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Zwischen Fahrrädern & Drumracks // Fellowsoph & Edi Flaneur Porträt

Zwischen Fahrrädern & Drumracks // Fellowsoph & Edi Flaneur Porträt

Fellowsoph
Fellowsoph (l). & Edi Flaneur (r.) | Fotos: Niko Havranek

Auf den letzten Metern muss Fellowsoph sein Fahrrad schieben, denn im Augarten ist das Radeln – wie in allen Wiener Bundesgärten – verboten. Ohne Drahtesel anreisen wäre für den Wiener Rapper aber keine Option, längst ist er zu seinem Markenzeichen geworden. Temporär lässt er sich auf die präferierte Gangart seines Produzenten Edi Flaneur ein. Gemeinsam haben sie am 10. Juni ihr Debütalbum „Fahrräder und Drumracks“ veröffentlicht. Wir nehmen im idyllischen Gastgarten der ehemaligen Bunkerei Platz, um uns darüber zu unterhalten. Bei frühsommerlich-windigem Wetter kommt Freibadtschocherlstimmung auf – auch dank der markanten Sessel.

Einst über gemeinsame Freunde und eine Reise zum Hip Hop Kemp kennengelernt, entwickelte sich das Duo aus Jamsessions, wo mit „U-Bahn oder Rad“ der erste finalisierte Track seinen Ursprung nahm. „Wir sind ziemlich organisch reingewachsen, haben 2018 unsere ersten Tracks gemacht“, sagt Fellowsoph. Als er für ein paar Monate in Indien war, schickte ihm Edi Flaneur Beats. Erste Part-Entwürfe kamen in Form von Handy-Aufnahmen zurück, die Albumidee war geboren. Anschließend haben sich die beiden für gut eine Woche in einer steirischen Hütte eingebunkert und dort einen Großteil der Tracks ausgearbeitet.

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Zwei ungleiche Sturschädel

Im intensiven Kreativprozess einen gemeinsamen Nenner finden? Kein leichtes Unterfangen, zumal Fellowsoph & Edi Flaneur auch abseits der Wahl des Fortbewegungsmittels viel Diskussionsbedarf haben. Beide bezeichnen sich als Sturschädel, berichten von konfliktanfälligen Aufnahmen und Inputs, die die jeweilige Kernkompetenz überschreiten. „Es hat Zeit gebraucht, weil ich alles schnell fertigstellen und raushauen will, Edi aber ein extremer Perfektionist ist. Es gab Phasen, in denen ich gesagt habe: ‚Lass mich das so rappen wie ich will!‘ Aber wir haben eine gute Balance gefunden“, meint Fellowsoph. „Ich habe ihm mehr reingeredet. Er hat es aber auch gesagt, wenn er das Gefühl hatte, dass ein Beat nicht funktioniert“, kontert Edi Flaneur.

Aus Fellowsoph sprudeln die Worte, er spricht schnell und affektiv. Edi Flaneur wirkt dagegen ruhig und bedächtig, er scheint seine Formulierungen vorab zu Ende zu denken. Beide lassen sich dabei anmerken, dass ihr musikalisches Schaffen mit viel Herzblut verbunden ist. Wenngleich die Herangehensweisen konträr sind. So ist das Rappen im Leben von Fellowsoph neben einem Job als Fahrradbote, der Uni, dem Ballestern und „tausend Sachen im Kopf“ ein Mosaikstein, während sich sein Kollege intensiver aufs Produzieren konzentriert. „Ich finde es beeindruckend, wieviel Schädel und Zeit er in Musik und die Ästhetik investiert“.

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Genreloser HipHop

Als Sohn des Musikers und Komponisten Hannes Löschel kam Edi Flaneurs ab der frühen Kindheit viel mit Musik in Berührung. Sein Künstlername entspringt einem gleichnamigen Album des Vaters, stilistisch grenzt er sich aber ab. „Er macht mehr Volksmusik, Wiener G‘schichten und Jazz. Ich bisher eher House und Techno, jetzt HipHop.“ Musikalischer Austausch findet regelmäßig statt, etwa bei Jamsessions. Das macht sich auf dem Track „Karriereplanung“ bemerkbar, für den der Papa Rhodes-Klänge beigesteuert hat. Erschienen ist das digital und auf Vinyl erhältliche Album über dessen Label Loewenhertz – und nicht über Heiße Luft, wo Fellowsophs Solo-EP rausgekommen sind. Gute Connections bestünden weiterhin. „Es hat ihnen nicht so getaugt und passt vielleicht gerade nicht so rein – auch wenn sie ein breites Spektrum haben. Aber so jazzig wie es geworden ist, passt es gut auf einem Jazz-Label“, sagt Fellowsoph.

Das Faible für jazzige Produktionen führt Edi Flaneur auch auf seinen Vater zurück. „Er hat viel Free Jazz gemacht, was für mich als Kind sehr unzugänglich war. Da hat er seinen Einfluss hinterlassen, sodass ich es jetzt im Nachhinein sehr interessant finde.“ Nach ersten Gehversuchen als Produzent und DJ im Electronic-Bereich rutschte er über Jams und Shows mit Fellowsoph mehr ins HipHop-Ding hinein. Besonders Jazz-Rap-Bands wie Us3 haben es ihm angetan. So sehr, dass er mittlerweile eine Bachelorarbeit über Jazz-Einflüsse im Genre schreibt. Dass Edi Flaneur bei der Produktion von „Fahrräder und Drumracks“ organische Klänge ein Anliegen waren, erscheint naheliegend. Er verwertete einige Ausschnitte aus Live-Sessions, vereinzelt kommen auch gesampelte Breaks zur Geltung. „Ich arbeite viel mit der MPD und mache meine Drums fast immer selbst, sie sind mein Orientierungspunkt. Feel, Swing und Groove sind mir sehr wichtig. Für das Rundherum bin ich sehr offen – irgendwie ist HipHop vom Samplen her sehr genrelos, das hat mich immer fasziniert.“

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Ultimative Ehrlichkeit

Fellowsoph war bei seinen Solo-EPs „Ausblick“ und „Between The Beats“ auf Boombap-Beats zu hören, das aktuelle Album schlägt mit seinem Oldschool-Vibe in eine ähnliche Kerbe. Platz für neue Schreiberfahrungen habe es aber gegeben: „Für mich war es ein Prozess, mich darauf einlassen, anders klingen zu dürfen. Dass es boombappig ist, aber nicht so aufgeblasene Drums haben muss. Es darf auch melodischer, musikalischer sein. Die Freiheit hat mir fürs Schreiben sehr gut getan, um nicht in diesem HipHop-Korsett festzustecken.“

Neben lockeren Representer-Tracks wie „Who’s This?“ oder „Karriereplanung“ verarbeitet Fellowsoph vermehrt persönlichen Struggle. „Auch wenn es immer mit bisschen einer ironischen Brechung ist. Mir war es zum Beispiel wichtig, mal einen Tracks über Beziehungen draufzuhaben („Vielleicht“, Anm.) und Sachen zu verarbeiten, zu denen ich bisher nicht so einen Zugang gefunden habe“. Rap bezeichnet er als das ultimative Genre für Ehrlichkeit, weshalb es ihm nicht in den Sinn kommen würde, bewusst auf ein Image hinzuarbeiten. Lieber schreibt er etwa über sein chaotisches Mittzwanzigerleben und Züge einer Quarter-Life-Crisis – wie auf dem Outrotrack „Zwitte Manzig“, zu dem für Dienstag die dritte Videoauskopplung von „Fahrräder und Drumracks“ angekündigt ist.  

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(c) Philip Pesic

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Für ein Nachfolgeprojekt haben Fellowsoph & Edi Flaneur bereits erste Skizzen gesammelt: „Die fallen einen Tick moderner aus, haben weniger 80s-HipHop als Inspiration und sind bisschen freier von den Interpretationen und Arrangements.“ An der jazzig-funkigen Grundausrichtung wollen die beiden aber wenig ändern. Anders sieht es mit Fellowsophs Soloplänen aus. „Mir würde die Herausforderung guttun, auf anderen Beats zu rappen. Ich überlege, was grimig-technoides zu machen, weil ich Bock habe und mich gerade viel UK-Stuff wie Dream Mclean reizt.“ Auch aufs Battlen habe er wieder Lust, auch wenn in Wien derzeit kaum etwas passiere. Lockere Freestyle-Einlagen dürften aber bald wieder zu hören sein – sie sind ein fixer Bestandteil seiner Sessions und Liveshows.

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