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Nate57: Weniger Politiker, mehr „Gauna“? // Review

Nate57: Weniger Politiker, mehr „Gauna“? // Review

Rattos Locos / VÖ: 25. 03. 2016
Rattos Locos / VÖ: 25. 03. 2016

Vor wenigen Jahren galt Nate57, gemeinsam mit Haftbefehl, als Heilsbringer einer neuen Generation von Straßenrappern. „Blaulicht“ und die ersten Mixtapes dienten als Argumente für die Einschätzung, dass ganz im Norden bald ein neues Kapitel in der deutschen Straßenrap-Historie geschrieben werden könnte. Wurde es auch — nur nicht von Nate, sondern von der befreundeten 187 Strassenbande. Nate konnte mit seinem Debüt, das ein Kaas damals sogar als deutsches „Illmatic“ anpries, keine nachhaltige Position im Geschäft einnehmen. Während ein Haftbefehl mit seinem Vokabular mittlerweile im Feuilleton stattfindet, kämpft Nate weiter um Anerkennung. Dass 90er-Jahre-Boom-Bap-Sound im Deutschrap mittlerweile wieder en vogue ist, kommt ihm nicht ganz ungelegen. Waren Mobb Deep und andere Konsorten aus Queensbridge seit jeher seine musikalischen Vorbilder. Bevor der erste Ton erklingt, dämpft allerdings das miserable Cover den Eindruck — aber wer geschmackvolle Artworks sucht, ist bei Rattos Locos sowieso an der falschen Adresse.

Hinsichtlich klassischem Straßenrap aber an der richtigen: Denn darin liegt das Metier von Nate57. „Gauna“ ist klassisch in der Themen- und der Beatwahl. Klassisch in der Betonung und der monotonen Melodie der Raps. Klassisch im Sinne der New Yorker 90er-Jahre-Größen wie Mobb Deep. Klassisch im besten Sinne eben. So hält „Gauna“ mit seinen siebzehn Anspielstationen einige Bretter mit dem Prädikat „klassisch-im-besten-Sinne“ für den geneigten Zuhörer bereit. Es sind vor allem die Solo-Tracks im ersten Teil der Platte, die den HipHop-Head gehörig zum Nicken bringen. Allen voran „Alarm“: Dieser erinnert in seiner Lockerheit an „Gravel Pit“ vom großen Wu-Tang Clan. Aber auch „Kein Para – kein Sinn“, „Mit der Basy“, „Wie ne Platte die springt“ sowie „Martinshorn“ und „Gesetzlos“ vom zweiten Teil zeichnen dichte und eindringliche Bilder von St. Pauli — beziehungsweise von einer Welt, zu der man sonst schwierig einen so ehrlichen und detaillierten Einblick erhält. Nicht ohne eine gewisse Distanz, denn: Zwar entsteht der Eindruck, ganz nah dabei zu sein, die Bilder kommen aber nie auf eine persönliche Ebene. Sie ziehen vor dem geistigen Auge des Zuhörers wie ein Blick aus dem Fenster bei einer Autofahrt vorbei. Bunt und lebendig, aber immer aus einer gewissen, sicheren Distanz.

Und so ist die Stärke des ersten Teils die Schwäche des zweiten. Während die Distanz im ersten Abschnitt hervorragend passt, fehlt im zweiten das Persönliche. Zu wenig von der (Künstler-) Persönlichkeit Nate, aber zu viele Features — von denen nur zwei in der Lage sind, die Messlatte zu überspringen, die der erste Teil gelegt hat. Das sind zugleich die größten Schwächen von „Gauna“: Viel zu selten hört man den Künstler aus der Ich-Perspektive rappen, Persönliches offenbart der Lederjacken-Träger kaum. Schade, bestärken Ausnahmen wie „Saudade (Outro)“ eine Forderung nach mehr. Aber mit Beginn des zweiten Teils ist das Narrativ zu Ende erzählt. Wenn man durch den Auftritt der Gäste auf etwas Neues gehofft hat, wird man enttäuscht. Man würde sich wünschen, dass an der Stelle auch die Grundstimmung variiert, etwas mehr Humor und Lockerheit mit den Features Einzug hält — der Einzige, dem das in Ansätzen gelingt, ist der Berliner Crackaveli auf „Saxophon“ zusammen mit Olexesh, der sich auf dem Track leider nicht von seiner besten Seite präsentieren kann.

Man würde sich insgesamt von Nate mehr Variation wünschen. Mehr „Ich“, mehr von der Person hinter der Kunstfigur „Nate57“ — und weniger „man“.  Aber vor allem weniger „Sie“! Der absolute Tiefpunkt auf dem Album ist „Chaos“. In bester Ken’scher Manier werden die Übel dieser Welt „Ihnen“ zugeschrieben. „Sie“ sind einmal Pharmaunternehmen, ein anderes Mal Waffenschieber. Aber immer eine große Organisation, welche die Geschicke lenkt. Denkt man an andere Straßenrap-Alben, findet man immer wieder solche Verschwörungstheorien, in jüngster Vergangenheit etwa Haftbefehls „Rotschildtheorie“. Auch Nate57 hat bei politischen Inhalten Probleme, diese reflektiert auf den Punkt zu bringen. Was wirklich notwendig wäre, verleiten seine politischen Äußerungen und Songs schon in den Projekten zuvor zu manch Kopfschütteln. Wenn Nate sich politisch äußert, entsteht beim Hörer der Eindruck, er wüsste gar nicht, wovon er spricht. Ganz im Gegensatz zu seinen Geschichten aus dem Straßenalltag, wo man ihm so ziemlich jedes Wort abkauft.

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Fazit: „Gauna“ besteht aus einigen Brechern, die nicht zuletzt einem deutlich besseren Beat-Picking geschuldet sind, viel Leerlauf und manch Krudem. Macht erneut ein durchwachsenes Album eines Rappers, der die Gunst der Stunde einfach nicht nutzen konnte und dem erhofften Ruhm nun hinterherhechelt. In den Vereinigten Staaten sind solche Rapper als Papoose oder Saigon bekannt. Dass in Deutschland Nate57 diese Lücke ausfüllt, beweist er mit „Gauna“ ein weiteres Mal.

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2,5 von 5 Ananas