Als wir das noch sehr spärlich besuchte B72 betreten, sind dem Timetable entsprechend bereits Weisssgold und Kurd. Y auf der Bühne und wärmen das Publikum auf – so pünktlich geht es bei HipHop-Gigs selten zu. Um kurz vor zehn betreten dann Appletree und Demolux – mit einem scratchfreudigen Kapazunda im Rücken – die Bühne des bereits voller werdenden B72. Die beiden lassen es sich nicht nehmen, abwechselnd die jeweiligen aktuellen Lieblingsnummern zu spielen – „Natürlich machen wir heute Kollaboscheiße“.
Die beiden Österreich-Routiniers haben nach dem gestrigen Auftritt in der Postkutsche Mattsee (ebenfalls als Support für Witten Untouchable), sichtlich Spaß an Tracks wie „Sag dreimal seinen Namen“ und „Broke Motherfucker“, auch wenn Appletree sich ein wenig enttäuscht über die Crowdmotivation äußert und vehement mehr Stimmung fordert. Das Highlight des kurzen, aber dopen Sets liefert Demolux mit einem, „erst vor drei Wochen entstandenen Track“, mit Kopfnicker-Beat von Tactik, der wohl auf den Namen „Faul“ hören wird. Da zeigen sich neben der immer aktiveren Crowd auch die bereits auf der Bühne befindlichen Wittener Jungs begeistert.
Schließlich übernehmen Mess, Kareem und Lakmann, mit DJ Schänz an den Decks, energetisch die Show im nun gut besuchten Gürtellokal und können sich vom Opener weg einer lautstarken Unterstützung durch das Publikum sicher sein. Darunter findet sich übrigens auch heimische und deutsche HipHop-Prominenz wie Kamp, Kreiml oder Morlockk Dilemma. Ausschweifende Anmoderationen sind, wie sich schnell herausstellt, nicht die Sache der drei Jungs aus dem Ruhrgebiet, ein druckvoll gerapptes Set vollgepackt mit dem besten aus dem Debütalbum „It was Witten“ und einige Überraschungen schon eher. Schon „Von Anfang an„, der naturgemäß früh gespielt wird, stellt direkt eines der Highlights dar und erzeugt früh eine intensive Atmosphäre. Danach wird Track für Track unterstrichen, warum dieses Album szeneintern so positiv aufgenommen wurde und auch exakt zwei Jahre nach Release noch immer eine Hausnummer ist: Kompromisslose Instrumentals von Rooq, dem Hausproduzenten von Witten Untouchable, auf dem fette Verses über Rap und die Welt, ganz ohne Drugs-Pussy-Money-Prahlerei auskommen.
„Freundin weg, Kohle ist weg, Rolex weg,
Die Toleranz, die ich hatte, ist jetzt so begrenzt,
Fame ist weg, Game ist whack, Labelchefs,
alle die ich kenn, So ein Pech“
– „Ausnahmetalente“
Nach gefeierten Tracks wie „Hände Hoch“, „Was ich nicht mag“ und „Ausnahmetalente„, folgt ein Schmankerl für die langjährigen (österreichischen) Supporter: Appletree wird auf die Bühne gebeten und performt mit Lakmann den mehr als zehn Jahre alten gemeinsamen Track 2Ws. Im Anschluss ertönt mit „Wofür mach ich das“ ein Lakmann-Klassiker von seinem letzen Solorelease Zwei Gramm gegen den Stress, bei dem man die Verzückung der offensichtlich stark vertretenen langjährigen Fans von den Gesichtern ablesen kann.
„Ich wollte schreiben, so wie Schiller oder Shakespeare,
doch wurde ich zuerst zum Kiffer und dann Killer in dem Game hier,
Rap ist Fun Homie, doch komisch ich mach keine Witze,
ich bin nicht wach geblieben, bloß um ein paar Lines zu Kicken“
(Wofür mach ich das)
Die Crowd muss kaum bis gar nicht animiert werden, „Aaaaaahhhh“ wird genau wie Untouchable Cypher, Ring the Alarm und Aeon frenetisch gefeiert – „Witten Untouchable Zukunftsmusik“. Zu guter Letzt fragt Lakmann ganz höflich: „Habt ihr Bock auf einen Track vom neuen Solo-Album?“ und sorgt für Vorfreude auf sein Mitte Jannuar, ebenfalls über Eartouch erscheinendes Solo-Album. Danach ist Schluss, Crowd und MCs „sind gleichermaßen kaputt“ und glücklich, auf lange „Zugabe“-Sprechchöre wird deshalb, trotz Begeisterung über das Gebotene, verzichtet.
Fazit: Die drei Jungs aus dem Ruhrgebiet liefern mitsamt österreichischem Support eine sehr überzeugende und präzise Show ab, beweisen eindrucksvoll ihre Liveskills und nehmen das Publikum dabei mit Energie und starken Verses voll mit. Einzige Wermutstropfen: Die relativ kurze Spielzeit von 70 Minuten und der Verzicht auf eine von Lakmanns bärenstarken Freestyle-Einlagen. Ansonsten ein durchwegs gelungener Auftritt, nachdem Künstler wie Publikum zufrieden ein langes Wochenende beschließen. Das Interview mit Witten Untouchable folgt in Kürze.
Text: Emil Delivuk / Fotos: Damien Richard
