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20 Jahre Hip Hop in Österreich

20 Jahre Hip Hop in Österreich

„Overthere über dem Teich, da liegen die Wurzeln, overhere hinter den Bergen beginnen die ersten Pflänzlein auszutreiben klein aber funky. Und der Tribe ist genauso stetig. Ist längst eine Familie […] Hier ist die ganze Bande. Das Weltzusammenführungsprogramm – the Vibe is in effect.“ So der legendäre Radio- und Musikmacher Werner Geier a.k.a. Demon Flowers vor gut 20 Jahren auf Ö3 im Rahmen der Präsentation des ersten österreichischen Hip Hop Samplers „Austrian Flavors Volume 1“.

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Im Gegensatz zu Amerika, Deutschland oder auch Frankreich war und ist Hip Hop in Österreich keine kommerzielle Erfolgsstory. Vielleicht büßte er aber auch gerade deswegen weniger an seinem ursprünglichen politischem, widerständigem und sub- bis gegenkulturellem Potential ein. So ließ das auflagenstärkste Hip Hop Magazin Europas, die Juice, nicht umsonst in einem Editorial von 2010 verlauten: „Hip Hop ist nicht tot, er lebt jetzt nur in Österreich.“

Wir vom The Message Magazin haben uns nun 2012 ein hohes, ambitioniertes Ziel gesteckt: die Geschichte(n) von Hip Hop in Österreich der letzten 20 Jahre in einer Dokumentationsreihe aufzuarbeiten und zu reflektieren. Dabei gehen wir zwar chronologisch vor, werden dabei aber den Bezug zur Gegenwart nicht aus den Augen verlieren. Wir orientieren uns dabei am Veröffentlichungsjahr der jeweiligen Releases, wobei wir den „Austrian Flavors“ – Sampler als Ausgangspunkt für einen mehrjährigen Zyklus wählen.

Foto by Daniel Shaked | www.danielshaked.com ©2012

Nur um Missverständnissen vorzubeugen: Hip Hop in Österreich gab es schon vor 1992 und diesem Sampler (man denke an die Moreaus Creatures, die „Basic“ Parties im Bach und „Cookiepuss“ im Volksgarten). „Austrian Flavors Volume 1“ war jedoch zum einen das erste überregionale Rap-Projekt österreichischer Artists, das eine Szene, die von Feldkirch nach Wien reichte, widerzuspiegeln suchte. Andererseits waren die ProtagonistInnen darauf bedacht, dass dieses Endprodukt internationalen Ansprüchen genügen sollte, um somit Hip Hop aus Österreich erstmalig weltweit zu profilieren.

Seine Entstehung ist aber auch einer nicht ganz uneigennützigen Initiative der Tribe Vibes & Dope Beats – Redaktion rund um Katharina Weingartner, DJ DSL und Werner Geier geschuldet … Zu den ursprünglichen Intentionen jedoch in den nächsten Folgen der Dokumentationsreihe mehr.
Ein wichtiges Puzzlestück zu einem besseren Verständnis der Anfänge österreichischen Hip Hops und somit auch des „Austrian Flavors“ ist der „Dope Beats Freestyle Contest“ im Volksgarten vom 7. Dezember 1991, von dem damals live auf Ö3 berichtet wurde. Auf der Grundlage dieses Contests durften die Auserwählten im Studio 2 des ORF-Funkhauses ihre Nummern für den Sampler einspielen. Ebendort trafen wir vor ein paar Wochen drei der damals aktiv beteiligten Akteure, um euch noch 2012 einen ersten Teaser für unser großes Dokumentationsprojekt und ihre erste Episode abzuliefern. Außerdem gesellte sich ein Rapper zu uns, der zwar nicht sehr viel älter als der Sampler ist, am „Austrian Flavour“ aber auch nicht unbeteiligt scheint…

Während der Aufnahmen im Studio 2 im Funkhaus in Wien, 2012
Foto by Daniel Shaked | www.danielshaked.com ©2012

Welche Nachhaltigkeit der Sampler und das Zusammentreffen im Rahmen des Contests in der Retrospektive hatte, zeigt sich vor allem daran, wie einige der daran Beteiligten mit ihrer Innovationsfreudigkeit prägend für Hip Hop wie auch neue Musikgenres „made in Austria“ werden sollten: Rodney Hunter und Werner Geier gründeten gemeinsam das legendäre Uptight Label (eine Grammy – Nominierung mit Mark Murphy), Peter Kruder kennt man als Mitglied des weltweit bekannten Produzenten- und DJ-Duos „Kruder&Dorfmeister“ und als Mitbegründer des Musiklabels „G-Stone“. Dubblestandart – die beim Contest zu überzeugen wussten, jedoch letztlich nicht den Weg auf den Sampler fanden – sind heute die international erfolgreichste Reggae-Dub-Band Österreichs. Hunter wie auch Shadee (damals Compact Phunktion) gehörten den Aphrodelics an und zogen mit ihren Releases weltweites Interesses auf sich. Total Chaos erfuhren im gesamten deutschsprachigen Raum große Akzeptanz und Wertschätzung für ihre Arbeit und Manuva war danach ein wichtiger Bestandteil des „Supercity“- Projekts mit den Waxos, Twin Towas, Deph Joe usw.. Darüber hinaus finden sich auf der Platte noch illustre Namen wie Functionist (FM4 Moderator, DJ und Produzent), DJ DSL und DJ Cutex (österreichische DJ- und Produzenten – Legenden), Megablast (Gründungsmitglied von Schönheitsfehler; heute im Duo mit Makossa unterwegs) und viele weitere andere, die im Zuge unserer Dokumentationsreihe auch noch zu Wort kommen werden.

Darüber hinaus wollen wir schon jetzt mit einem bisher nicht wieder veröffentlichten Werner Geier – Interview, das mit ihm im Rahmen des „Dope Beat Freestyle Contests“ im Volksgarten 1991 live auf Ö3 geführt wurde, zusätzlichen Appetit auf österreichische Musikgeschichte machen … Feel the Vibe!

Tribe Vibes & Dope Beats Contest interview w/ Geier by The Message Magazine

Stefan Anwander & Jan Braula, Dezember 2012

See Also

Interviews, Recherche, Redaktion: Stefan Anwander, Jan Braula

Kamera: Daniel Shaked, Stefan Sommer

Schnitt: Daniel Shaked

Thx to Manuva, Sugar B, Charly and Average for supporting it. Ein ganz spezieller Dank an Big T. a.k.a. Trishes, der uns den Werner Geier – Mitschnitt zur Verfügung gestellt hat