1/3 Instrumentals, 1/3 Underground-Deutschrap, 1/3 Emotrap, wo hoid jemand bissi…
Konzerte am Sonntagabend haben es in der Regel nicht leicht, vor allem an solchen von Konzerten durchzogenen Wochenenden wie diesem. Nichtsdestotrotz sollte Das WERK an diesem Sonntag die Location für Döll’s Tourabschluss zu seinem Album „Nie oder jetzt“sein – und das ausgerechnet in der „schönsten Stadt Europas“. Auch wenn das jeder Rapper in jeder Stadt sagt, wirkt es insofern glaubhaft, dass Wien tatsächlich die schönste Stadt Europas ist und zumindest Mädness als früherer Wegbegleiter des Wiener Urgesteins Kamp, der leider an diesem Abend nicht dabei sein kann, oft hier war und die Stadt in einigen Songs auf seinen Releases erwähnt hat (z.B. „Frag mich nicht“, „Häng ab“).
Um 20 Uhr beginnt Robert Winter (ein Fotograf, der erst kürzlich eine erfolgreiche Kickstarter-Kampagne für sein Buch gestartet hat, in dem er Bilder aus dem letzten Jahrzehnt, in der er die hiesige Beatszene begleitet hat, veröffentlichen wird) mit einem Warm-Up-DJ-Set. Ein bunter Mix aus Instrumentals von den Dramadigs, K Le Maestro und Kaytranada über US-Hits von Joey Badass bis hin zu unveröffentlichten Tracks aus dem eigenen Freundeskreis, in diesem Fall beispielsweise einem Track vom kommenden T9-Album als Rache dafür, dass Torky Tork regelmäßig unveröffentlichte Döll-Tracks in seine Sets einbaut. Die anfangs recht leere Halle füllt sich währenddessen ziemlich schnell, sodass der Hauptact des Abends Döll sich über eine volle Location freuen kann.
Der große Bruder und Mentor, der OG himself Mädness, übernimmt während der Show zugleich die Rolle des DJs als auch des Backups. Den kann Döll aufgrund der fast zwei Wochen andauernden Tour (durch die Heimat in Hessen, die Wahlheimat Berlin und Städte, die „hoffentlich nie Heimat werden wie Freiburg“) durchaus gebrauchen, ist die Stimme anfangs hörbar angeschlagen – auch wenn sich das im Laufe der Show bessert und Döll am Ende wesentlich glücklicher damit wirkt als zu Beginn.
Neben Songs vom neuen Album „Nie oder jetzt“ kommen natürlich auch Tracks der „Weit entfernt“ EP nicht zu kurz, die Döll 2015 vom No-Name zum Kritikerliebling katapultierte. Nicht zuletzt das großartige Team an Produzenten, mit denen Döll in den letzten Jahren zusammengearbeitet hat (wie unter anderem Brenk Sinatra, Dexter, Gibmafuffi & Suff Daddy sowie für das aktuelle Album Enaka, Bluestaeb, Yassin, Nobody’s Face oder Morlockko Plus) haben einen großen Teil dazu beigetragen.
Doch auch die Tiefe der Themen, die Döll in seinen Texten anspricht, machen ihn greifbar und authentisch. Spiel- und Alkoholsucht, Depression und Selbstzweifel ziehen sich durch dein Werk. Für einen emotionalen Moment, dem höchster Respekt gebührt, sorgt er mit seiner Ansprache zum Umgang mit Depression und suizidalen Gedanken. Er ruft die Leute im Publikum dazu auf, sich nicht vor fremder Hilfe zu scheuen und selbst ein wachsames Auge auf den eigenen Freundeskreis zu haben. Er selbst sei das beste Beispiel dafür, sich von Schicksalsschlägen und Depression nicht unterkriegen zu lassen und stets nach vorne zu schauen. Seine Reichweite und sein Standing für solche Themen einzusetzen, ist keine Selbstverständlichkeit und gerade in einer Zeit, in der auch im Musikbusiness eine Generation an depressiven KünstlerInnen und HörerInnen heranwächst, richtig und wichtig. Die Popularität von KünstlerInnen wie Billie Eilish, Lil Peep oder nothing, nowhere. kommt schließlich nicht von ungefähr.
Trotz der oft tristen Themen kommt der Spaß nicht zu kurz und es werden, wenn es zur Stimmung passt, Moshpits angestoßen.
Auch ältere Songs, wie „Mehr von dir“ vom 2011 erschienen Album „Alles im Kasten“ mit Nomis funktionieren live erstaunlich gut. Auch wenn das Album vielen wohl weniger bekannt war, hat es die Zeit gut überdauert, was man nicht von allen Low-Budget-Debütalben behaupten kann.
Nach dem offiziellen Ende gibt es noch zahlreiche Zugaben zusammen mit Mädness von deren gemeinsamen Album „Ich und mein Bruder“, sowie eine stilechte OG-im-Bademantel-Perfomance von Mädness‘ aktuellem Soloalbum „OG“. Außerdem zum Tourabschluss Schnaps am Merchstand beim überaus großen, aber ebenso liebenswürdigen Merchmann Dirk. Ein gelungener Abend für alle Beteiligten.
Eine Auswahl an Hotlines, an die man sich im Falle einer Depression oder bei Suizidgedanken wenden kann:
Ö3-Kummernummer (täglich zwischen 16 und 24 Uhr, kostenlos): 01/116 123
Österreichweite Telefonseelsorge (rund um die Uhr, kostenlos): 142
„Rat auf Draht“ (rund um die Uhr, kostenlos, für Kinder & Jugendliche): 147
Psychiatrische Soforthilfe: 01/313 300
Krisenintervention: 01/406 95 95 0
Sozialpsychiatrischer Notdienst: 01/310 87 79 oder 01/310 87 80
SozialRuf Wien: 01/533 77 77
Universitätsklinik f. Psychiatrie, AKH: 01/40 400 3547
Ähnliche Posts
- Bilderstrecke: Texta Live am Seaside
Vom diesjährigen Seaside-Festival haben uns noch ein paar wilde Bilder des Texta-Konzerts erreicht. So viel…
- Chance The Rapper live @Art Basel
Der vielleicht spannendste Newcomer seit.. ja, seit langem präsentiert auf der Art Basel (die in…
- Tempting your Girlfriend // Gizzle live
Vergangenes Jahr tauchte ein Video von Puff Daddy auf, das wie aus der Zeit gefallen…
1/3 Instrumentals, 1/3 Underground-Deutschrap, 1/3 Emotrap, wo hoid jemand bissi rumschreit.