"The hardest thing to do is something that is close…
K.I.Z. stehen für Provokation, Wahnsinn, Geschmackslosigkeiten. K.I.Z. stehen aber auch dafür, den Finger tief in die Wunde gesellschaftlicher Problematiken, und zwar gesegnet mit bissigem Sarkasmus, wie man es sonst nur von Punkbands wie den Dead Kennedys kannte, zu legen. Man kann daher zu Recht behaupten, dass keine Band eine klassische Punk-Attitüde im Rap so gut verkörpert wie die Kannibalen in Zivil, die uns nun schon seit fast 8 Jahren mit Musik versorgen. Die letzten Projekte kamen alle regelmäßig im 2-Jahresrhytmus, also war es auch keine Überraschung, dass 2013 neues von den Berlinern auf dem Markt erscheint.
Viele hatten mit einem neuen Album spekuliert, manche mit einer Fortsetzung des großartigen Mixtapes „Böhse Enkelz“ – herauskam ein neues Tape mit dem Titel „Ganz oben“, welches es via Krasser Stoff gemeinsam mit einem T-Shirt zu erwerben gibt. Nix Universal, quasi ganz Underground. Eigentlich eine seltsame Strategie für eine Band, deren (Major-)alben bislang alle die Top10 der deutschen Albumcharts (zu einer Zeit, als dies eben keine Selbstverständlichkeit war) entern konnten. Die erste Videoauskoppelung erwies sich jedoch schon als Antwort auf diese Frage, warum dieser Vertriebsweg gewählt wurde, oder glaubt jemand ernsthaft, dass ein Major eine Single mit dem Titel „Ich bin Adolf Hitler“ vermarkten will? Nein, eher nicht. Allerdings ist diese Nummer nur die Speerspitze, so viel sei gesagt, denn Provokation wird auf „Ganz oben“ groß geschreiben.
Schließlich zeigt nach einem unfassbar nervigen Intro („Duhastaufdeinenkokaturndeine…“) „Affe und ein Pferd“, dass K.I.Z. hier auf keinem Fall mit der Handbremse unterwegs sind, wie die Lines „Ich schwänz die Schule, weil die Schwester meine Mami war/ B!tch ich bezahl Urlaub nach Taka-Tuka-Land und Zanzibar/ Wenn wir wieder da sind, Vierer mit Tommi und Annika/Vom Speed sieht uns’re Pisse, mittlerweile aus wie Sangria“ oder „Wir sind Taka-Tuka Ultras, scheißen auf Disneyland/ Ich trag die Nike Shox mit eingenähter Kinderhand“ eindeutig beweisen – das Ganze, um den totalen Wahnsinn abzurunden, auf einem Pippi Langstrumpf-Sample. Wem das schon zu viel ist, der sollte sich nicht weiter mit dem Tape beschäftigen, denn es geht genau in dieser Tonart weiter, und zwar mit der Nummer „Ich bin Adolf Hitler“, welche sogar in der Welt behandelt wurde. Die Nummer funktioniert wunderbar mit dem Video, als Track alleine verliert sie aber total die eigentliche Wirkung, übrig bleiben plumpe Provokationsversuche wie folgende Line: „(Baby), du weißt, wenn ich mit meinem Finger schnippse /Stehst du plus zwei auf Schindlers Liste“ – das ist alles viel zu offensichtlich auf Provokation getrimmt und kann nicht wirklich überzeugen.
Letzteres kann jedoch der Track „Ich steh auf Frauen“ (Ich schwöre)“, auf welchem, über einen wunderbaren, J.U.S.T.I.C.E.-League-mäßigen Bombastbeat sich auf herrliche Weise dem Thema Homosexualität, und zwar auf die K.I.Z.-typische Art, gewidmet wird. Dieser Track ist jedoch auch der stärkste, ähnliche Highlights gibt es im weiteren Verlauf des Tapes kaum noch: zwar wissen auch der Tarek Solotrack „Jimi Blue“ und Nicos „Stirb wenn du kannst“, das mit bitterbösen Zeilen aufwarten kann, zu gefallen, der Rest pendelt sich zwischen den Polen fragwürdig und schwach ein: da wäre zunächst „Ficki Ficki“, welches als musikalische Umsetzung von Marquis De Sades „120 Tage von Sodom“ fungiert: alle haben hier Sex mit allen – außer die Dicken. Richtig zum Lachen bringen die Lines einen hier nicht, allerdings weiß Tarek mit seiner Shindy-Imitation doch zu unterhalten. In die Hose gehen schließlich Nummern wie der „Fledermausmann Remix“, welches vor allem eines ist: nur ein Remix, und „Oskar, der Elefant“, das nicht wirklich zu zünden vermag. Vielleicht, weil Maxim hier sich mehr an einem Kinderlied orientiert als an einem Rapsong, und das irgendwie doch zu viel des Guten ist.
Nach 14 Tracks ist der Wahnsinn auch wieder vorbei – zurück beibt etwas Ratlosigkeit: Klar, K.I.Z. sind immer noch für geniale Momente gut, allerdings, und dies hat sich schon auf „Urlaub fürs Gehirn“ abgezeichnet, produzieren die Vier nun auch vermehrt Skipkandidaten auf ihren Releases, etwas, was man von früheren Werken kaum kannte. Für Zwischendurch ist dieses Tape immer noch gute Unterhaltung, für das nächste Album können die Kannibalen in Zivil aber wieder einen Gang zulegen.
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