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Nicht die Musik, die du suchst // Kummer live

Nicht die Musik, die du suchst // Kummer live

Kraftklubs Stimme Felix Kummer a.k.a Kummer hat dieses Jahr für großes Aufsehen gesorgt. Nicht durch Promo-Beef oder sonstige Aktionen, sondern schlicht und ergreifend durch sein Soloalbum „Kiox“. Hoch gelobt von vielen Kritikern, Journalisten und Fans, erreicht die Platte sogar die Spitze der deutschen Album-Charts. Folglich spielt Kummer eine Konzert-Tour quer durch den DACH-Raum. Die Route führt ihn auch nach Wien, genauer gesagt in den 9. Gemeindebezirk. Wir waren vor Kurzem bei seinem – aus technischen Gründen nicht stattgefundenen – Konzert, und gestrigen Nachholtermin.

Vor knapp zwei Wochen standen wir schon einmal vor dem Kulturzentrum WUK. Im Eingangsbereich suchen viele nach einem übrig gebliebenen Ticket für die Show. Fündig werden wahrscheinlich die wenigsten. Zu hoch ist die Nachfrage, eine Soloshow des gebürtigen Karl-Marx-Städters (heute Chemnitz) live zu erleben. Die komplette Tour war innerhalb weniger Tage restlos ausverkauft, Karten für die Zusatztour im März werden ebenfalls schon knapp. Die scheinbar endlose Schlange zur Garderobe unterstreicht das große Interesse. Während wir uns gemütlich bei der Bar eine Erfrischung holen und beim Merchstand vorbeihuschen, fällt für einige Sekunden das Licht aus. Kurz darauf erhellt das Foyer wieder. Schnell wird klar, was das bedeutet: Stromausfall. Oder zumindest Probleme mit der Stromzufuhr. Beunruhigt wirkt dadurch allerdings keiner. Weiter trödeln die Leute vorfreudig in die bereits gut gefüllte Halle.

Pünktlich zum angekündigten Beginn kommt Kummer auf die Bühne. Eigentlich sollte jetzt KeKe hier stehen und das Publikum aufwärmen. Musik ertönt jedoch keine aus der Anlage. „Es gibt Probleme mit dem Stromnetz“, heißt es. Es wird sich darum gekümmert und um ein wenig Geduld gebeten. Die Besucher stecken die Wartezeit ohne großes Nörgeln weg. Auch nach einer Stunde scheint die Stimmung dadurch nicht getrübt. Immer wieder bilden sich Sprechchöre und wenn technisches Personal über die Bühne spaziert, jubelt der ganze Saal, einfach weil sich etwas tut. Man merkt, Wien hat Lust auf die Show.

Foto: © Matthias Schuch

Kurze Zeit später bekommen wir Kummer noch einmal zu Gesicht, diesmal in Begleitung. Jemand aus seiner Crew hält zwei akkubetriebene Neonröhren auf ihn, damit er besser sichtbar ist, die Notstrombeleuchtung reicht nämlich bei weitem nicht aus. Überraschenderweise funktioniert kurz das Mikrofon: „Ihr wisst, worauf das hinausläuft. Es wird leider nicht passieren“, teilt Felix mit. Als Trost gibt es trotzdem eine kleine Performance. Aus Bluetooth-Boxen dröhnt plötzlich die Melodie von „Bei Dir“. Nach den ersten paar Zeilen fällt das Mikro wieder aus und so übernimmt die Menge gekonnt den Text. Auch Kummer singt A capella mit. Man braucht nicht viel Technik oder aufwendigen Schnickschnack, um die Stimmung auf ein hohes Level zu bringen. Was ein Song aus Reiseboxen in schlechter Qualität und eine Gruppe von Leuten, die die Kunst fühlt, für einen Moment kreieren kann, ist erstaunlich.  Es wäre stimmungsmäßig definitiv ein Konzert der Superlative geworden, das hat man gespürt.

Foto: © Matthias Schuch

So schön es auch ist, so schnell ist es dann aber auch wieder vorbei. Die Devise des Abends: Ein schnellstmöglicher Ersatztermin. Und so kommt es, dass wir heute erneut im WUK stehen und gespannt auf Kummer warten.

Auch beim zweiten Anlauf rennt nicht alles exakt nach Plan. KeKe ist verhindert und fällt diesmal als Voract aus. Warum sie nicht erscheinen kann, wird nicht kommuniziert. Schade, hätte sie in ihrer Heimatstadt vermutlich einiges zur Show beitragen können.

Pünktlich erscheint Kummer und leitet den Abend mit „Nicht die Musik“ ein. Das Visuelle ist simpel gehalten. Kein teuer angefertigtes, protziges Bühnenbild, Pyrotechnik oder CO2-Kanonen. Lediglich Neonlampen auf Stativen, Nebelmaschinen und ein kleines Podest vorne in der Mitte schmücken die Bühne. Bei Kummer steht eben die Musik im Vordergrund. Das Publikum ist hochmotiviert. Schon nach dem ersten Song gibt es minutenlangen Applaus und Gekreische, sodass gefühlt der ganze Bezirk merkt, dass heute der Nachholtermin ist. Textsicherheit und Lautstärke gehören definitiv zu den Stärken der Crowd. Moshpits werden ebenfalls in hoher Frequenz zelebriert. Das treibt die Stimmung auf ein unglaublich hohes Niveau, welches das ganze Konzert über nicht abflacht.

Foto: ©Matthias Schuch

Zwischendurch plaudert Kummer ein bisschen über sich selbst, den Touralltag oder erklärt die Entstehung der Tracks. Man hat das Gefühl er spricht frei und sagt gerade, was er denkt. Keine einstudierten Übergänge zum nächsten Lied sondern authentische Emotionen. Dankbarkeit steht ebenfalls im Fokus. Immer wieder betont er, wie dankbar er dafür ist, hier stehen zu dürfen und dass so viele Menschen an einem Montag gekommen sind.

„Beim letzten Mal war das Konzert an einem Sonntag angesetzt. Es gibt nur einen beschisseneren Tag als Sonntag – und das ist Montag. Danke, dass ihr heute hier seid!“

Kummer
Foto: © Matthias Schuch

Kummer spielt die gesamte Tracklist von „Kiox“, es gibt allerdings kleine Ausflüge. Kraftklub-Songs wie „500k“ oder „Randale“ werden auch eingebunden. Hier kennen ebenfalls fast alle die Lyrics. Dass Kummer schon auf vielen Bühnen stand und einiges an Live-Erfahrung mitbringt, merkt man. Weder Playback, noch Unterstützung von einem Back-up-Rapper hat er nötig. Texthänger oder Verschnaufpausen gibt es nicht. Als geübter Live-Musiker kann man so etwas eben.

Foto: © Matthias Schuch

Nach genau einer Stunde verschwindet Kummer. Natürlich lässt sich Wien nicht einfach ohne Zugabe abwimmeln. Wieder gibt es Jubel und Geklatsche über mehrere Minuten, bis Kummer sich wieder blicken lässt. Als Krönung des Abends beziehungsweise der „Kiox“-Tour (durch die Verschiebung ist das Wien Konzert zum Tourfinale geworden) gibt es obendrauf noch „Bei Dir“ und „Der Rest meines Lebens“, was die Atmosphäre noch einmal nach oben katapultiert. Ein perfektes Ende.

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„Das war der schönste Tourabschluss, den ich mir vorstellen kann, danke Wien!“

Kummer

Fazit: Kein großes Drumherum. Ein gutes Album authentisch und qualitativ rübergebracht. Von der ersten bis zur letzten Sekunde überschwemmt das Publikum die Location mit Energie, ohne ein einziges Down. Eines der besten Konzerte dieses Jahres, wenn nicht sogar das beste.

Weitere Fotos vom Konzert

Alle Fotos: © Matthias Schuch