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„Ich hatte genug vom Rollenspiel“ // Chakuza Interview

„Ich hatte genug vom Rollenspiel“ // Chakuza Interview

Foto: Four Music

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Foto: Four Music

Richtungswechsel. Fünf Jahre lang war der Linzer Peter Pangerl alias Chakuza Mitglied des Ersguterjunge-Camps – mit allen Vor- und Nachteilen. Auf der einen Seite standen Chartruhm, ECHO-Nominierungen und, ähm, Bravo-Hip-Hop-Präsenz, auf der anderen Seite Hatereien, Sellout-Vorwürfe und,  für Chakuza und seinem Beatlefield-Kollegen DJ Stickle das Gefühl, eine Rolle spielen zu müssen, die zu einem so gar nicht passt. Wir trafen Chakuza während seiner Promophase zu seinem neuen Album „Magnolia“, welches einen kompletten Umbruch darstellen soll. Und dies nicht nur musikalisch…

TM: Dein letztes Album, „Monster in mir“ erschien noch über Ersguterjunge, „Magnolia“ kommt jetzt über FOUR Music. Was waren nun die wesentlichen Gründe dafür, dass du Ersguterjunge verlassen hast?
Chakuza: Der wesentliche Grund war einfach, dass ich fühlte: es passt nicht mehr. Wir haben uns untereinander nicht mehr verstanden, ich war komplett unzufrieden, mochte meine Musik nicht mehr und konnte einfach mit der ganzen „Identität“, die das Label hatte, nichts mehr anfangen. Ich passte da nicht mehr hin. Es war also der einzige logische Schritt, Ersguterjunge zu verlassen und einen Neuanfang zu starten. Die ganzen Geschehnisse sind ja jetzt aber auch schon über 2,5 Jahre her, für mich ist das Kapitel mittlerweile schon abgeschlossen.

Gab es  neben den musikalischen Gründen, also die Wegentwicklung vom EGJ-Trademarkensound, auch persönliche Gründe für die Trennung?
Definitiv, es ist persönlich viel bei mir passiert und irgendwann kam ich halt zu dem Punkt, an dem ich diese Rolle nicht mehr weiterspielen wollte. Ich spürte einfach, dass ich das nicht bin, ich wollte nicht mehr das Bild des „Superharten“ und „Superstarken“, welches wir bzw. ich in der Öffentlichkeit hatte, nicht mehr länger beibehalten. Das passte nicht mehr zu mir, und ich wollte damit nichts mehr zu tun haben. Ich habe daher fast zwei Jahre lang nichts mehr veröffentlicht, ich wollte hiermit quasi den alten Chakuza sterben lassen.

Die zwei Jahre lange Pause wurde also mit Kalkül geplant?
Auf jeden Fall, ich musste ja  erst einmal zu mir selbst finden und schließlich daran arbeiten, ein Team aufzubauen, mit welchem ich die Art Musik kreieren kann, die ich  unbedingt umsetzten wollte. Zum Glück hat das alles gut funktioniert, ich konnte mir ein Team aufbauen, welches mir einiges an Ballast von den Schultern nahm und mir gestattete, mich nur auf das Schreiben zu konzentriern, ein Team, welches mir erlaubte, zu mir selbst zu finden und die alten Fehler der Vergangenheit auszumerzen.

Du sprichst von Fehlern. Was können wir uns darunter vorstellen?
Damit meine ich einfach dieses „Rollenspiel“ von früher, dieses Phrasengedresche. Ich musste damit abschließen, ich wollte Musik machen, die durch Ehrlichkeit besticht, mit der ich meine Gefühlslage ausdrücken kann, ohne den Pathos von früher mit einzubringen.

Hatte dieser Wandel auch wirtschaftliche Gründe? Immerhin zeigten ja deine neuen Labelkollegen Casper und Marteria, dass ein Markt für solche Musik durchaus besteht…
Nein, wir haben ja schon vor 1,5 Jahren mit dem Album angefangen, da war diese Art Musik nicht so wirklich gefragt, wie sie es jetzt ist. Wir haben ja ins Blaue hineingearbeitet, ich hatte weder Label, Management oder Verlag, ich hatte nix. Die Leute, die zu der Zeit mit mir gearbeitet haben, haben das alles für lau gemacht und  wussten ja auch nicht, wo das Ganze enden wird. Dass alles so kommt, konnte ja keiner ahnen. Es hätte alles komplett in die Hose gehen können. Aber wir haben jetzt nicht gesagt: „Sowas verkauft sich gut, das müssen wir machen“, nein, es war einfach meine musikalische Vision, die wir gemeinsam umgesetzt haben, fernab jeglicher Marketinggedanken. Ich konnte nix anderes mehr machen, als dieses Album, daher bin ich besonders stolz darauf und danke Gott, dass wir das alles geschafft haben.

Wenn du von „wir“ sprichst – wer gehört alle zu dem Team?
In musikalischer Hinsicht sind das DJ Stickle, Steddy und Schaubi, welcher auch einen großen Part abgeliefert hat, sowie ich, wobei ich halt mehr für die Texte zuständig war und eher weniger für die Musik. Wir vier bildeten den harten Kern, dann kam mit der Zeit schließlich auch ein neues Management hinzu, ein neuer Verlag, und zum Schluss dann auch FOUR, wobei „Magnolia“ hier schon großteils fertig war.

Spielte deine Labelvergangenheit eine Rolle bei den Gesprächen mit FOUR?
Nein, gar nicht. Die haben ja auch die Sachen gehört und sowohl der Andi (Andreas Janetschko – DJ Stickle, Anm. der Red.) als auch ich kannten Leute von FOUR, was ja auch nix besonderes ist, schließlich kennt in der Szene ja jeder jeden, zumindest über Ecken. Es hat dann eben alles geklappt, wobei ich mir sicher bin: wenn ich so gewesen wäre wie früher, dann hätte ich auch dieses Management nicht  bekommen.

Hat es von Seiten FOURs irgendwelche Einsprüche, sei es textlicher oder musikalischer Natur, gegeben?
Gar nicht, die haben uns komplett freie Hand gegeben. Natürlich gaben die uns ein paar Tipps, aber das beschränkte sich darauf, dass wer sagte „Macht das kürzer/länger, damit das ins Radio kommt“. Aber die wussten ja was wir machten, die vertrauten uns. Wenn man allerdings das Album abgibt, verlässt man sich natürlich auf Leute, wo man weiß, dass die da eine Ahnung haben, die wissen, wie sie das Projekt zu vermarkten haben, keine Frage.

Bestand darin ein Lernprozess oder war dies etwas, was du noch aus deiner Zeit bei Ersguterjunge kanntest?
Nein, das war was Neues, wir wurden ja nie im Radio gespielt (lacht).  Allerdings war das auch nie ein Thema, wir haben halt unser Ding durchgezogen, abgeschottet von allen anderen, und es hat dennoch geklappt.

Du sprachst eingangs über diverse Veränderungen, über die Erkenntnis, nicht mehr in diese „Lederjacken-Zahnstocher im Mund-Airmax“-Rapschiene zu passen. Wie kam es zu diesem Umdenken?
Da spielen mehrere Faktoren eine Rolle. Einerseits ist mir privat viel Scheiße widerfahren, da beginnst du automatisch mit dem Nachdenken ob du das, was du tust, wirklich richtig ist. Anderseits, auch wenn es blöd klingt: du wirst auch älter, und da willst du irgendwann mal auch als Erwachsener wahrgenommen werden. Dies geschieht allerdings nur, wenn du dich wie ein Erwachsener benimmst und wenn du wie einer sprichst. Ich mein, ich war jung als ich bei Ersguterjunge unterschrieben habe, da kann man das alles noch mit dem Prädikat „jugendlicher Leichtsinn“ abstemplen. Irgendwann hab ich aber gemerkt, dass die Leute nicht zwischen dem Image, der Rolle, die gespielt wurde, und dem Privatmenschen unterscheiden konnten, die nahmen das alles für bare Münze, und damit hatte ich ein Problem, weil das war nicht ich…

Die Rolle ist also zu groß geworden?
Auf jeden Fall. Früher hab ich ja auch so Sachen wie Westberlin Maskulin gehört und gefeiert, aber ich dachte nie, dass Savas privat auch so tickt. Oder bei Al Pacino denkt auch keiner, dass der den Scarface-Lifestyle im Privatleben fortführt…

Es gibt aber Leute, die so sein wollen wie Scarface…
Genau, und darin liegt auch das Hauptproblem.

Um wieder auf Magnolia zurückzukommen: als ich die erste Single „Ich lauf“ gehört habe, viel mir auf, dass bei deinem neuen Stil der österreichische Akzent stärker zu hören ist…
Echt? (erstaunt) Naja, ich hör mich ja nie selbst reden, aber ich hab damit kein Problem, schließlich bin ich ja Österreicher.

Du rappst auf dem Album eine Zeile, die mich von der Ehrlichkeit besonders beeindruckt hat, und zwar in welcher du sagst, dass ihr damals ins offene Messer gerannt seid und  naive Kinder wart. Was genau meinst du damit?
Ja, damit beschreibe ich die Situation, in der wir damals waren, das ganze Berlin-Ding. Wo ich von heute auf morgen Linz verlassen habe und  nicht wusste, was mich in Berlin erwartet. Als ich plötzlich von 0 auf 100 war und mit einem Tunnelblick voran ging und gar nicht mitbekomme habe, wie ich mich veränderte. Und genau das fällt dir irgendwann auf dem Kopf, denn du vernachlässigst deine guten Freunde und gibst dich nur mit denen ab, die dich ausnützen, obwohl das auch in Österreich der Fall war.

Das ist ja eine typische Geschichte, die man von anderen immer hört…
…und denkt, es könnte nie einem selbst passieren, und dann sitzt man in der gleichen Scheiße. Leider traf das auch komplett auf meine Situation zu, aber ich hatte Glück noch alte Freunde an meiner Seite zu haben, die immer zu mir hielten und mir die Augen öffneten. Ich hab dann einen Cut gemacht, die „Blutsauger“ und falschen Freunde verlassen und mich wieder auf die wichtigen Dinge fokussiert.

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Wie wichtig war DJ Stickle in der ganzen Geschichte, als dein Kompagnon?
Sehr wichtig, auch in der jetzigen Situation wieder. Auch wir haben uns eine Zeit lang nicht gut verstanden, aber haben uns an einem Tisch gesetzt und die Probleme aus der Welt geschafft und sind jetzt wieder dickste Freunde. Er hat auch enorm viel Zeit in „Magnolia“ gesteckt, obwohl  ihm auch etliche andere Projekte, bei denen er gut verdient hätte, angeboten wurden, aber im Endeffekt ist alles gut.

Du fährst ja auf „Magnolia“ auch einen komplett neuen Sound. Wie schwierig war die Umstellung vom New-Wave geprägten Klangteppich, was ja eher deine Heimat war, hin zu diesem live-analog generierten Soundbild?
Das hab ich ganz den Jungs überlassen, ich gab denen eine Liste mit Tracks, die ich privat gerne höre, also von Bands wie M83, Citizen Cope oder auch viel Indie-Sachen, und hab denen gesagt: „Jungs, in die Stimmung soll das Ding gehen!“. Die haben dann geschraubt und geschraubt und schließlich den Sound abgeliefert, den ich mir vorgestellt habe.

Wurmt es dich eigentlich noch, dass du in Österreich nicht so anerkannt wirst, wie du es eigentlich sein solltest, wenn man deine Erfolge bedenkt?
Mittlerweile bin ich auch damit im Reinen, früher hat mich das schon gestört. Ich wollte ja nur was Gutes, ging nach Berlin und werde dann in Österreich als Verräter und „Möchtegern-Bushido“ bezeichnet. Damals hat mich das genervt, ich hab ja dann auch trotzig reagiert, aber wir werden ja jetzt auch anders wahrgenommen, dieses Image, was ich bei Ersguterjunge verkörpert habe, hat nicht wirklich zu einem Österreicher gepasst. Wir sind ein nettes, angenehmes Volk, und damit habe ich nicht in das Camp gepasst. Man nahm mir ja auch diese ganze Rolle nicht ab, und das zurecht, weil ich das ja auch einfach nicht war.

Ein weiteres Indiz, dass du in Österreich immer noch verkannt bist, ist auch der Amadeus-Award, den du noch nie gewinnen konntest…
Gut, ich war 2010 zum ersten Mal nominiert, aber da kam man ja an mir nicht vorbei, da war ja mein Album auf der 3 gechartet. Schlussendlich hat Skero gewonnen, kein Problem, ich gönne es ihm. Amadeus ist für mich auch nicht die Welt, mir ist das auch egal.

Was ist eigentlich aus der Kollabo zwischen dir und dem Jack Untawega geworden?
Ja, die kam zum falschen Zeitpunkt, da hatte ich auch keinen Bock mehr auf das Battlerapding. Wir haben zwar angefangen und etwa acht Nummern fertiggestellt, aber ich fühlte das zum Schluss nicht mehr, auch weil ich eben was anderes machen wollte und so ein Album hätte dann ja komplett meine Glaubwürdigkeit untergraben. Zudem weiß ich nicht, wo der Jack jetzt ist, auf jeden Fall schöne Grüße an ihn. Das Album ist weg, im Untergrund, schade darum.

Ja, vor allem weil ihr aus zwei verschiedenen Welten kommt und sehr viele Leute auf das Endergebnis gespannt waren…
Wir waren auch da im falschen Umfeld, das waren eben die erwähnten Blutsauger, mit denen ich dann gebrochen habe. Bin ja dann auch nach Berlin gegangen und damit ist das Projekt gestorben. Naja, so passiert’s.

Interview: Daniel Shaked
Text: Thomas Kiebl