner lässt erahnen, dass es wohl trotz fehlender Ankündigung einen Support Act geben wird.
Pünktlich um 20 Uhr signalisieren die Lichteffekte, dass es losgeht. Fruchtmax betritt die Bühne, fordert Applaus für „seinen DJ aus China, DJ Handy“ und fragt dann tatsächlich noch, wo denn das Aux-Kabel sei. Der Berliner Rapper, der hauptsächlich durch seinen Track mit Hugo Nameless und Juicy Gay „WKM$N$HG?“ bekannt ist, performt Playback seine Songs in denen es – uh, mal was Neues – um Bitches, teure Autos, chemische Drogen und Selbstverherrlichung geht. Dass Fruchtmax zumindest mit seinem aktuellen Sound eher die jüngere Generation anspricht, merkt man nicht nur an Sätzen wie: „Beim nächsten Song macht mal bitte alle die Handylichter an!“. Fraglich ist dann aber, wieso er trotzdem scheinbar völlig unreflektiert Nummern wie „MDMA“ performt, in der es heißt „Schau‘ in deine Augen, alles was ich seh is‘ schwarz – Große Pupillen, schuld ist MDMA“. Gefeiert wird Fruchtmax nur vom vorderen Drittel des Publikums und auch dort eher zaghaft – zu Recht.
Nach ein paar Nummern und einem eingeforderten Applaus für SXTN passiert einige Minuten nichts auf der Bühne und das Set mit DJ Handy kann verdaut werden. Es dauert nicht lang und ein richtiger DJ richtet sich am Pult ein. Er stimmt Yung Hurn an und holt die Wiener Crowd sofort ab. Nach einem kurzen Set gibt es eine Umbaupause und der DJ, Sam von den Broke Boys kommt erneut auf die Bühne und stimmt leise den ersten SXTN-Beat an. Gedimmte Scheinwerfer, blaues Licht und Nebel auf der Bühne. Die Silhouette von Sam fordert das Publikum mit Handbewegungen zum Applaus auf und muss nicht lange warten. Mit einsetzendem Beat und unter lautem Jubeln und Klatschen erscheinen Juju und Nura von SXTN auf der Bühne. Ihr erster Track „Die Fotzen sind wieder da“ eröffnet die Show auf einem hohen Energielevel und die Präsenz der beiden Berlinerinnen ist von Anfang an spürbar. Gekonnt rappen sie ihre Strophen und sind dabei nicht nur technisch auf einem guten Niveau, auch in Sachen Crowd-Motivation machen sich die unzähligen großen und kleinen Konzerte der vergangenen Monate bemerkbar. SXTN beweisen, dass sie sowohl auf riesigen Festivalbühnen, als auch im vergleichsweise kleinen Flex für Stimmung sorgen können. Zwischen den Songs wird viel gequatscht und mit dem Publikum interagiert und vor allem Nura geht gefühlt auf jede Person ein, die sich irgendwie bemerkbar macht – und bleibt damit so authentisch, wie man es aus ihren Instagram-Stories kennt. Auch die Bierbong wird insgesamt ganze drei Mal ausgepackt und die ersten Reihen „dürfen“ ran.
Aber nicht nur in den Pausen sorgen die zwei für Entertainment – auch die Songs selbst werden mit Gimmicks performt. So rappen sie „Bongzimmer“ zum Beispiel sitzend in zwei Campingsesseln auf der Bühne und – eh klar – mit eingeforderten Joints aus der Crowd. „Ich hab kein Feuerzeug“ wird von einem beeindruckenden Feuerzeugmeer begleitet, welches erstaunlich wenige Handylichter beinhaltet. Auch ein Moshpit darf nicht fehlen: bei „Wir sind friedlich“ und „Deine Mutter“ werden alle dazu aufgefordert, in der Mitte Platz zu machen und bei der Hook aufeinander zuzulaufen und zu eskalieren – was sogleich für eine gewisse Dynamik sorgt. Nach guten einenhalb Stunden Show ist die Zugabe dennoch unumgänglich und es wird „Vorstadtjunge“ gespielt, außerdem eine RMX-Version von „Deine Mutter“, die nicht unbedingt notwendig gewesen wäre.
Fazit: SXTN haben gezeigt, was man von ihnen gewohnt ist: eine große Show in Kombination mit der unverwechselbaren, authentischen Art der zwei Künstlerinnen, derbe Texte, energiegeladene Performance und viel persönliche Kommunkation mit den Fans. Generell waren die Menschen im Flex sehr offen und haben alles mitgemacht, was das Duo angesagt hat. So wurden auch die Texte fleißig mitgerappt, was bei den meisten Nummern eine durchaus positive Dynamik erschaffen hat.
Allerdings kann es auch kontrovers wirken, wenn die männlichen Besucher „Ausziehen!“ grölen oder ein Publikum, das zu 80 Prozent aus weißen Kids besteht, „Ich bin schwarz“ mitsingt. Über moralische Ansprüche auf einem Rap-Konzert lässt sich natürlich streiten, allerdings kommen doch Zweifel auf, ob sich mit der Thematik der Texte auch hinter den plakativen Hooks auseinandergesetzt wird. Bei Zeilen wie „Ich hab’s Euch doch gesagt, Schule is für’n Arsch, guck mal jetzt bin ich ein Star und meine Träume werden endlich wahr“ aus „Schule“, und dem ständigen Aufrufen zum Kiffen und Saufen, bleibt der Umgang mit Fans, die zum Großteil noch zur Schule gehen, fragwürdig. Jedoch kann man den beiden Powerfrauen in Sachen Stimmungmachen, fehlerfreies Spitten, Präsenz auf der Bühne und Interaktion mit der Crowd nichts nachsagen.
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Text: Ana Theresa Ryue // Fotos: Alexander Gotter
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